Bericht zur Montagsdemonstration vom 04.02.2008 in Zeitz


Zur heutigen 166. Montagsdemonstration in Zeitz erschienen 38 Personen auf dem Schützenplatz, um wieder gemeinsam gegen Hartz-IV und weiteren Sozialkahlschlag zu protestieren.

Folgende Redner sprachen auf der Kundgebung:


Steffen Hemberger berichtete über das am vorigen Montag vom DGB veranstaltete Forum zur Oberbürgermeisterwahl.

Auch vom ORTZ waren Teilnehmer anwesend. Außerhalb des Auditoriums der OB-Kandidaten und des Moderators konnten - gegen Ende der Veranstaltung - nur sehr wenige Anwesende eine Frage an die Kandidaten stellen. So war die Informationsveranstaltung organisiert!!! Im Übrigen sollten sich die Kandidaten zu Fragen des DGB-Moderators äußern...

Dr. A. von der CDU sprach wie gewohnt mit Gespür für Publikumswirkung, wie es viele Menschen eben gern hören. Substanzielles? Seine persönliche Verantwortlichkeit für die bisherige besorgniserregende Stadtentwicklung erwähnte er jedenfalls nicht. Mehr als Schlagworte waren freilich von keinem Kandidaten zu vernehmen und wohl auch unter der vorgegebenen Zeitnot nicht möglich.

Alle Kandidaten erklärten, sich für eine lebenswerte Stadt einsetzen zu wollen. Das ist eigentlich Voraussetzung, wenn man Oberbürgermeister werden will. In den Aussagen waren dann allerdings Feinheiten und Unterschiede erkennbar. Ohne jetzt irgend einen Kandidaten bevorzugen zu wollen, war es aber oftmals so, dass der Kandidat der CDU viele Dinge sagte, die er nicht wird umsetzen können. Sein Lieblingsthema, zu dessen Unterstützung kürzlich auch der Bau- und Verkehrsminister Daehre (CDU?) nach Zeitz eilte, ist die Rahnestraße oder "Straße des Barock". Am Ende des Forums (s. o.) stellte ein Bürger die Frage nach der Finanzierung des Projektes. Man erkennt, wie schwierig schon die Sanierung eines einzelnen Hauses ist, sofern man z. B. an das "Baensch-Haus" denkt - nur eines der sehr wenigen Barockhäuser in der Rahnestraße. Es ist noch heute unfertig saniert. Zur Finanzierung seiner gigantischen Pläne sagte Herr A., er will dazu einfach 'mal "mit den Eigentümern sprechen". Dieses Eingeständnis sagt alles. Man kann hier sicher prognostizieren, dass es dem Dr. A. nicht mal gelingen wird, alle Eigentümer an einen Tisch zu bringen. Es gibt einen Eigentümer mit wenigstens drei - möglicherweise auch fünf - Häusern in der Rahnestraße. Ihn wird der Herr A. nicht mal postalisch erreichen, geschweige denn an einen Tisch bringen, um mal schnell 2 Millionen Euro für die Sanierung der fünf Gebäude locker zu machen. Eines dieser Gebäude ist übrigens das ehemalige Kino "Theater der Freundschaft".

Ein weiteres Forumthema war die Nachnutzung des Schloßparks, in dem u. a. die Landesgartenschau stattfand. Das Ansinnen kann nicht funktionieren, die Nachnutzung in die Hände einer Stadt-Marketing GmbH zu geben. Viele Forumsteilnehmer waren bestürzt über die Feststellung, dass diese Marketing GmbH drei Geschäftsführer haben soll. Es gibt keine Berechnung zur Wirtschaflichkeit dieser GmbH! Und eine vom derzeitig amtierenden Oberbürgermeister Dieter Kmietczyk erwähnte Studie geht bei einer Nachnutzung durch diese GmbH von der Erhöhung des Eintrittspreises von derzeit 1 Euro auf mindestens 3,50 Euro aus. Dieses Geld werden die Leute erstmal aufbringen müssen. Weiterhin müsste bei der Gründung dieser GmbH das aufwändig sanierte Gelände als Anlagevermögen aufgenommen werden; bei einer Insolvenz würde es wie eine Seifenblase verpuffen und für die Stadt verloren sein.

