Bericht zur Montagsdemonstration vom 11.02.2008 in Zeitz


Zur heutigen 167. Montagsdemonstration in Zeitz erschienen 46 Personen auf dem Schützenplatz, um wieder gemeinsam gegen Hartz-IV und weiteren Sozialkahlschlag zu protestieren.

Diesmal war auch Dr. Ulf Altmann (Oberbürgermeister-Kandidat der CDU) anwesend, der sich während der Kundgebung den Fragen der Teilnehmer stellte. Frau Ute Kirsten (Oberbürgermeister-Kandidatin für Die Linke) nahm am Offenen Runden Tisch teil, der nach der Kundgebung stattfand. Dort stellte sie sich den Fragen der ORTZ-Mitglieder.

Hier nun eine Zusammenfassung der Reden von der Kundgebung:

Steffen Hemberger eröffnete die Kundgebung und begrüßte die Anwesenden.

Der erste Redner sollte Wolfgang Vogl sein, danach Dr. Altmann. Anschließend konnten alle Anwesenden Fragen stellen. Diese Fragen hatten hauptsächlich Hartz-IV und Mindestlohn zum Thema.

Wolfgang Vogl verlas zunächst das Antwortschreiben der Landesregierung zu unserer Unterschriftensammlung gegen Hartz-IV.
Darin wurde mitgeteilt, dass die Unterschriften an den Chef der Staatskanzlei; Herrn Staatsminister Reiner Robra übersendet und von dort an das Ministerium für Wirtschaft und Arbeit weitergeleitet wurden.



Dr. Ulf Altmann dankte für die Einladung zur Demo und legte seine Auffassungen dar.

Er stellte sich als der Vorsitzende der Zeitzer CDU und als Oberbürgermeister-Kandidat des Wahlbündnisses aus CDU und SPD vor. Es sei notwendig, an einem Strick zu ziehen und über Parteigrenzen hinweg zu handeln, um Veränderungen in Zeitz herbeizuführen. In vielen Punkten - jedoch nicht in allen - stehe er auf der Basis der mehrheitlichen Entscheidungen der CDU. In der Bildungspolitik z. B. fände er die Vorschläge der SPD zu einer einheitlichen Bildungspolitik besser als die "Kleinstaaterei". Zeitz brauche einen anderen Umgang mit der Wirtschaft und den Investoren. Die Menschen in Zeitz bräuchten eine Chance auf Arbeit, die sie in die Lage versetze, von den Erträgen ihrer Arbeit den Lebensunterhalt ohne weitere staatliche Zuschüsse zu bestreiten. 40 Stunden Arbeit und trotzdem noch Hartz-IV dürfe nicht sein. Er sei ebenso für einen branchenbezogenen Mindestlohn. Jedoch müssten die Tarifpartner der einzelnen Branchen diesen selbst aushandeln. Zeitz habe eine Zukunft, wenn man hier wirtschaftlichen Unternehmen Chancen für Ansiedlungsmöglichkeiten mit Gewinnerzielung gibt. Wichtig sei dazu auch die Energiegewinnung aus der heimischen Braunkohle, welche die Energiepreise stabilisieren und Arbeitsplätze sichern solle. Ebenso sollten in Zeitz alle Investoren willkommen sein. Die Bürger sollten ihn daran messen, was er in sieben Jahren für Zeitz schaffen kann.



Steffen Hemberger stellte dem Vorredner Dr. Altmann die ersten Fragen. Sie betrafen die hiesigen Energiepreise.

An seinem persönlichen Beispiel wies er - auf der gleichen Verbrauchsmenge basierend - eine Energiepreiserhöhung um 46 % seit der Einführung des Euro im Jahr 2002 nach. Sind die Stadtwerke Zeitz bereit, für bedürftige Hartz-IV-Empfänger die Grundgebühren zu senken? In einigen Energiekonzernen gibt es das bereits. Ist es möglich, die Höhe der in der Verwaltungsrichtlinie festgelegten Kosten für Unterkunft und Heizung an den Preissteigerungen statt am Verbrauch zu orientieren? Könnten auch Vertreter der Wohnungsbauunternehmen und der Arbeitslosen beratend hinzugezogen werden?



Dr. Ulf Altmann befürwortet als Kreisrat die Orientierung der Kosten für Unterkunft und Heizung an den Preissteigerungen und kritisierte zugleich die mangelhafte Zahlungsmoral des Bundes bei den zugebilligten Finanzmitteln.

