Montagsdemo Zeitz - Offener Runder Tisch Zeitz

Bericht zur Montagsdemonstration vom 28.01.2008 in Zeitz


Zur heutigen 165. Montagsdemonstration in Zeitz erschienen 47 Personen auf dem Schützenplatz, um wieder gemeinsam gegen Hartz-IV und weiteren Sozialkahlschlag zu protestieren.

Folgende Redner sprachen auf der Kundgebung:

Steffen Hemberger berichtete über die Ergebnisse der Landtagswahlen in Hessen und Niedersachsen.

Dabei hat die CDU kräftig "eins auf die Mütze bekommen". Besonders in Hessen sind massive Verluste im zweistelligen Bereich zu verzeichnen. Dies führt beim CDU-Ministerpräsidenten Koch allerdings nicht zur Eigenfehler-Suche. Schuld tragen nach seiner Darstelllung andere. Insbesondere die Linkspartei, ihr gelang in der Hessen-Wahl erstmals der Einzug in ein Landesparlament, sei an den entstandenen Mehrheitsverhältnissen schuld. Diese Behauptung ist eine bodenlose Frechheit, denn es handelt sich um Wählerschelte aus dem Mund eines unterlegenen Politikers. Mit diesem Ergebnis muss Herr Koch leben und bei Einbußen von 12 % sollte er schon einmal über sein eigenes Versagen nachdenken.
Die Wahlkampfhärte und die Festlegungen der Parteien vor der Wahl hinsichtlich bedingungslos abgelehnter Koalitionen erschweren jetzt die Regierungsbildung. Niemand möchte von seiner vorherigen Aussage abrücken. Aber irgendeine Partei muss "umkippen" weil das Land sonst faktisch nicht mehr regierbar ist. Es ist bemerkenswert, dass der Linkspartei ungeachtet der wieder aufgewärmten "Rote-Socken-Kampagne" in zwei Flächenländern, Hessen und Niedersachsen, den Sprung in die Landtage gelang.
Eine Fehleranalyse findet bei der in der Wählergunst stark abgefallenen CDU nicht statt. Gerade in den letzten Wochen vor der Wahl verlor die CDU stark und die SPD holte auf, weil die SPD-Kandidatin Frau Ypsilanti sich den von der CDU gemiedenen sozialpolitischen Themen zuwandte.
Und niemand muss sich wundern, wenn sich Wähler verschaukelt vorkommen und nach Wahlalternativen suchen. Die Wähler mussten von Frau Merkel hören, dass der Aufschwung nun auch bei ihnen angekommen sei. Aber aufgrund geringer Löhne und steigender Kosten machen diese Menschen alltäglich ganz andere Erfahrungen in der Realität. Frau Ypsilanti ist gewiss nicht die beste Alternative zum Herrn Koch, aber man muss an dieser Stelle auch erwähnen, Frau Ypsilanti war eine der wenigen SPD-Politikerinnen und Politiker, die sich 2005 offen gegen Hartz-IV aussprachen.

Das Hartz-IV-Gesetz ist das schlechteste und verpfuschteste in Deutschlands Nachkriegsgeschichte verabschiedete Gesetz. Dies erweist sich in einer wahren Klageflut gegen ergangene Bescheide. Im Jahr 2006 sind die Klagen um 41,8 % im Vergleich zum Vorjahr angestiegen. Das sind 29.200 Klagen mehr als 2005. Die Richter an den Sozialgerichten ersticken förmlich in Klagen. Die Sprecherin der Bundesagentur für Arbeit erklärte diesen Anstieg als eine Reaktion auf die vermehrten Ablehnungen bei Widersprüchen gegen ergangene Bescheide. Es ist ja wohl die übliche Vorgehensweise der ARGEn, grundsätzlich und unterschiedslos die meisten Widersprüche unabhängig von der Frage nach ihrer Berechtigung einfach zu verwerfen. Und dies zwingt die Betroffenen dann auf den gerichtlichen Klageweg.

Auch im Bereich der Zeitzer ARGE gibt es viele Beispiele für erfolgreiche Klagen. Das bestätigt doch die Fehlerhaftigheit der angegriffenen Bescheide und die Widerspruchsberechtigung in diesen Fällen. Möglicherweise geschieht die Ausstellung falscher Bescheide und die Ablehnung von Widersprüchen auf Anweisung Vorgesetzter oder aus reiner Willkür des Sachbearbeiters. Die Schuldigen müssen aus ihren Stellen entfernt werden, wenn das der Fall sein sollte.



