Montagsdemo Zeitz - Offener Runder Tisch Zeitz

Bericht zur 200. Montagsdemonstration vom 13.10.2008 in Zeitz


Zur heutigen 200. Montagsdemonstration in Zeitz erschienen 40 Personen, um wieder gemeinsam gegen Hartz-IV und gegen Sozialabbau zu protestieren. Folgende Redner sprachen auf der Kundgebung:



Steffen Hemberger begrüßte die Demonstranten zur 200. Zeitzer Montagsdemo und betonte, wir könnten stolz sein: Weil wir immer noch hier stehen, während in vielen anderen Städten die Montagsdemos leider erlahmt sind. Wir werden auch weiterhin Ausdauer brauchen. Weil es sein muss, werden wir aber auch weitere 200 Montagsdemos hier stehen, bis Hartz-IV weg ist.



Dr. Frank Thiel (Die LINKE) [Info]würdigte den Offenen Runden Tisch Zeitz als stabiles Element in einer Zeit, in der das Weltgeschehen Kopf steht.

Er übermittelte Grüße der Landtagsfraktion und des Kreisvorstandes der Partei "Die LINKE". Vielen Dank an alle Organisatoren der Montagsdemo, weiter so. Zweihundertmal Montagsdemonstration in Zeitz ist ein Signal dafür: Wir sind für die Rechte der Betroffenen immer noch da! Wir artikulieren unsere Meinung immer noch öffentlich! Unser Protest gegen die Hartz-IV-Gesetze lässt nicht nach! Wir wollen den politischen Meinungsaustausch, denn wir sind keine schweigende Mehrheit, und wir sagen diese Meinung offen, wo wir es für angebracht halten!

Die eigentlichen Demos sind aber nur ein kleiner Teil der Arbeit, daher nochmals herzlichen Dank an den Offenen Runden Tisch Zeitz, macht weiter so! Wir wollen auch an Michael Blöth erinnern, der einen großen Anteil daran hatte, dass dies alles in Gang gekommen ist. Er arbeitet heute in den alten Bundesländern.

Die Welt steht Kopf. Jetzt wurde ein milliardenschweres Rettungspaket für die angeschlagene Finanzwelt beschlossen. Es ist unbegreiflich, dass ausgerechnet jene, die in den vergangenen Jahren so viel Geld verdient haben, auf einmal so viel Geld brauchen. Jetzt will die Bundesregierung mit einer Milliardenbürgschaft den angeschlagenen Banken helfen. Ja, es ist eine ernste Situation, die man nicht kleinreden darf. Die eigentliche Frage ist aber: Wird nur das Feuer gelöscht, oder werden endlich die Ursachen dieses "Brandes" beseitigt?

Oskar Lafontaine warnte und sagte vor 10 Jahren, dass man die Banken an die Hand nehmen und ihnen Regularien vorgeben muss - um den Kapitalfluss zu steuern. Für diese Position ist er damals aus der Regierung zurückgetreten. Nicht weil er Angst vor Verantwortung hatte, sondern weil es die anderen nicht mittragen wollten. Diesen Prinzipien ist er bis heute treu geblieben. Weit im Vorfeld der Krise forderte er daher erneut auf dem jüngsten Parteitag strenge Regularien für die Finanzmärkte und einen Masterplan. Es nützt nichts, wenn man nur die innere Genugtuung hat, Recht behalten zu haben. Es muss auch tatsächlich alles zur Schadensbegrenzung und -minderung getan werden. Und natürlich müssen auch die Verantwortlichen mit zur Kasse gebeten werden, das ist ein entscheidender Punkt in dieser Situation. Letztich sollen immer die kleinen Leute und die Steuerzahler die Zeche zahlen. Dazu sagen wir nein, denn es müssen entschiedene Maßnahmen ergriffen werden, um den Unwesen treibenden Bankern das Handwerk zu legen. Das ist auch ein wichtiger Punkt und die Voraussetzung dafür, dass der Staat wieder einsteigen kann. Wir haben immer einen starken Staat gefordert, der die Marktmechanismen regelt, für Wohlstand und zum Wohle aller. In den letzten Jahren wurde so viel Geld mit Geld verdient und dies vom realen Wirtschaftsleben abgekoppelt. Weil sich eben mit Spekulation viel mehr "verdienen" ließ als mit realer Wirtschaft. Damit muss endlich Schluss sein.

