Montagsdemo Zeitz - Offener Runder Tisch Zeitz

Bericht zur Montagsdemonstration vom 05.05.2008 in Zeitz


Zur heutigen 178. Montagsdemonstration in Zeitz erschienen 40 Personen auf dem Schützenplatz, um wieder gemeinsam gegen Hartz-IV und weiteren Sozialkahlschlag zu protestieren.

Folgende Redner sprachen auf der Kundgebung:



Steffen Hemberger spach zuerst den Angehörigen der vier in Norwegen umgekommenen Anglern sein Beileid aus. Einer der Angler war auch Hartz-IV-Empfänger.



Ingrid Weise gratulierte sodann Steffen nachträglich zum Geburtstag und überreichte einen Blumenstrauß, anschließend berichtete sie von der am Vormittag durchgeführten Aktion vor dem Arbeitsamt Zeitz.

Die Reaktionen der Angesprochenen waren sehr gut. Es gab nur wenig Ablehnung. 197 Unterschriften gegen Hartz-IV und für die Vereinheitlichung der Verwaltungsrichtlinie wurden innerhalb von 3 Stunden gesammelt. Das kann sich sehen lassen!



Steffen Hemberger erläuterte einige Zusammenhänge mit den windigen 1-€-Jobs.

Wir vom ORTZ verweisen jetzt verstärkt auf die sehr erheblichen gesellschaftlichen (volks“wirtschaftlichen“) Schäden dieser 1-€-Jobs:

Es gibt in Deutschland etwa 700.000 in einem 1-€-Job Beschäftigte. Man ist wieder nahe bei der alten Zahl der Arbeitslosen angelangt, wenn man diese Ziffer der amtlichen Arbeitslosenzahl zurechnet. Gegen neue Beschäftigungsmöglichkeiten ist nichts einzuwenden. Jedoch begründet Arbeit auch einen Anspruch auf gerechte Entlohnung und nicht nur auf eine Aufwandsentschädigung! Eine Aufwandsentschädigung ist vielleicht gerechtfertigt, wenn man z. B. im Schachverein eine Aufgabe übernimmt. Wenn aber Tätigkeiten mit den Ansprüchen des ersten Arbeitsmarktes ausgeführt werden, und bei 1-€-Jobs trifft das zu, dann besteht auch Anspruch auf eine angemessene Vergütung. Den 1-€-Jobbern werden grundlegende Arbeitnehmerrechte vorenthalten. Sie erhalten keinen bezahlten Urlaub. Sie können den Urlaub nur unbezahlt in Anspruch nehmen. Auch eine Lohnfortzahlung im Krankheitsfall entfällt. Erkrankte bekommen keine Vergütung.

Inzwischen haben sich viele Firmen auf diese 1-€-Jobs „spezialisiert“. In diesem Zusammenhang kann man die zwei größten im Umkreis nennen: Das sind die ZiAG auf dem Hydrierwerk-Gelände und das Christliche Jugenddorfwerk. Es gibt auch noch einige mehr, auf unseremPlakatist eine kleine Auswahl dieser Firmen aufgelistet. Diese leben inzwischen ausschließlich von der Anstellung und dem Verleih der 1-€-Jobber. Das ist oft ihr einziges Betätigungsfeld! Sie haben kein anderes. Diese Firmen wären faktisch ohne Existenzgrundlage, gäbe es uns als 1-€-Jobber nicht mehr. Sie wüssten nicht, was sie vertreiben sollten. Sie leisten nichts als unsere unterbezahlte Arbeitskraft zu nutzen oder gar nur zu vermieten!.

Die Arbeitskräfte bekommen 1 €/Stunde, in seltenen Fällen auch 1,25 € oder 1,50 €, in den westlichen Bundesländern bis zu 2 €/Stunde ausgezahlt. Die Firmen selbst erhalten für jeden beschäftigten 1-€-Jobber eine Sachkostenpauschale bis zu 350 und sogar 500 €, durchschnittlich das 2,5fache eines 1-€-Jobbers! Inzwischen ist es Tatsache, dass viele 1-€-Jobber Tätigkeiten ausführen, die eigentlich auf den ersten Arbeitsmarkt gehören. Es ist also bei weitem nicht mehr die vom Gesetzgeber hierfür vorgeschriebene Zusätzlichkeit gegeben, denn diese Tätigkeiten müssten sonst durch Beschäftigte auf dem ersten Arbeitsmarkt ausgeführt werden. Da wären z. B. Rasenmähen oder Pflasterarbeiten zu nennen. Das haben früher Baufirmen oder Firmen aus dem Garten- und Landschaftsbau geleistet. Sie werden und können diese Aufträge nun natürlich nicht mehr bekommen. Es kann durchaus passieren und ist es auch schon, dass eine Firma Arbeitnehmer entlassen muss, weil sie keine Aufträge mehr bekommt. Und der entlassene Arbeitnehmer erledigt anschließend als 1-€-Jobber die gleichen Arbeiten, die seine alte Firma gern als Aufträge gehabt hätte.

