Montagsdemo Zeitz - Offener Runder Tisch Zeitz

Bericht zur 204. Montagsdemonstration vom 10.11.2008 in Zeitz


Zur heutigen 204. Montagsdemonstration in Zeitz erschienen 43 Personen, um wieder gemeinsam gegen Hartz-IV und gegen Sozialabbau zu protestieren.

Folgende Redner sprachen auf der Kundgebung:



Steffen Hemberger sprach nochmals über den Rücktritt des Dr. A. als Zeitzer Oberbürgermeister.

Nach seinem Rücktritt verhalten sich seine ehemals nachdrücklichsten Unterstützer, als wäre er ihnen gänzlich unbekannt oder doch schon immer gleichgültig gewesen. Sie sind jedoch ohne ihn auch weiterhin in gleicher Weise wie zuvor tätig und treffen nicht bloß fragwürdige Entscheidungen .

Die erste Stadtratssitzung nach dem Rücktritt des Dr. A. machte das deutlich. Es wurde über das geplante Einkaufscenter "Michaelpark" entschieden. Entstehen soll es im Zeitzer Stadtrandgebiet auf dem ehemaligen Kasernengelände der sowjetischen Streitkräfte. Eine Stadtratsmehrheit aus CDU, SPD, Zeitzer für Zeitz und Die LINKE stimmte für den Bau dieses zusätzlichen Einkaufscenters. Sie behaupteten, dieser Einkaufspark schade der Innenstadt nicht. Jedoch: Zwei Tage zuvor war in der "Mitteldeutsche Zeitung" zu lesen, zwei große in der Zeitzer Innenstadt geschäftsansässige Händler (DM-Markt und Deichmann) wollen in den "Michaelpark" umziehen, wenn das Einkaufscenter entsteht. Wer will dann postulieren, das Projekt "Michaelpark" sei unschädlich für die Innenstadt?

Dennoch wurde das von der Stadtratsmehrheit versichert und demgemäß entschieden!

Dabei gibt es in Zeitz schon mehrere Einkaufszentren mit erheblichen Umsatzschwierigkeiten. Allen voran wäre das "Brühlcenter" zu nennen, welches heute fast leer steht. Auch das Einkaufscenter in Grana sucht ständig Mieter. Was soll da ein neues Einkaufscenter auf dem Gelände der ehemaligen Artilleriekaserne? Sollten nicht zuerst einmal die vorhandenen Einkaufszentren mit Kunden belebt und mit Anbietern belegt werden, bevor mit absehbaren Auswirkungen neue gebaut werden? Und was ist mit der Unterstadt, in der es fast gar keine örtlichen Versorger mehr gibt? Einerseits häufen sich in manchen Stadtteilen die Einkaufsstätten und gefährden wechselseitig eine wirtschaftliche Betreibung oder sogar die Existenz, andererseits sind Stadtteile unterversorgt. Und: Es sollen nach dem Willen dieser Stadtratsmehrheit genau dort weitere Handelseinrichtungen gebaut werden, wo bereits ein mehr als reichlicher Bestand erkennbar ist.

In diesem Zusammenhang ist auch das ehemalige Gelände Lack-Lenssen zu nennen - 50 m von einem Netto-Discount entfernt soll auch dort nach dem Willen dieser Stadtratsmehrheit eine große Handelsfläche entstehen!

Im kommenden Jahr sind Kommunalwahlen. Dann besteht die Möglichkeit, die Karten neu zu mischen und die Mehrheitsverhältnisse zu ändern. Hoffentlich wird bis dahin nicht alles vergessen sein und hoffentlich ist dann auch die Wahlbeteiligung entsprechend hoch.



Sven Schmalz aus Eisenberg bedankte sich als erstes bei den 4 Mitgliedern des ORTZ, welche vergangene Woche beim dreijährigen Bestehen der dortigen Dienstagsdemo zu Gast waren und die Veranstaltung mit Tontechnik unterstützten.