Die kleinen und mittelständischen Betriebe müssen gefördert werden. Stattdessen greift man in beispielloser Weise den Großbanken unter die Arme. Und genau deswegen müssen hier die entsprechenden Gegeninstrumente aufgebaut werden. Wenn es um die wirklich Bedürftigen geht, hat die jetzige Regierung unter Frau Merkel bisher alles mit der Begründung abgelehnt, man könne sich derzeit keine neuen Schulden leisten. Die LINKE und andere Kräfte fordern in ihrer Strategie zur Überwindung von Hartz-IV eine bedarfsorientierte Grundsicherung für alle Menschen der Bundesrepublik und eine Erhöhung des Regelsatzes, um den steigenden Preisen gerecht zu werden.

Der Bezug von ALG-I muss verlängert werden, die deutliche Verringerung der Zumutbarkeitsregeln für ALG-I und ALG-II und die Schaffung eines öffentlichen Beschäftigungssektors als Alternative zur Arbeitslosigkeit stehen dringend an. Was nichts mit Verstaatlichung zu tun hat, sondern damit, dass die öffentliche Hand entsprechende Arbeitsmaßnahmen beschaffen soll. Und wir wollen keine Zwangsverrentung! Diese Forderungen wurden übrigens durch die Fraktion Die LINKE im Jahr 2006 in den Bundestag eingebracht. Sie wird Jahr für Jahr und Monat für Monat mit aktuellen Forderungen untersetzt.

Das Motto des Offenen Runden Tisches Zeitz lautet: "Soziale Gerechtigkeit, stabile Wirtschaft und Vollbeschäftigung". Daran wollen wir auch für die Zukunft anknüpfen. Was Hartz-IV bedeutet, muss endlich weg und überwunden werden. Das hat die Linke und habt Ihr immer zu Recht gefordert und dabei bleiben wir auch. Und dafür uns allen viel Kraft und Erfolg für die Umsetzung dieser Ziele.

Im Anschluss an die Rede gab Dr. Frank Thiel eine Spende an den ORTZ.



Dieter Kmietczyk gratulierte ebenfalls zur 200. Montagsdemo. Er bedankte sich dafür, dass Montag für Montag Leute den Weg hierher finden, um auf Probleme aufmerksam zu machen.

Er machte in seiner Rede nicht nur verantwortungslose Banker, sondern das ganze System für die derzeitige Finanzkrise verantwortlich, deren Auswirkungen uns noch viele Jahre treffen werden. Es wurde stets der Maximalprofit seitens der Banken verlangt. Sodass dieses System schließlich auf die Nase fallen musste. Die Auswirkungen des Milliarden-Hilfspaketes werden erst Ende 2009 deutlich werden, denn erst dann wird "Kassensturz" gemacht. Am Ende wird es dann so kommen, dass diese Verluste von uns allen gezahlt werden müssen.

Das alte Spiel zeigt sich hier ganz deutlich, dass Gewinne privatisiert und Verluste sozialisiert werden.

Währenddessen leben Menschen in staatlich verordneter Armut, genannt Hartz-IV. Angesichts dieser Ereignisse spricht Bundeskanzlerin Merkel jetzt von "menschlicher Marktwirtschaft". Dabei weiß sie gar nicht, welche tatsächlichen Probleme bei den Hartz-IV-Empfängern anstehen. Dieser Sozialstaat hat seine Grenze erreicht. Er hat sein Gesicht bzw. seine Maske verloren. Aber wahrscheinlich muss dieses System erst noch ein zweites oder drittes Mal scheitern, ehe man sich über die Regularien dieser Marktwirtschaft wirklich Gedanken macht. Ich distanziere mich von diesen Regularien, die nur ein Ziel haben: Profit, Profit und nochmals Profit. Es ist unanständig, zu behaupten dass nur einzelne Gruppen versagen, wenn das Ganze einfach so versagend angelegt ist. Wir werden uns nicht nur auf weitere 200 Demonstrationen, sondern auf noch viel mehr einstellen müssen. Weil man die inzwischen global gewordenen Probleme gar nicht mehr nur national lösen kann.

Es ist paradox: Die das viele Geld verjubelt haben, bekommen nochmals welches vom Staat nachgereicht. Das wird uns als Problemlösung verkauft! Für wie naiv und blöd muss diese Regierung das Volk halten? Welch eine katastrophale Bankrotterklärung!