Peter Moser äußerte sich ebenfalls zur Landtagswahl in Hessen.

Man muss Herrn Koch entgegnen, dass rot zu sein nicht ehrenrührig ist, wenn dieser Herr der Linken die Schuld gibt an politischen Zuständen und er Sprüche über "Rote Socken" klopft. Man muss ihm weiterhin ehrlicherweise entgegenhalten, dass die Kommunisten tatsächlich ein Leben ohne Zukunftsängste sicherten und das ist doch viel wert. Und bei aller technischen Rückständigkeit musste niemand eine medizinische Behandlung unterlassen, weil er sie nicht bezahlen konnte. Und deswegen ist es keine Schande "rot" zu sein, wenn man für solche sehr vernünftigen und wohlberechtigten Regelungen eintritt. Natürlich weiß die CDU um die Unpopularität ihrer Politik. Deren Politprofis sind nur enttäuscht, weil sie von der Krippe weg gedrängt wurden und andere ran kommen.
Im Übrigen wird es selbstverständlich nicht bei den vor der Wahl getroffenen Aussagen bleiben, mit wem man keinesfalls koalieren möchte. Jedenfalls einigt sie bestimmt, dass sie alle an die "Krippe" wollen. Und wenn sie anders nicht verhindern können, dass die Linke mitregiert, dann gibt es eben auch dann eine große Koalition, wenn sie vorher ausgeschlossen wurde. Und so groß sind die Unterschiede zwischen CDU und SPD wirklich nicht. Die CDU ist so christlich, wie die SPD sozial ist.

Ein weiteres Thema war die Mitarbeiterin eines Französischen Arbeitsamtes namens Fabienne. Sie schrieb anonym ein Buch über Missstände in dem Arbeitsamt, bei dem sie beschäftigt war oder ist. Sie konnte es nicht mehr mit ihrem Gewissen vereinbaren, auf Anweisung Statistiken zu fälschen, willkürlich und ohne Grund Sperren zu erteilen und andere Unredlichkeiten auszuführen. Es kamen viele Zuschriften von Angestellten anderer französischer Arbeitsämter, denen das gleiche wie Fabienne widerfuhr und bestätigten alle in dem Buch aufgeführten Sachverhalte. Auch diese Angestellten mussten Statistiken fälschen und willkürlich Leute benachteiligen. Plötzlich wurde erkennbar, dass es sich nicht um Einzelfälle handelte, sondern dass hinter allen diesen Vorfällen eine Systematik steckte. Und wenn sich auch in Deutschland eine Fabienne fände, die ein Buch über Missstände veröffentlicht, dann könnten wir sehen, dass es eben nicht an der Unfähigkeit und dem bösen Willen einzelner Mitarbeiter liegt, sondern dass Methode und System hinter all diesen falschen Bescheiden und abgelehnten Widersprüchen und langen Bearbeitungszeiten steckt.



Wolfgang Vogl berichtete über die Antwort des Landrates auf unsere Protestunterschriften.

Der Landrat hat die Unterschriften dem Landtagspräsidenten übergeben mit der Bitte, sich schriftlich mit uns in Verbindung zu setzen. Bis jetzt ist noch nichts eingetroffen. Aber wir werden ein Gesprächsangebot gerne annehmen, um die Politiker mit der Realität vertraut zu machen.

Ein weiteres Thema ist ein Urteil des Bundesfinanzgerichtes, welches die neue Regelung zur Pendlerpauschale für unzulässig erklärt hat. Dazu äußerte sich der Finanzminister Herr Steinbrück: "Wir gehen nicht wieder zur alten Regelung zurück, wir bauen die Subvention nicht wieder auf, um den Staatshaushalt nicht zu belasten". Die Pendlerpauschale wird von ihm als Subvention bezeichnet, andererseits verlangt man aber von den Leuten Flexibilität. Man will dem Bürger wieder mal an den Geldbeutel. Und angesichts der letzten Unternehmenssteuerreform, bei der die Steuersätze für die Unternehmer um 10 % (in Zahlen sind das jährlich 8 Milliarden Euro) gesenkt und damit Geldgeschenke verteilt wurden, ist die Aussage vom Herrn Steinbrück eine bodenlose Frechheit. Was sind denn das für Politiker und wessen Interessen dienen sie denn?