Dann informierte Sven: "Überraschenderweise" gab es bei dieser Veranstaltung in Eisenberg Schwierigkeiten mit der Stromversorgung. Zwar wurde die Stromentnahme rechtzeitig beim Ordnungsamt angemeldet. Jedoch war der Zugang zu den Steckdosen - entgegen den Absprachen - versperrt und die Verantwortlichen waren nicht mehr zu sprechen.

Aber: Der Wirt des benachbarten Museumscafés half wohlwollend aus. Die Kundgebung konnte also dennoch wie von den Veranstaltern geplant stattfinden. Es waren überraschend Gäste aus Plauen und Magdeburg gekommen, um an der Kundgebung teilzunehmen. Die Vertreter der Erfurter Donnerstagsdemo sagten leider ab.

Zum Dr. A. ist nur soviel zu sagen: Er wollte gleichzeitig Oberbürgermeister und Zahnarzt sein, doch dieser Zahn wurde ihm gezogen. Und zwar schmerzhaft und ohne Narkose.



Siegfried Kutschick dankte Sven im Namen aller Zeitzer Montagsdemonstranten für die von ihm mitgebrachten Eisenberger Würstchen.



Peter Moser meint, wir sollten nicht länger in der Vergangenheit des Dr. A. kramen.

Andere Dinge sind wesentlicher. Im Stadtrat gibt es Mehrheitsverhältnisse, wie sie auch schon zur Amtszeit des alten OB bestanden. Durch diese Mehrheit wurden und werden Entscheidungen mit gegebenenfalls für die Stadt und die Bewohner schädlichen Auswirkungen getroffen. Bisher hat der alte OB ihm gegebene gesetzliche Möglichkeiten genutzt, um solche Entscheidungen anzugreifen. Von seinem Nachfolger, dem oft genannten Dr. A., war so etwas nicht zu erwarten. Er hätte diese Entscheidungen möglicherweise einfach durchgewinkt, denn nach meinen Erfahrungen gehörte er ja zu ihren eifrigsten Befürwortern. Ohne ihn ist die Sachlage zwar etwas günstiger, aber jene Stadtratsmehrheit besteht auch ohne ihn weiter und trifft ihre gefährlichen Entscheidungen genauso wie immer. Die Abstimmung zum sog. Michaelpark wurde namentlich durchgeführt und natürlich hat Herr Brunn von "Die LINKE" dafür gestimmt, wie es ja auch der Presse zu entnehmen war.

Beispiele erweisen immer wieder, dass sich Politiker an ihre früheren Aussagen nicht mehr erinnern können oder wollen. Da wäre z. B. die Deponie Zeuchfeld zu nennen. Der Geschäftsführer wurde entlassen, weil auf dieser Deponie unzulässige Ablagerungen erfolgten. Der Vorstand kontrolliert diesen Geschäftsführer oder soll jedenfalls kontrollieren. Im Vorstand ist ein gewisser Landrat Harry Reiche vertreten. Der hat natürlich von diesen Vorgängen überhaupt nichts bemerkt. Nach heutigem Stand wurden auf dieser Deponie 400.000 Tonnen Material unzulässigerweise eingelagert. Diese Stoffe hätten verbrannt werden müssen. Dazu muss man wissen: Das Verbrennen dieses Materials ist 50 Euro/Tonne teurer, als das Verkippen auf einer Deponie. 50 Euro x 400.000 Tonnen = 20 Millionen Euro. Nun steht die Frage offen: Wohin sind die 20 Millionen Euro verschwunden, die bei ordnungsgemäßer Entsorgung hätten gezahlt werden müssen? Der Landrat hat davon natürlich nichts gewusst, er hat damit nichts zu tun. Er ist ganz unschuldig.

Angesichts der Wahlentscheidung und der Wahlergebnisse wird zwar immer wieder berechtigt festgestellt, dass die Zeitzer das bekommen, was sie verdienen. Darüber kann man aber nicht froh sein.