Wenn wir 25 % Kapitalertrag für unanständig halten, müssen wir einfach auch 'mal fragen, wie der Stadtrat damit umgeht, dass die Stadtwerke diesen Ertrag Jahr um Jahr als Gewinn einfahren. Das funktioniert einfach nicht! Da muss sich der Vorsitzende des Aufsichtsrates der Stadtwerke - der auch Vorsitzender der Fraktion Die LINKE im Stadtrat ist - mit diesem Thema einmal auseinandersetzen. Die Erdgaspreise sind völlig überzogen. Und das wird immer damit begründet, dass die Rohölpreise in die Höhe geklettert sind. Die liegen jetzt jedoch wieder einmal bei nur 80 $/Barrel. Die sind also wieder gefallen. Um Hartz-IV-Empfänger, Haushalte und auch Unternehmen zu entlasten, müssen Wege gefunden werden, darüber mit dem Stadtrat zu verhandeln. Denn es ist auch unanständig, dass nur eine Hälfte des Gewinns an die Stadt fließt, die andere Hälfte fließt in den Westen. Ich habe als damaliger Oberbürgermeister diese unanständige Gewinnausschüttung gestoppt, aber ich bin mir sicher, dass diese Gewinnausschüttung unter dem neuen Oberbürgermeister mit Hilfe des Vorsitzenden der LINKEN - des gleichzeitigen Aufsichtsrates der Stadtwerke Zeitz - längst wieder fließt. Das muss geändert werden!

Ich hoffe, dass sie als Offener Runder Tisch einen langen Atem haben und sich auf einen sehr langen Weg vorbereiten. Ich werde an ihrer Seite bleiben. Vielen Dank.



Sven Schmalz übermittelte Grüße und Glückwünsche aus Eisenberg und von ca. 150 Montagsdemos in Städten aus ganz Deutschland. Außerdem lud er zur 150. Dienstagsdemo am 14.10.2008 nach Eisenberg ein (drei Vertreter des ORTZ sind der Einladung gefolgt). Wir sind stolz auf Euch! Es ist etwas Besonderes, wenn man so lange durchgehalten hat und weitermacht. Eine so lange Folge von Demonstrationen hat es hier sicher noch niemals zuvor gegeben. Woche für Woche steht Ihr hier, um gegen soziale Ungerechtigkeiten und auch gegen den wachsenden Rechtsextremismus zu kämpfen. Auch wenn ihr es dabei sicher nicht einfach habt, solltet ihr euch nicht unterkriegen lassen und weitermachen.

Oft bekommt man zu hören: "Wir können doch eh nichts ändern." Ja wie auch? Denn es geht ja nicht zur Demo, wer so etwas sagt! Ein solcher Mensch hat sich in diesem System eingerichtet, er hat resigniert und lässt sich von Medien wie der BILD-Zeitung und "Anne Will" verarschen. Er sieht sich lieber Gerichtsshows an oder wie Sozialermittler angebliche Sozialschmarotzer entlarven. Ihm geht es ja gut, und wenn es doch mal nicht reicht, dann geht er halt zur Tafel. Aber ändern kann er ja eh nichts. Wie denn auch? Wenn all jene sagen würden "Mir reicht's" und zu den Montagsdemos kämen, dann würden wir auch mehr erreichen. Aber bis dahin ist es wohl noch ein langer Weg. Daher eine Bitte an euch: Gebt nicht auf, und haltet durch!



Dieter Rolle schloss sich seinen Vorrednern an und stimmte dem Gesagten voll und ganz zu.

Wir haben schon ganz am Anfang der Montagsdemos geahnt, dass wir diesen langen Atem brauchen werden und daher ist es eigentlich bedauerlich, dass wir heute zum 200. Mal hier stehen. Bei unseren Unterschriftenaktionen bekommen wir immer wieder die Meinung zu hören, Hartz-IV-Betroffene wollen die Gesellschaft ausnutzen. Dem setzen wir dann immer entgegen, dass die wirklich überwiegende Mehrheit arbeiten will. Und Arbeitsplätze müssen geschaffen werden! Das ist das entscheidende Problem, wofür wir eintreten und weiter streiten müssen.

Vor 10 Tagen hat wieder einmal der "Tag der deutschen Einheit" stattgefunden und es wurden wieder sehr "kluge Worte" gesprochen. Da wurde wieder gesagt, was alles geschaffen wurde und dass wir weiterhin eng zusammenstehen müssen. Mit solchen Beurteilungen können wir nicht zufrieden sein. Sondern wir stehen dafür, dass sich die gesamten Probleme in Deutschland zum Positiven verändern sollen. Wie zum Beispiel in Richtung existenzsichernder Arbeitsplätze: Damit Hartz-IV überhaupt nicht notwendig ist!

