Montagsdemo Zeitz - Offener Runder Tisch Zeitz

Bericht zur 201. Montagsdemonstration vom 20.10.2008 in Zeitz


Zur heutigen 201. Montagsdemonstration in Zeitz erschienen 38 Personen, um wieder gemeinsam gegen Hartz-IV und gegen Sozialabbau zu protestieren.

Folgende Redner sprachen auf der Kundgebung:



Steffen Hemberger sprach über die aktuellen Tariferhöhungen der Stadtwerke Zeitz (SWZ). In Mitteilungen an die Abnehmer begründen die SWZ ihre Gas-Preiserhöhungen mit gestiegenen Beschaffungskosten. Diese Behauptung stimmt einfach nicht! Unlängst war in der Mitteldeutschen Zeitung ein Artikel über fallende Ölpreise zu lesen. Deshalb erfolge gegenwärtig ein Ansturm auf Heizöl: Die Ölpreise seien so niedrig wie lange nicht mehr, sie hätten sich seit Juli mehr als halbiert.

Ähnlich tiefe Ölpreise gab es zuletzt Anfang 2007.

Die Energieversorger erklären jederzeit, die Gaspreise sind an den Ölpreis gekoppelt. Herr Geschäftsführer Huke der SWZ: Warum wurde der Erdgaspreis "angehoben", wenn er sich doch angeblich am Ölpreis orientiert, der seit Juli um die Hälfte gesunken ist? Offenkundig betrachten die Stadtwerke Zeitz die Energiepreise als Einbahnstraße. Das Szenarium: 1. Der Gaspreis wird an steigende Ölpreise "angepasst". 2. Der Gaspreis bleibt unverändert hoch, wenn der Ölpreis sinkt. 3. Bei wieder steigendem Ölpreis wird dann der Gaspreis erneut der Ölpreisentwicklung "angepasst", also ordentlich erhöht. Überdies erfolgte die Preiserhöhung bei Erdgas - nach "bewährter" Tradition - pünktlich zu Beginn der Heizperiode. Logisch: Da sind die Verbräuche und damit auch die Gewinne am höchsten. Anders ist das nicht erklärbar. In den letzten Jahren hatten die Stadtwerke Zeitz übrigens Kapitalerträge nach Steuern um 25 % und 30 %. Solche Gewinne können nur wenige Unternehmen vorweisen.

Angesichts solcher Gewinne wurde durch interessierte Leute bisher immer mehr Privatisierung in der Wirtschaftswelt und anderswo gefordert. Während der gegenwärtigen Finanzkrise haben die gleichen Leute eine gegensätzliche Ansicht: Der Staat soll den Privaten helfend beistehen. Ein interessanter Meinungswandel. Und sie bekommen die Hilfe auch, der Staat bürgt. Zahlen wird das allerdings nicht Frau Merkel, sondern der Bürger. Durch Steuern, welche der Staat kassiert.

Die Risiken kennt zumindest, wer schon einmal gebürgt hat. Im Schadensfall haftet immer der Bürge. So haftet auch der Staat als Bürge. Aber ein Wirtschaftssystem funktioniert so nicht. Bestimmte öffentliche und sonstig lebensnotwendige Bereiche gehören in staatliche Hand. Dazu zählen Energiewirtschaft, Post und Telekommunikation und auch wichtige Verkehrssysteme. Denn es schadet uns allen, wenn sie in privater Hand versagen. Natürlich sollen nicht der Tante-Emma-Laden oder mittelständische Betriebe verstaatlicht werden, um sie als VEB zu betreiben. Aber bestimmte Bereiche gehören mindestens unter die staatliche Aufsicht. Ein signifikantes Beispiel für durch Privatisierung aufgesplitterte und verzettelte Gesamtleistungen ist die Post. Inzwischen gibt es derart viel private Zustelldienste, dass man oft mehrmals am Tag in den Briefkasten schauen kann. Die unerlässliche Überschaubarkeit geht verloren. Und gerade die wichtige Post von Ämtern kommt mit privaten Zustelldiensten ins Haus.



Peter Moser sprach über einen von seiner Stadtratsfraktion in den Stadtrat eingebrachte Antrag. Der Antrag fordert, den Gesellschaftsvertrag der SWZ zu ändern und den Aufsichtsrat zur Preisgenehmigung zu ermächtigen. Dieser Aufsichtsrat ist zu 50 % mit Vertretern der Stadt Zeitz als des 50-prozentigen SWZ-Eigentümers besetzt und auf diesen halben Aufsichtsrat könnte die Bürgerschaft und der Stadtrat einwirken. Der jetzige Oberbürgermeister Dr. A. sagte hier auf einer Montagsdemo, er unterstütze dieses Anliegen. Aber nur der Oberbürgermeister könne das bewirken. Damals war freilich noch der alte Oberbürgermeister im Amt. Jetzt ist Herr Dr. A. hier selber Oberbürgermeister. Und was ist das Ergebnis? Diesem Beschlussantrag hat er sein Einvernehmen zur Aufnahme in die Tagesordnung verweigert, weil es das GmbH- und das Aktiengesetz verbietet, die Aufsichtsräte derartig zu beauftragen! Wir bleiben aber dran.

