Montagsdemo Zeitz - Offener Runder Tisch Zeitz

Bericht zur Montagsdemonstration vom 09.06.2008 in Zeitz


Zur heutigen 182. Montagsdemonstration in Zeitz erschienen trotz sommerlich heißer Temperaturen 36 Personen auf dem Schützenplatz, um wieder gemeinsam gegen Hartz-IV und weiteren Sozialkahlschlag zu protestieren.

Folgende Redner sprachen auf der Kundgebung:



Steffen Hemberger sprach nochmals über die Klageflut vor den Sozialgerichten.

Die Klageflut vor den Sozialgerichten steigt weiter an. Das Landessozialgericht Sachsen-Anhalt stellt als Ursache fehlerhafte Gesetze fest. Kern des Problems sei die komplizierte Verwaltungsstruktur. Auch der Begriff der Bedarfsgemeinschaft werfe in der Praxis immer wieder Probleme auf, welche dann von den Sozialgerichten gelöst werden müssten.

Die Justizministerin Sachsen-Anhalts, Frau Kolb, erkennt handwerkliche Fehler in den Hartz-IV-Gesetzen. Es würden pauschale Sätze und Regelungen vorgegeben, denen häufig die Praxisnähe fehlt. An den Sozialgerichten machen Hartz-IV-Streitigkeiten inzwischen die Hälfte aller eingehenden Verfahren aus. Die Zahl ist von 16.000 im Jahr 2006 auf 20.000 im Jahr 2007 angewachsen und die Tendenz ist weiterhin steigend. Die Hälfte dieser Klagen ist zumindest in Teilen erfolgreich.

Wie kommt so etwas zustande?

Die ARGE hat z. B. große Schwierigkeiten bei der Umsetzung der Verwaltungsrichtlinie zur Angemessenheit der Kosten für die Unterkunft. Unser Landrat Harry Reiche - im Burgenlandkreis für jene Verwaltungsrichtlinie verantwortlich - beauftragte Frau Rosentreter mit der Abfassung eines Briefes an mich. Der Brief ist auf den 01.11.2007 datiert und ich werde daraus wörtlich zitieren:
"Rückzahlungen und Guthaben, die den Kosten für Unterkunft und Heizung zuzuordnen sind, mindern nach dem Monat der Rückzahlung oder der Gutschrift die entstehenden Aufwendungen. Richtigerweise sind die Warmwasserkosten, deren Anteil der Leistungsberechtigte aus dem Regelsatz selbst zu übernehmen hat, von diesem Guthaben abzusetzen."
Unterschrift: Harry Reiche.
Das hindert allerdings seine Verwaltungsangestellten in der ARGE nicht an den entgegengesetzten Bescheiden. Und das sind leider keine Einzelfälle. Oft wird bei Guthaben der komplette Betrag abgezogen. Die auf diesen Umstand verwiesenen Mitarbeiter wissen angeblich nichts von der Regelung.

Nochmals aus dem Schreiben zitiert:
"Eine nochmalige Absprache mit den Verantwortlichen der ARGE wurde von mir (Frau Rosentreter) veranlasst und erfolgte bereits diesbezüglich."
Ganz offenkundig wird diese Absprache von den Verantwortlichen der ARGE missachtet.

Zukünftig sollen Hartz-IV-Empfänger nach dem Willen der Landesjustizministerin Frau Kolb u. a. keine Beihilfe mehr für anwaltliche Beratung bei Widerspruchsverfahren erhalten, da sie ja wohl im Amt beraten werden können. Es ist aber gewiss etwas falsch, wenn man als Betroffener die Verwaltungsrichtlinie selbst mit ins Amt nehmen muss, weil es dort angeblich keine gibt. Die Behörde muss mich beraten anstatt ich die Behörde. Aber derzeit deutet anscheinend jeder Mitarbeiter dieser Behörde das SGB II nach eigenem Verständnis.

Und genau deswegen nimmt an den Sozialgerichten die Verfahrenszahl gegen Hartz-IV-Bescheide ununterbrochen zu.