Wiederum konnte man vernehmen, wie der "Aufschwung" gegriffen hat. Wir können ja 'mal einige Beispiele nennen:
  • Wir konnten vernehmen, das die Hartz-IV-Klagen die Gerichte lahmlegen. Aber: "Der Aufschwung greift."
  • Fast jeder fünfte in Deutschland lebt an der Armutsgrenze. Aber: "Der Aufschwung greift."
  • Viele Lehrstellen "bleiben unbesetzt", tatsächlich werden aber gar nicht genug Lehrstellen bereit gestellt. Aber: "Der Aufschwung greift."
  • Die Kassenbeiträge steigen auf 15,5% und greifen damit den Armen abermals in die Tasche. Aber: "Der Aufschwung greift."
  • Die Studienkredite haben sich durch einen höheren Zinssatz verteuert. Aber: "Der Aufschwung greift."
Nach den von den Regierungen in das Finanzsystem gepumpten Riesensummen hat sich herausgestellt, dass der internationale Währungsfonds inzwischen schon 1,4 Billionen $ abschreibt, das Geld ist einfach weg! Aus der New-Yorker Schuldenuhr musste sogar das Dollarzeichen herausgenommen werden, weil die Stellen nicht mehr ausreichten. 10,026 Billionen $ Schulden haben allein die USA aufgehäuft. Welch eine Summe!

Es ist schon seltsam: In Zeiten satter Bankgewinne hat "man" sich ein lenkendes Eingreifen des Staates verbeten. Während dieser Zeit wurde der Einkommensunterschied immer größer zwischen den Anbetern des Finanzkapitals und denen, die keine oder miserabel "bezahlte" Arbeit haben oder die sonst auf Sozialleistungen angewiesen waren. Und jetzt auf einmal soll der Staat für die Schuld und die Schulden der Finanzgurus einstehen und somit sollen wieder der Bürger für die Gier und die Fehler der Banker bluten. Da fühlt man sich an einen Spruch von Bertold Brecht erinnert: "Was ist der Einbruch in eine Bank gegen die Gründung einer Bank?"

Gescheiter wäre es da schon, die Banken zu verstaatlichen. Aber davor scheuen sich die Verantwortlichen wie der Teufel vor dem Weihwasser. Die Manager sollte man für ihre Fehlentscheidungen aber haftbar machen, denn es ist nämlich mehr als gewissenlos, in guten Zeiten Millionen zu kassieren, in schlechten Zeiten den Steuerzahler anzupumpen und für das eigene Scheitern noch Millionen an Abfindungen einzustecken (Pfui Teufel). 300 % Profit, und es gibt kein Verbrechen, welches das Kapital nicht riskiert, selbst auf die Gefahr des Galgens.

Gegen diese Schweinereien müssen wir immer wieder angehen, wir müssen die Menschen wachrütteln. Sprecht mit allen Verwandten und Bekannten, wir müssen ganz einfach mehr werden.



Wolfgang Vogl kritisierte die Grundgesetzänderung zum Einsatz der Bundeswehr im Innern als Aufrüstung gegen kritische Bürger.

Das zeigt uns eines: Das Kapital ist sich bewusst, selbst bekämpft werden zu können. Es rüstet jetzt schon auf! Das beweist schon diese gesetzliche Bestimmung: Der Bund kann die einzelnen Bundesländer zwingen, einen Militäreinsatz im Inneren zu gestatten. Hier kann man schon die Stoßrichtung erkennen. Und der Vorsitzende der Polizeigewerkschaft äußerte die Hoffnung, die Bundeswehr möge nie gegen Demonstranten eingesetzt werden und dies möge allein Aufgabe der Polizei bleiben. Auch das ist ein Hinweis auf die wahren Absichten, nämlich gegen den kritischen Bürger. Das ist der Sinn dieser Grundgesetzänderung.



Ingrid Weise berichtete von unserer Unterschriftenaktion am letzten Freitag in Tröglitz.

Es wurden 141 Unterschriften gegen Hartz-IV und für Sozialtarife gesammelt. Insgesamt sind es nun schon über 3.500 Unterschriften. Und es werden bei den nächsten Aktionen sicher noch einige hinzukommen. Dann noch ein Dankeschön und einen Blumenstrauß an Steffen Hemberger, der sehr viel Arbeit für den ORTZ leistet.

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