Wie schon gesagt, derzeit sind etwa 700.000 Menschen als 1-€-Jobber tätig. Für deren Aufwandsentschädigung wendet der Staat etwa 1 Milliarde € an Kosten auf. Die Firmen dieser 1-€-Jobber erhalten insgesamt 2 bis 2,5 Milliarden €!

Ein Fall aus Wiesbaden erweist deutlich und typisch den mit diesen 1-€-Jobs inzwischen betriebenen riesiger Missbrauch. Dort ist ein Gewerkschafter mit zwei Begleitern auf Baustellen gegangen, auf denen 1-€-Jobber beschäftigt waren. Er hat die Leute dort befragt und das Ergebnis anschließend im Stadtrat publiziert. Seitdem läuft gegen diese Gewerkschafter eine regelrechte Hetz-Kampagne in der Presse. Sie werden dort öffentlich aufs übelste beschimpft und verleumdet. Und nur, weil sie die ihnen von den 1-€-Jobbern selbst berichteten Tatsachen publik machten. Das alleine zeigt, welch ein riesengroßer Mißbrauch mit diesen 1-€-Jobs inzwischen betrieben wird. Sie verdrängen immer mehr Arbeitsplätze auf dem ersten Arbeitsmarkt. Selbst die noch auf dem ersten Arbeitsmarkt Beschäftigten müssen inzwischen um ihre Jobs bangen; ihre Löhne und Arbeitsbedingungen werden zunehmend unter Druck gesetzt.

Viele 1-€-Jobber sagen natürlich, sie brauchen das Geld. Es ist auch nichts gegen eine Beschäftigung der Menschen einzuwenden, aber sie müssen ein ordnungsgemäßes sozialversicherungspflichtiges Entgelt erhalten. Ein junger 1-€-Jobber mit 120 € mehr im Monat möge bitte bedenken: er bekommt dafür nicht einen einzigen Rentenpunkt. Auch wenn es bis zum Renteneintritt noch dauern möge, stagniert die Rente auf dem bestehenden Niveau. Das kann nicht der Sinn und Zweck der Sache sein.

Zum Schluß ist noch ein Schandurteil aus dem Bundesarbeitsgericht Erfurt zu erwähnen.

Die Richter urteilten, Fehler bei der Vergabe von 1-€-Jobs gehen zu Lasten der Betroffenen. In einem solchen Fall wird bei Hartz-IV-Beziehern nicht von einem normalen Arbeitsverhältnis ausgegangen. 1-€-Jobber haben selbst dann keinen vollen Lohnanspruch, wenn sie wie Festangestellte tätig sind. Damit wurde die Klage eines Hartz-IV-Beziehers abgewiesen, der für den Dienst „Essen auf Rädern“ bei der AWO in Karlsruhe eingesetzt wurde und hierfür auf ein volles Gehalt klagte. Das Urteil ist ein Freibrief für die ARGEn und Jobcenter, sich bei der Vergabe von 1-€-Jobs immer mal zu „irren“ und 1-€-Jobber wie Festangestellte einzusetzen, ohne dass die Betroffenen eine entsprechende Vergütung einfordern können. So werden Lohnkosten „eingespart“.



Siegfried Kutschick berichtete ebenfalls von der Unterschriftensammmlung vorm Arbeitsamt.

Dabei ist man mit Leuten ins Gespräch gekommen, die sich gerne mal auf unserer Montagsdemo Luft machen wollen, aber leider sind sie heute (noch?) nicht da. Ein junger 1-€-Jobber berichtete dort von seiner Beschäftigung auf Kloster Posa und dass die Chefin dieser Trägergesellschaft einen miserablen Umgangsstil mit den 1-€-Jobbern pflegt. Das ist das größere Problem, diese Firmen verdienen sich an den 1-€-Jobbern sozusagen eine goldene Nase, aber mit den Menschen gehen sie verächtlich um. Gerne kann hier zu unserer Demo kommen, wer mag und über seine Erlebnisse berichten. Denn es kann nicht sein, dass man sich bei den Trägergesellschaften als Chef und als Retter aufspielt, aber die Menschen wie den letzten Dreck behandelt.



Peter Moser redete ebenfalls über 1-€-Jobs.