Die Anzahl der Sozialrichter musste stark aufgestockt werden, um die Bearbeitungszeiten von 13 Monaten auf 12 Monate zu verkürzen. Dazu wurden Richter aus anderen Justizbereichen ins Sozialrecht versetzt. Wir haben jetzt für Johannes Krause die Klage eingereicht, sie trägt die Nummer 2151. Das ist aber nur das Sozialgericht Halle. Die Klagen der anderen Sozialgerichte oder vor höheren Instanzen sind noch gar nicht mitgezählt. Auch 2008 werden die Klagen weiter zunehmen.

Als Hinweis an Frau Justizministerin Kolb: Leider ist angesichts solcher Bedingungen eine Beratung durch das Amt nicht möglich.

Für manche Mitarbeiter dort ist das Wort Paragraph sogar ein Reizwort, etwa für die Mitarbeiterin Skall in Naumburg. Sie sagte, sie müsse sich nicht mit Paragraphen auskennen! Das ist ein Skandal.

Als 1-€-Jobber muss ich mich mit jedem Mist auskennen. Aber sehr gut besoldete Mitarbeiter in Ämtern müssen sich in dem von ihnen betreuten Sachgebiet nicht auskennen? Auf die Frage, ob überhaupt jemand sich mit diesen Paragraphen auskennen muss und auch wirklich auskennt, kam die Antwort: "Ja, die gibt es. Allerdings kann man die nur mit vorheriger Terminvereinbarung sprechen." Zuvor wurde allerdings telefonisch erklärt, ein Termin sei unnötig und man könne jederzeit im Amt vorsprechen.

Das ist ARGE – SGB-II wie sie leibt und lebt!

Daran, wie die Betroffenen dort verarscht werden, können sie erkennen, dass sie in diesen Ämtern nur der letzte Dreck sind.



Peter Moser meinte, in vielen Angelegenheiten muss man gegenüber den Verantwortlichen hartnäckig bleiben, um erfolgreich zu sein. Das ist im praktischen Leben oft nötig.

Kann allerdings niemand verantwortlich gemacht werden, dann sind die Strukturen, dann ist das System an den Missständen schuld. Bei Verfahrensfehlern muss man natürlich in Widerspruch gehen, doch werden dann immer nur Einzelfallprüfungen stattfinden. (Grundsätzlich bleibt dann alles wie zuvor bestehen.) Die Leute in dieser Lage haben allerdings kaum die Zeit, auf eine späte Entscheidung zu warten. Es nützt wenig, wenn man jetzt das Geld braucht, es jedoch erst in vielleicht einem halben Jahr zur Verfügung hat. Denn schließlich müssen sie ja essen, trinken und Miete bezahlen. Es ist schlimm, es ist unerträglich, wenn man die Betroffenen so lange zappeln lässt. Noch schlimmer ist aber, dass die davon betroffenen Menschen sich so wenig wehren. Viel eher und viel stärker erfolgten Änderungen, auch grundsätzliche Verbesserungen, wenn hier bei uns und anderswo viel mehr Menschen protestierten. Es würde keineswegs besser, würden Montagsdemos aufhören. Da wäre eher das Gegenteil zu erwarten. Wir sind immer noch ein kleiner Stachel; es wäre mir aber lieber, wir wären eine dicke Keule. Von den Verantwortlichen dieser Gesetzgebungen können wir jedenfalls keine Scham und kein Unrechtsbewusstsein erwarten.

Das alles ist lediglich eine Ausbeutungsoffensive, um noch mehr Profit zu erwirtschaften und weiter gar nichts.

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Termine:

  • 12.06.2008, Dienstag, 09:00 bis 13:00 Uhr:
    Infotour nach Hohenmölsen.
    Es werden Unterschriften gegen Hartz-IV und Sozialabbau, sowie für die Vereinheitlichung der Verwaltungsrichtlinie im gesamten Burgenlandkreis gesammelt.
    Außerdem wird über die Änderungen für ALG-II-Bezieher ab dem 01.01.2008, sowie über die aktuelle Verwaltungsrichtlinie des Burgenlandkreises informiert.


  • 19.06.2008, Montag, 18:00 Uhr:
    183. Montagsdemonstration auf dem Schützenplatz in Zeitz.
    Wir bitten um rege Teilnahme und pünktliches Erscheinen.
    Anschließend: Offener Runder Tisch


Der Offene Runde Tisch Zeitz, ORTZ

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