Sehr umstritten waren die Meinungen zur städtischen Entwicklung. Oberbürgermeister Kmietczyk machte sich vielleicht bei manchen Leuten etwas unbeliebt, als er eine zukünftig weiterhin schrumpfende Einwohnerzahl der Stadt Zeitz vorhersagte. Diese demoskopische Entwicklung wird sich nicht verhindern lassen, auch Dr. A. wird sie entgegen seinen schönen Worten nicht verhindern können. Denn allein schon wegen der geburtenschwachen Jahrgänge wird sich das nicht verhindern lassen. Es ist erforderlich, ein Stadtentwicklungskonzept zu erarbeiten. Dies schließt die Planung ein über die zukünftige bauliche Gestaltung der Stadt - was kann von Zeitz erhalten werden und was nicht. Der Oberbürgermeister befürwortet den umstrittenen Rückbau von Zeitz-Ost, eines ganzen Stadtgebietes mit Wohnungsneubauten aus der DDR. Dieses wird natürlich kein plötzlicher, sondern ein langfristiger Prozess sein. Der Herr A. möchte Zeitz-Ost erhalten. Jedoch ließ er ungesagt, was er dann stattdessen wegnehmen möchte. Vielleicht möchte er mit Zeitz-Ost die Außenbezirke erhalten und dafür im Innern der Stadt Lücken reißen? Aber auch die Infrastruktur einer Stadt muss ja schließlich erhalten bleiben. Ach so, er wollte ja den Rückgang der Einwohnerzahl aufhalten und sogar umkehren ...

Weiter fragte der Moderator die Kandidaten nach ihrer Meinung zu den Verdienstmöglichkeiten der Bürger. Es kamen verblüffende Antworten. Bis auf einen Kandidaten haben sich alle für branchenbezogene Mindestlöhne ausgesprochen. Dieser eine Kandidat war der Herr Opler. Herr A. sprach sich ebenfalls für Mindestlöhne aus. Über deren Höhe sagte auch er nichts. Zumindest meinte er, der Ertrag von Arbeit müsse ein lohnendes Leben sichern. Hier stellt sich die Frage: Was ist von der Gaubwürdigkeit eines Kandidaten für das Amt des OB zu halten, der sich auf der - diesbezüglich ganz irrelevanten - kommunalpolitischen Ebene dezidiert für die Einführung der Mindestlöhne ausspricht und der zeitgleich offenkundig problemlos Mitglied einer Partei ist, welche auf dem in dieser Frage entscheidenden bundespolitischen Pegel erbittert eine derartige gesetzliche Regelung bekämpft? Wenn er als CDU-Politiker diese Meinung vertritt, stellt sich die Frage: Warum haben wir das noch nicht?

Viele Bürger nehmen dem Oberbürgermeister angeblich übel, dass er für den "Niedergang" der Stadt verantwortlich sei. Dazu ist einiges anzumerken. Alle ostdeutschen Städte haben viele Einwohner verloren. Bei Zeitz kamen vor allem zwei Faktoren zum tragen. Erstens war Zeitz eine Industriestadt, der Zusammenbruch der Industrie ließ viele Bürger abwandern. Zweitens ist auch der Verlust des Kreisstadtstatus dafür verantwortlich zu machen. Hier muss daran erinnert werden, dass es die CDU-Fraktion gewesen ist, die fast geschlossen im Kreistag für Naumburg als die neue Kreisstadt gestimmt hat und somit mitverantwortlich ist für den Niedergang der Stadt Zeitz.

Die Problematik der Umgehungsstraßen wurde ebenfalls angesprochen. So hat sich Dr. A. nach Aussage mehrerer Anwesender mit seinem Abstimmungsverhalten im Kreistag für eine Verlegung des innerstädtischen Teils der B 2 durch den sog. Schlangenweg ausgesprochen. Heute will er sich allerdings nicht mehr daran erinnern. Er betonte, er habe nicht dafür gestimmt. Im selben Moment sprangen drei Leute auf, die ihm zuriefen: "Doch, das hast du getan". Also muss es doch wohl auch so gewesen sein! Herr Dr. A. war aber jedenfalls dann gegen diese Pläne, als sich in Zeitz dagegen eine breite Protestbewegung formierte!

Ebenfalls eine bemerkenswerte Meinungsänderung vollzog er bei seiner Auffassung zum Einkaufsmarkt am Schützenplatz, den er inzwischen auch befürwortet. Vorher war er strikt dagegen.



Wolfgang Vogl sprach zum gleichen Thema.

Er erinnerte daran, wie der Kreisstadtstatus von der CDU im Kreistag verramscht wurde. Es wurde von der CDU vorab per Kuhhandel bestimmt, welche Städte im Land Kreisstädte werden sollten. CDU-Politiker aus dem Bördekreis haben den hiesigen CDU-Verantwortlichen (zu denen auch damals schon Dr. A. gehörte) vorgeschlagen, die der CDU angenehmen Kreisstädte im Bördekreis mit ihren Stimmen zu unterstützen und sie würden im Gegenzug für die Festlegung Naumburgs als Kreisstadt sorgen.