Ein weiteres Thema betraf den Parkplatz hinter der Sparkasse, der von der Wohnungsbaugesellschaft (WBG) der Stadt im Zwangsversteigerungsverfahren mit einem sehr hohen Alleingebot "ersteigert" wurde. Jetzt sind Gerüchte im Umlauf, dieser Parkplatz sei von der WBG an den Vorbesitzer wieder verpachtet worden. Wie gesagt, nur ein Gerücht. Aber - wie es der Zufall will - der Vorbesitzer, ein gewisser Herr P., wurde beim Leeren der Parkplatzkasse gesehen. Ganz normal, ohne Maske und Brecheisen, am hellichten Tag, mit ordnungsgemäßem Schlüssel und gewiss wohlberechtigt. Nochmals angemerkt: Der Parkplatz wurde von der stadteigenen WBG im Zwangsversteigerungsverfahren gegen den Vorbesitzer zu einem sehr hohen Preis ersteigert! Und nun hat der gleiche Vorbesitzer wieder Zugang zu "seiner" Parkplatzkasse!

Ob nun an ihn verpachtet oder nicht, jedenfalls hat er Zugang zur Kasse. Das wird mit Sicherheit noch ein Nachspiel im Stadtrat haben.



Steffen Hemberger merkte an, es wäre ein eklatanter Verstoß gegen das Insolvenzrecht,

wenn diese Gerüchte stimmen. Denn Herr P. ist insolvent. Und nur der Insolvenzverwalter ist berechtigt zur Verwaltung des Insolvenzmasse - Eigenvermögen und Einkommen außerhalb der Insolvenzregelungen besitzt eine insolvente Person nicht.



Dieter Rolle sprach über die aktuelle Finanzkrise, die Managergehälter und die Limitierung der Konzerngewinne, sowie den verlängerten Kriegseinsatz in Afghanistan.

Wirtschaftsminister Glos verkündete bereits, wir können im Jahre 2010 mit Vollbeschäftigung rechnen! Jetzt aber warnte er im Bundestag im Zusammenhang mit der Finanzkrise vor der Verbreitung von Horrorszenarien. Und: Die Prognose des Wirtschaftswachstums wurde auf 0,2% zurückgenommen und die Regierung erwartet einen Konjunktureinbruch wegen der Finanzkrise. Die offizielle Zahl der Arbeitslosen werde in den nächsten Jahren 3,3 Millionen betragen. Was geben diese Leute von sich? Anscheinend gefällt ihnen der bekannte Ausspruch "was kümmert mich mein Geschwätz von gestern".

Im Bundestag wurde ja nun beschlossen, die Banken können staatliche Kredite nehmen. In dem Zusammenhang wird empfohlen, die Gehälter der Manager auf 500.000 € zu „begrenzen“. Was ist diese Summe im Vergleich zu der geringfügigen Erhöhung des Kindergeldes um 10 € bzw. 16 €. Auf der einen Seite wird mit Riesensummen umhergeworfen und für die wirklich Bedürftigen bleiben anderseits nur schäbige Erhöhungen von 10 € oder eben 16 € übrig. Dabei sind noch nicht einmal die Managergehälter für die Krise verantwortlich, sondern die Gewinne. Diese Gewinne müssen limitiert werden, um die Ursache der Krise zu bekämpfen. Denn auf den daraus folgenden wirtschaftlichen Abschwung folgt ja auch wieder Arbeitslosigkeit und Verarmung.

Das alles sind nicht einzelne Probleme und Fragen für sich, sondern es sind Systemfragen.

Nun hat auch noch eine Mehrheit im Bundestag für die Fortsetzung des Krieges in Afghanistan plädiert. Dies geschah am 16.10.2008. Und am 17.10.2008 war das deutsche Parlament angetreten, die Banken zu retten. Nach Meinung von Finanzexperten führt das Gesetz mit hoher Wahrscheinlichkeit in den Staatsbankrott. Ist die rasche Beschlussfolge hier ein Zufall? Krieg und Krise! Es geht nur noch um Machtinteressen; von Demokratie keine Spur. Finanzminister Steinbrück hat nun eine fiskalische Notstandsgesetzgebung vorgeschlagen. Als Muster dafür nahm er ausgerechnet die "Treuhand". Die Enteignungs- und Unterjochungszentrale für Ostdeutschland in den 90er Jahren ist sein Vorbild! Auf Merkels Wunsch sollte ein gewisser Hans Tiedtmeier fungieren, der Aufsichtsrat bei Pleitebanken ist. Da macht "man" ja den Bock zum Gärtner! Denn Tiedtmeier ist ja ein Mitglied jenes Klüngels, der diese ganze Suppe erst eingebrockt hat.