Vertreter der Wohnungsbauunternehmen solle man auf jeden Fall mit zu Rate ziehen. Zur Preisentwicklung bei den Stadtwerke sei festzustellen, dass nicht die Stadträte, sondern die Aufsichtsräte und die Gesellschafterversammlung die Stadtwerke GmbH lenken. In der Gesellschafterversammlung der Stadtwerke sitze für Zeitz auf Grund einer Klage nur der Oberbürgermeister und er müsse in der Preisverhandlung aktiv werden. Anzuregen sei auch eine Zusammenarbeit mit den Städten Weißenfels und Naumburg, um durch größere Einkaufsmengen günstigere Preise zu erzielen.



Peter Moser stellte richtig, der Oberbürgermeister sitzt nicht aufgrund einer Klage in der Gesellschafterversammlung, sondern das ist im Gesellschaftsvertrag so geregelt.

Und Sie, Dr. Altmann, wollten mit Ihrer Stadtratsmehrheit den Oberbürgermeister aus der Gesellschafterversammlung heraus haben. Zum Kohleabbau ist zu sagen, dass uns auch noch die Arbeitsplätze verloren gehen werden, wenn die Umwelt völlig zerstört ist. Gewiss brauchen wir hier Arbeit, aber die Arbeitslosigkeit ist nicht dem Oberbürgermeister anzulasten, sondern eine Begleiterscheinung des Kapitalismus, die er auch benötigt. Oft ist es so, dass neu geschaffene Arbeitsplätze an anderer Stelle abgebaut werden. Zum Beispiel hat "Müllermilch" in Dresden eine ganz moderne Molkerei gebaut und dabei 100 Arbeitsplätze geschaffen. Dafür gab es etwa 75 Millionen Euro Investitionsbeihilfe aus Steuermitteln. Danach wurde in Hamburg eine Molkerei der gleichen Firma mit 175 Arbeitsplätzen geschlossen. Unterm Strich wurde so die Vernichtung von 75 Arbeitsplätzen mit ca. 75 Millionen Euro finanziert. So geht es doch nicht. Sicher ist der Oberbürgermeister Kmietczyk, dessen Dienstvorgesetzter der Stadtrat ist, kein Engel oder fehlerfrei, aber unter seiner Verantwortung ist Goldeck nach Zeitz gekommen, die Zuckerfabrik oder Silbitz Guß. Sicher könnte man behaupten, dass es den Menschen in Bangladesh noch viel schlechter geht als uns und in Buxtehude gibt's vielleicht nur 8 % oder noch weniger Arbeitslosigkeit. Aber Arbeitslosigkeit und Hartz-IV-Empfänger gibt's überall und das ist das eigentliche Problem. Und um diese Ungerechtigkeit weg zu bekommen stehe ich hier.



Dr. Ulf Altmann antwortete, dass er zwar noch nicht in Bangladesh war, aber man erkennt, wenn man sich manche Ecken der Welt betrachtet, dass die Leute dort froh über Hartz-IV wären. (Viele Demonstranten und Zuhörer empörten sich an dieser Stelle lautstark.)

Er bat aber um Verständnis für seine Meinung, auch wenn sie vielen nicht gefällt. Es gibt auf der Welt viele Menschen ohne Obdach oder hungernde Menschen und den Sinn für die Realität hat verloren, wer das leugnet. Zwischenrufer fragten, ob man sich Bangladesh als Beispiel nehmen solle? Er antwortete, dass nicht er von Bangladesh angefangen habe. Er steht für Zeitz. Es ist nicht immer so, dass Arbeitsplätze anderswo abgebaut werden wenn sie hier neu geschaffen werden. Ein Beispiel dafür ist Silbitz Guß, die haben Zuwächse und schaffen dadurch neue Arbeitsplätze. Als Bürgermeister ist man für die Arbeitsplätze vor Ort verantwortlich, und nicht für diejenigen in den alten Bundesländern. Die "große" Politik gehört in den Landtag oder Bundestag. Anschließend bot Dr. Altmann an, mit Herrn Kmietczyk die Plätze zu tauschen, damit er auch mal Dienstvorgesetzter des Oberbürgermeisters sein kann.



Steffen Hemberger äußerte sich ebenfalls zum Streitpunkt Bangladesh.