Die Antwort des Dr. A. zum Mindestlohn war sehr raffiniert. Er hätte nichts gegen Mindestlohn, aber das sollen die Tarifparteien aushandeln. Dabei sind viele Branchen gar nicht gewerkschaftlich organisiert, es sei an das Frisörhandwerk erinnert. Von den niedrigen ausgehandelten Tarifen kann man aber nicht leben! Das ist das Feigenblatt und die Verlogenheit der CDU, denn so wird von ihr auch im Bundestag argumentiert.
Alles bleibt zweifelhaft, wenn Herr A. gleichzeitig Zeitz-Ost fördern und aus der Schützenstraße eine große Flaniermeile mit Einkaufspalästen machen will. Das kostet so viel Mittel, dass man nicht auch noch gleichzeitig in der gleichen Qualität Zeitz-Ost oder die Völkerfreundschaft ausbauen kann. Und jeder realistisch Denkende kann erkennen, dass aus so manchen alten Hütten wie in der Rahnestraße nichts mehr zu machen ist. Das ist die Realität in Ostdeutschland, die aber manche Politiker vernebeln wollen. Deshalb erzählen sie solchen Plunder.

Und noch etwas muss erwähnt werden. Es ist bezeichnend, dass Herr A., der sich mutmaßlich für einen edlen Charakter hält, "Beifallklatscher" im Saal zu platzieren nötig hatte. Diese Leute applaudierten bei jedem Bockmist, den er von sich gab. Pfui Teufel, kann man da nur sagen.

Ein weiteres Thema waren die Ereignisse nach der Wahl in Hessen.
Herr Struck meinte dazu, es gibt in Deutschland eine linke Mehrheit, sie ist aber derzeit nicht nutzbar. Warum ist sie denn nicht nutzbar? Weil die SPD genauso wenig "links" ist wie der Papst ein Osterhase, nämlich überhaupt nicht, und das ist das Problem. Und dann sind da noch die Grünen, die großen Weltveränderer. Und die sagten einmal, wie man sich erinnert: "Wir gehen niemals mit der CDU!" Doch jetzt stellt man schon laut theoretische Überlegungen an, ob man nicht doch 'mal mit der CDU koalieren könnte. Die Grünen sind mittlerweile schon so verfault, dass sie im Grunde genommen schon schwarz sind im Kern.

Ein weiteres Thema war die Antwort des Landtagspräsidenten Dieter Steinecke auf die Übersendung der Unterschriftenlisten des ORTZ gegen Hartz-IV.
Laut seinem Schreiben leitet er die Unterschriften an die Landesregierung von Sachsen-Anhalt weiter. Jetzt bleibt abzuwarten, ob wir ob wir von der Landesregierung auch eine Antwort bekommen oder ob die Angelegenheit im Sande verläuft.



Helmut Braune hatte ebenfalls das Forum der Oberbürgermeisterkandidaten zum Thema.

Er stellte fest, dass bei Bürgern das Thema Hundescheiße sehr wichtig war. Worauf Herr A. vorschlug, trotz angespannter Haushaltslage den Innenstadtbereich mit Überwachungstechnik zu versehen, um die Verursacher dingfest zu machen.

Tenor der gesamten Veranstaltung war die Erhaltung von Gebäuden und Privateigentum, aber das Leben der Menschen spielte dabei keine Rolle.



Ingrid Weise berichtete von der jüngsten Aktion vor dem Arbeitsamt.

Die Resonanz war gut, es wurden 124 Unterschriften gesammelt. Nur wenige waren mit Hartz-IV zufrieden. Manche Leute haben auch Angst vor einem unterschriftlichen Meinungsbekenntnis oder Protest, weil sie Nachteile oder Repressalien fürchten.

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Termine:

  • 11.02.2008, Montag, 17:00 Uhr:
    167. Montagsdemonstration auf dem Schützenplatz in Zeitz.
    Wir bitten um rege Teilnahme und pünktliches Erscheinen.

  • 13.03.2008, Donnerstag, 09:00 bis 12:30 Uhr:
    Unterschriftensammlung in der Innenstadt von Zeitz.
    Es werden Unterschriften gegen Hartz-IV und Sozialabbau gesammelt.
    Außerdem wird über die Änderungen für ALG-II-Bezieher ab dem 01.01.2008, sowie über die aktuelle Verwaltungsrichtlinie des Burgenlandkreises informiert.

Der Offene Runde Tisch Zeitz, ORTZ

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