Der Präsident des Bundesverbandes der deutschen Industrie (BDI) Herr Thumann gab einen verdummenden Kommentar. Er sprach sich gegen den Einzug der Linken in die Landesparlamente aus, man solle in der Politik endlich aufhören von sozialer Gerechtigkeit und Umverteilung zu reden, damit die Unternehmen Arbeitsplätze schaffen können. Für wie blöd hält er eigentlich die Leute? Unternehmen werden doch nicht in erster Linie zur Schaffung von Arbeitsplätzen geführt und genutzt, sondern zur Profiterwirtschaftung. Arbeitsplätze in der Mindestanzahl und zu den Mindestkosten sind hierfür bloß die unerlässliche Voraussetzung, mehr nicht.

Nochmal zur Landtagswahl in Niedersachsen. Die Chefin der dortigen Linkspartei gab einen schönen Kommentar: "Wenn andere Parteien mit uns nicht können oder wollen, sind sie entweder unfähig oder noch im Denken des kalten Krieges verwurzelt". Die Zeiten des kalten Krieges sind es immer nur vordergründig, es ist nämlich Klassenkampf, der nie zu Ende war und nun wohl erst richtig beginnt.



Steffen Hemberger stellte nochmals klar, dass die Linken natürlich nicht den Alleinvertretungsanspruch für die Arbeitslosen haben.

Es ist aber wichtig, dass erstmal eine linke Kraft in ein Landesparlament kommt und dieses zumindest erst einmal "aufmischt". Denn bisher haben die großen Parteien gerade in Hessen oft alleine die Regierung gestellt. Nun müssen erstmals vor allem die Sozialdemokraten befürchten, dass ihnen eine andere Kraft den Rang abläuft. Denn gerade in in sozialen Fragen nehmen die Linken der SPD Stimmen weg. Es bleibt nun abzuwarten, wie die Linken die Volksinteressen vertreten. Wenn sie das in den nächsten fünf Jahren ordentlich bewerkstelligen, kann es eines Tages passieren, dass die SPD keine Volkspartei mehr sein wird. In Sachsen ist die SPD inzwischen nur noch drittstärkste Kraft. Was dort bedauerlicherweise seine Ursache in einer gestärkten NPD hat. Es ist aber durchaus möglich, dass nun immer mehr Menschen - durch die jüngsten Wahlergebnisse ermutigt - die Linken wählen, demnächst vielleicht auch in Hamburg.



Peter Moser sagte noch etwas grundsätzliches zum Thema Volkspartei.

Volksparteien nennen sie sich vor allem selber.
Eine Partei mit viel Zustimmung in der Bevölkerung kann man als Volkspartei bezeichnen. Alles deutet aber auf einen Ansehensverlust der Parteien hin, wenn viele Menschen oder gar 50 % überhaupt nicht wählen gehen. Wer will da noch von Volksparteien sprechen? Denn Wahlverweigerung hat nichts mit glücklicher und zufriedener Wählerschaft zu tun, sondern mit Unzufriedenheit und Parteienverdruss, meist so wohlüberlegt wie unzutreffend als Politikverdrossenheit falsch bezeichnet. Denn nicht die Politik, sondern Politiker und Parteien wollen ja gewählt werden! Und eben derer sind die Nichtwähler überdrüssig. Freilich ist Wahlverweigerung die falsche Entscheidung. Besser ist richtig wählen!

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Termine:

  • 01.02.2008, Donnerstag, 07:30 bis 12:00 Uhr:
    Aktion vor dem Arbeitsamt Zeitz (AvA)
    Es werden Unterschriften gegen Hartz-IV und Sozialabbau gesammelt.
    Außerdem wird über die Änderungen für ALG-II-Bezieher ab dem 01.01.2008, sowie über die aktuelle Verwaltungsrichtlinie des Burgenlandkreises informiert.

  • 04.02.2008, Montag, 17:00 Uhr:
    166. Montagsdemonstration auf dem Schützenplatz in Zeitz.
    Wir bitten um rege Teilnahme und pünktliches Erscheinen.
    Anschließend: Offener Runder Tisch.

Der Offene Runde Tisch Zeitz, ORTZ

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