Es gab mal einen Bundeskanzler Helmut Kohl, der sagte einst "Keinem soll es nach der Wende schlechter gehen als vorher". Es kann nicht unser Anspruch sein, Hartz-IV zu haben. So ist dieser Unmut auch zu verstehen. Ich bekomme selbst Hartz-IV und kann Sie gerne mal einladen, mit aufs Arbeitsamt zu kommen. Da können Sie sehen, was sich dort zuweilen für Dramen abspielen. Beispielsweise wurden einer Bürgerin 52 Seiten Hartz-IV-Bescheid zugemutet. Da muss man inzwischen Jura studiert haben, um sich durch den Aktenberg zu kämpfen.



Dr. Ulf Altmann widersprach dieser Situation nicht und erklärte, selbst auch Kenntnis von solchen Vorfällen zu haben. So wurde in einem Fall Hausabriss nicht aus ausreichender Umzugsgrund anerkannt. Und mit dem Beamtendeutsch können wir alle nicht gut leben.



Dann sollten wir etwas verändern, meinte Steffen Hemberger.



Wolfgang Vogl stellte eine Frage an Herrn Dr. Altmann und den ebenfalls anwesenden Herrn Seidelt.

Auf eine Anfrage hin missbilligte Landrat Harry Reiche die zu langen Bearbeitungszeiten für Widersprüche und sicherte Abänderung zu. Es kann nicht sein, dass Mitarbeiter der ARGE gegen die eigene Richtlinie verstoßen, derzufolge eine Betriebskostennachzahlung erst bei überschrittener Gesamtpauschale abzulehnen ist. Der betroffene Bürger rechnet den Mitarbeitern den Sachverhalt vor, anschließend verstreichen 8 Monate ohne irgendeine Reaktion. Der Bürger muss eine Untätigkeitsklage einreichen, um sein Recht zu erlangen und dann abermals auf sein Recht warten. Was wollen Sie und die Sie unterstützenden Parteien (CDU und SPD) gegen diese Missstände tun, damit die Bürger zu ihrem Recht kommen?



Dr. Ulf Altmann versicherte daraufhin, dass er sich unter anderem deswegen als Oberbürgermeister bewirbt, weil er nicht aus irgend einer Verwaltung, sondern aus dem täglichen Leben kommt.

Durch seine Tätigkeit als Zahnarzt erfahre er die Probleme der Bürger hautnah. Mit den angesprochenen Unzulänglichkeiten des bundesdeutschen Rechtssystems könne keiner glücklich sein. Aber wenn er am 17.2. als Oberbürgermeister gewählt werde und dadurch in Verantwortung komme, gäbe es mit ihm an dieser Stelle keinen derartig langen Bürokratenweg. Denn wenn man unternehmerisch denke, so wie er es auch tue, könne man sich ganz anders einbringen als jahrelang in dem selben Trott verfangene Personen. Bei der ARGE liege tatsächlich vieles im argen, aber dort einzuschreiten habe einzig der Landrat die Kompetenz. Er als Oberbürgermeister wäre zuständig für die Stadtverwaltung und dort kann er sich einbringen und Veränderungen herbeiführen.



Peter Moser äußerte sich zu Dr. Altmanns Bemerkung "...jahrelang im Trott verfangen". Dadurch wird unterschwellig suggeriert, der Oberbürgermeister sei zu lange im Amt.

Vor nicht allzu langer Zeit wurde im Stadtrat beschlossen, eine Gedenktafel für den ehemaligen Oberbürgermeister Arnold anzubringen. Seine Amtszeit betrug 30 Jahre, das war noch vor dem Erstarken der Nazis. Eine lange Amtszeit ist noch kein Zeichen für eine unbedingt schlechte Amtsführung. Jemand kann sogar gut gewesen sein, wenn er eine lange Amtszeit vorweisen kann. Wobei man bei Arnold darüber auch streiten kann. Er hat in der Michaeliskirche die jungen Leute immer noch zum freiwilligen Kriegsdienst aufgerufen, als 1918 der Krieg längst verloren war. Das ist ein Grund, dem Mann keine Ehrentafel zu widmen. Lange Amtszeiten sind kein Grund zur Kritik. Die Kritik muss in der Sache erfolgen.



Dr. Ulf Altmann äußerte sich ebenfalls zum Herrn Arnold, dessen Amtszeit von 1880 bis 1918 dauerte.

Zur damaligen Zeit wurde Theodor Arnold als Ausnahmeerscheinung eingeschätzt und deswegen mit dem Titel Oberbürgermeister geehrt, die es damals für Städte mit knapp 25.000 Einwohnern nicht gab. Seine außergewöhnlichen Verdienste hat nicht jeder.



Wolfgang Vogl erklärte sich mit der Antwort auf seine vorherige Frage nicht einverstanden.