Bei der Berichterstattung über 1-€-Jobs sind wir noch viel zu zurückhaltend und untertreiben gewaltig. In Wirklichkeit sind die Zustände noch viel schlimmer. Heute finden viele leider schon gar nichts mehr dabei, von solchen Trägerfirmen wie ein Sklave eingesetzt oder verliehen zu werden. Dabei gab es so etwas eigentlich vor tausenden von Jahren. Der Sklave wurde aufgekauft, eingesetzt und musste arbeiten. Für diese Gewissenlosigkeit ist die Gesellschaftsordnung verantwortlich und diese Frage muss auch gesellschaftlich gelöst werden. Und in der Geschichte sind Beispiele vorhanden, dass es ohne Arbeitslosigkeit geht. Allerdings ist hierzu eine andere Gesellschaftsordnung die Voraussetzung. Leider haben sich die meisten mit ihrer Arbeitslosigkeit schon abgefunden, wir hier natürlich nicht. Wir erwarten, dass die Menschen doch noch munter werden. Wir, die hier stehen, haben wenigstens unsere Würde behalten. Wir tun etwas für Änderungen zum Positiven. Von der Regierungspolitik können wir diesbezüglich nichts erwarten, sie ist Vollstrecker für Interessengruppen. Freilich nicht unserer Interessen. Und das können sie nur machen, solange sich niemand wehrt. Es kann nicht sein, dass ein Mensch wie eine Ware und noch dazu ohne eigenes gerechtes Einkommen vermietet wird. Schon deshalb allein sind wir im Recht. Auch deshalb wehren wir uns. Und sie würden es noch schlimmer treiben, wenn wir uns nicht wehren wollten.



Wolfgang Vogl berichtete ebenfalls Unglaubliches im Zusammenhang mit 1-€-Jobs.

Es geht dabei um den Kreissportbund. Dort sind 1-€-Jobber nach Erbringung der vorgeschriebenen 120 Stunden erkrankt. Die Zeit ihrer Krankheit wurde danach von den 120 Stunden wieder abgezogen, obwohl sie die Arbeitsleistung von 120 Stunden für diesen Monat erbracht hatten. Und das geschah 5 Monate nach der Erkrankung! Diese Entwürdigung und Entrechtung wagte sich tatsächlich der Sportbund.

Und vor dem Hintergrund solcher Vorkommnisse stellt sich ein Herr Dieter Wiefelspütz hin und sagt, wir hätten den besten Rechtsstaat der Welt. Was soll man mit einem solchen Volksverdummer anfangen?

Ebenfalls vor diesem Hintergrund entwickelte die CDU/CSU-Bundestagsfraktion eine neue Sicherheitsstrategie. Da kommen wieder alte Hüte und gefährliche Bestrebungen: die Bundeswehr im Innern einzusetzen, obwohl es völlig verfassungswidrig ist. Auslandseinsätze der Bundeswehr sollen länger dauern und falls erforderlich unter Umgehung des Parlamentes vom Verteidigungsminister allein entschieden werden. Soldaten sollen zur „Friedenserzwingung“ eingesetzt werden. Friedenserzwingung bedeutet aber nichts anderes als eine Aggressionsarmee aufzubauen. Denn was erzwungen wird (in Form militärischer Gewalt), muss fremden Willen zwingen. Selbst für die Herstellung von Energiesicherheit und Rohstoffversorgung wird auch der Einsatz militärischer Mittel erwogen.

Hier sieht man eindeutig die Entwicklung in Richtung Überwachungsstaat und Militarisierung. Und mit Blick auf den EU-Vertrag erkennt man auch, wer die treibende Kraft hinter all diesem Schweinereien ist. Es sind nämlich die Deutschen bzw. die Vertreter des deutschen Kapitals.

Bei 300% Profit geht das Kapital über Leichen. Menschen erniedrigen, Aggression nach Innen und nach Außen, das geht im Gleichschritt.

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Termine:

  • 15.05.2008, Dienstag, 09:00 bis 13:00 Uhr:
    Info-Tour nach Tröglitz.
    Es werden Unterschriften gegen Hartz-IV und Sozialabbau, sowie für die Vereinheitlichung der Verwaltungsrichtlinie im gesamten Burgenlandkreis gesammelt.
    Außerdem wird über die Änderungen für ALG-II-Bezieher ab dem 01.01.2008, sowie über die aktuelle Verwaltungsrichtlinie des Burgenlandkreises informiert.

  • 19.05.2008, Montag, 18:00 Uhr:
    179. Montagsdemonstration auf dem Schützenplatz in Zeitz.
    Wir bitten um rege Teilnahme und pünktliches Erscheinen.
    Anschließend Offener Runder Tisch (Sondersitzung)

Der Offene Runde Tisch Zeitz, ORTZ

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