Jedenfalls ist die Staatsgarantie für die Banken eine Aufforderung zur neuerlich hochriskanten Kreditvergabe. Der Staat steht ja im Bedarfsfall ein! Aber genau das wird in einigen Jahren das Thema Staatsinsolvenz wieder auf die Tagesordnung bringen.

Es gibt keinen Kapitalismus ohne Krise und Krieg! Was werden diejenigen von Demokratie, von individuellen und sozialen Menschenrechten im Innern halten, denen das Völkerrecht in Afghanistan, im Irak, in Guantanamo nur ein feuchter Wisch für ist? Die Bundestagsabgeordneten haben zu 98,5 % Hartz-IV mit beschlossen. Und sie wussten, sie fördern damit Armut und Finanzspekulationen! Wer den Krieg nach innen forciert, hat mit dem nach außen auch keine Probleme und umgekehrt. Krise und Krieg sind also Systemfragen. Und der Krisenkredit ist auch ein Kriegskredit, das muss man so deutlich formulieren! Sich dagegen zu wehren, ist auch unser Anliegen. Dazu müssen wir lauter und stärker werden! Wir dürfen die Herrschenden nicht einfach gewähren lassen, sondern wir müssen unseren Protest aussprechen gegen diese "Scheißpolitik".



Volker Bachmann sprach ebenfalls über die staatliche Unterstützung für die Banken in ihrer Krise.

Man muss sagen, dass der bewusste kluge Mann vor 150 Jahren vollkommen Recht hatte - bei allem, was gerade passiert. Und selbst Heiner Geißler, er war ja Generalsekretär der CDU, sagte in einer Diskussionsrunde, dass Marx heute hochaktuell wäre, würde er in der heutigen Zeit leben.

Geißler schlug vor, das Prinzip der Arbeitsagenturen bei Hartz-IV - "Fördern und Fordern" - zur Kontrolle der Banken anzuwenden. Leistung und Gegenleistung.



Peter Moser griff das Thema Leistung auf.

Der Vorstandsvorsitzende von Porsche, Herr Dr.-Ing. Wendelin Wiedeking, hält sein Jahreseinkommen von 60 Millionen € für völlig angemessen. Diese Leute haben doch jede Bodenberührung und jedes Leistungsmaß verloren. Der größte Einkommensanteil dieser Leute sind Boni für den Unternehmenserfolg. Herr Ackermann von der Deutschen Bank hat nur ein "normales" Einkommen von 1,2 Millionen €. Mit Boni usw. kommt er dann jedoch auf 12 Millionen €. Bei Misserfolg und Krise kann man natürlich nicht so hart sein und muss ihnen helfen. Andere meinen zu Recht: Lasst sie den Bach 'runtergehen und verstaatlicht sie!



Steffen Hemberger berichtete zum Schluss noch über ein Beispiel von Unsinnsmaßnahmen bei Hartz-IV.

Ein Mann und eine Frau haben ein gemeinsames Kind, leben aber getrennt. Die Frau und ihr Kind bekommen Hartz-IV. Der Mann erhält eine Rente. Hiervon wird kein Unterhalt für die Tochter abgezogen, obwohl das so im Gesetz steht: Weil die noch aus DDR-Zeiten vom "Rat des Kreises" stammende Urkunde angeblich keine Urkunde sei. Für das unterhaltsberechtigte Kind (eine Tochter) berechnet die ARGE aber eine - tatsächlich nicht erfolgende - Unterhaltszahlung als Einkommen. Da ist diese alte Urkunde doch plötzlich wieder eine Urkunde! Welcher normale Mensch soll das verstehen?

Es wurden hierzu zwei Dienstaufsichtsbeschwerden eingereicht, drei Widersprüche geschrieben und ein Änderungsantrag gestellt. Alles hat nichts geholfen. Und dann ist der Vater nach Halle vor das Sozialgericht gezogen, weil auch der gutmütigste Mensch irgendwann mal sauer wird. Es stellte Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz. Und plötzlich hat es sogar Frau Schneider von der ARGE verstanden, hat alle Bescheide abgeändert, den Unterhalt als Einkommen herausgerechnet und nachgezahlt. Denn der Mann kann ja keinen Unterhalt mehr zahlen, weil das die ARGE nicht bewilligt hat. Die Mutter bekommt das Geld jetzt von der ARGE.

Dieses Beispiel zeigt: Man muss sich wehren!

» * «

Der Offene Runde Tisch Zeitz, ORTZ

Copyright by ORTZ

ORTZ-Homepage