Da Sie im Kreistag als Kreistagsabgeordneter sitzen und dort mit der stärksten Fraktion angehören, können sie doch jetzt nicht erzählen, weniger Einfluss zu haben als ein Oberbürgermeister. Was haben sie denn dann in den letzten vier Jahren gemacht? Sie haben doch in dieser Zeit rein garnichts versucht einzugreifen, obwohl Sie die Möglichkeit hatten. Sie haben es nicht getan, Sie haben die Menschen "verarscht".



Frau Kutschick fragte Herrn Dr. Altmann, warum er es in der ganzen langen Zeit seit Beginn der Montagsdemonstrationen nicht geschafft hat, hier zu erscheinen. Erst jetzt vor der Wahl, bei der er er jede Stimme gebrauchen kann? Es bedarf nicht erst einer Einladung, wenn jemandem das Wohl der Bürger am Herzen liegt, sondern dann kommt man von selbst.



Steffen Hemberger bestätigte, dass in der Zeit, in der er den Montagsdemonstranten angehört, noch kein Vertreter der CDU anwesend gewesen ist.

Aber wir freuen uns, dass Dr. Altmann heute hierher gekommen ist und er sich auch sehr kritischen Fragen der Bürger stellt. Das muss man als Kommunalpolitiker auch mal aushalten können.



Dr. Ulf Altmann stimmte dem zu, er war nur ganz am Anfang zweimal dabei, und seitdem nicht wieder.

Als Grund gab er an, dass Hartz-IV außerhalb seines Handlungsbereiches liegt. Was er im Kreistag gemacht und was er nicht gemacht hat, kann Herr Vogl nicht einschätzen, dazu ist er zu wenig dabei. Die Möglichkeiten der Einflussnahme eines Kreisrates sind etwa so wie die eines Stadtrates. Sie haben sehr großes Vertrauen zu mir, wenn sie glauben, dass ich eine so große Einflussmöglichkeit habe. Denn am deutschen Amtsschimmel sind schon ganz andere gescheitert. Wohl wissend, dass der Besuch bei den Montagsdemonstranten kein Heimspiel für einen Kommunalpolitiker ist stellt er sich dennoch den Fragen, auch wenn sie unangenehm sind, denn er ist für alle Zeitzer da, auch für uns. Er ist der Einladung des Offenen Runden Tisches gefolgt und würde das auch als Oberbürgermeister mit anderem Zeitvolumen gern regelmäßiger tun.



Ein weiterer Montagsdemonstrant fragte Dr. Altmann, warum er uns vor einiger Zeit als Schreihälse bezeichnet hat? Die ist unangemessen für jemand, der Oberbürgermeister werden will.



Dr. Ulf Altmann versicherte daraufhin, dass er niemals alle Mitglieder des Offenen Runden Tisches oder die Personengruppe der Hartz-IV-Empfänger gemeint habe.

Das bezog sich auf ein schon vor längerer Zeit im Umlauf gewesenes Flugblatt, auf dem seine Partei sehr übel beschimpft wurde. Da sich auf dem Flugblatt auch das Stadtsiegel befand, entstand der Eindruck einer amtlichen Aktion der Stadt. Unter anderem wurde dort behauptet, die CDU und die FDP wollen die Frauen zurück an den Herd treiben. Das ist kein politischer Diskussionsstil. Diejenigen sind in seinen Augen wirklich Schreihälse, die diese Formulierung da rein brachten. Wenn man sich selbst offen nennt und den fairen politischen Dialog wünscht, dann muss man umgekehrt die Meinung des Anderen zumindest aushalten. Damals hat er dem dem Offenen Runden Tisch empfohlen, sich davon zu distanzieren und diesen Stil nicht weiter zu verfolgen. Denn damit stellt man sich selbst ins Abseits. Lautstärke allein bedeutet nicht automatisch Recht haben.



Steffen Hemberger bedankt sich bei den Teilnehmern sowie bei Dr. Altmann für die Reden und Diskussionen und beendet die Kundgebung.


Anschließend fand der Offene Runde Tisch mit Frau Ute Kirsten als Gast statt.

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Termine:

  • 18.02.2008, Montag, 17:00 Uhr:
    168. Montagsdemonstration auf dem Schützenplatz in Zeitz.
    Wir bitten um rege Teilnahme und pünktliches Erscheinen.
    Anschließend: Offener Runder Tisch.

Der Offene Runde Tisch Zeitz, ORTZ

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