Solche Verhältnisse gibt es sowohl im Stadtrat als auch im Kreistag. Es ist z. B. sehr beklagenswert, dass die NPD im Kreistag Probleme benennt, die eigentlich von der LINKEN vorgetragen werden müssten. Doch die schweigen oder stimmen möglicherweise sogar gegen berechtigte Anliegen. So ist es kein Wunder, wenn diese Kräfte Auftrieb erlangen. Es ist natürlich vollkommen klar, aus welchen Motiven diese Kräfte sich solcher Probleme annehmen. Aber dennoch muss man sagen, nicht selten wird von ihnen wohlberechtigt kritisiert. Es ist sehr traurig, dass solche Verhältnisse in diesem Lande herrschen.

Das bedeutet, dass wir noch sehr viel Arbeit vor uns haben. Deswegen dürfen wir keinesfalls aufhören, denn wir sind schon ein Dorn im Fleisch. Wir sind zwar wenige, aber es wäre im Lande weithin noch schlimmer, wären wir nicht hier. Es wird noch viel ärger werden, wenn sich keiner wehrt und kein Kopf hochkommt. Das weisen alle Erfahrungen aus. Jene Leute treffen niemals eine Gewissensentscheidung, wenn sie soziale Einschnitte anschieben. Sie machen sie nie Gedanken darüber, ob das ungerecht wäre. Wird sowas ausgearbeitet und es gibt Protest, zieht man es schnell zurück, um die Massen zu beruhigen. Und sind die Massen dann wieder ruhig, kommt es dann doch! Und deshalb sollten wir hier stehen. Es wäre gewiss besser, wenn wir mehr wären. Aber das soll uns nicht von der Nutzung unseres Rechts auf Meinungsfreiheit abhalten.

Wolfgang Vogl sprach über den angeblichen Aufschwung.

Wirklichen Aufschwung hat es aber nur bei den Ausgaben für Sozialhilfe gegeben, denn die sind um 13 % gestiegen. Nicht individuell, versteht sich. Aber in der Gesamtsumme für die weiter wachsende Anzahl Betroffener.

Weiterhin ging es im das neue BKA-Gesetz und die Onlinedurchsuchung von Computern, die mit Hilfe der Sozialdemokraten ins Leben gerufen wurde. Diese soll ja angeblich nur bis 2020 befristet sein. Doch wer glaubt denn allen Ernstes daran, dass die Onlinedurchsuchung nach 2020 wieder abgeschafft wird? Hieran kann man aber erkennen, welche Windeier die Sozialdemokraten sind (das ist noch zurückhaltend formuliert). Unter bestimmten Umständen darf das BKA in Zukunft Wohnungen insgeheim durchsuchen oder abhören. Vielleicht sollte man das BKA besser umbenennen. Es gab einmal eine Gestapo-Zentrale ... Das sind doch keine Zustände mehr. Als Rechtsvoraussetzung für solche Maßnahmen werden "schwerwiegende Gefahren" genannt. Doch was sind denn "schwerwiegende Gefahren"? Dieser unscharfe Begriff kann doch dann als Vorwand benutzt werden, um gegen kritische oder möglicherweise auch linke Kräfte vorgehen zu können. Vor allem wohl dann, wenn sie ihre Kritik auf die grundsätzlichen Fehler unseres Systems beziehen. Sollen hier Grundlagen für eine Diktatur geschaffen werden, die dann herrscht, wenn unsere Gesellschaft nach dem Ende ihres Fäulnisprozesses am Boden liegt? Ist "Gefahr im Verzuge", darf das BKA sofort handeln. Ohne zuvor die Erlaubnis einer übergeordneten Instanz einholen zu müssen. Wann wird konkret "Gefahr im Verzuge" sein? Mit einer derart schwammigen Formulierung kann man nämlich nahezu alles begründen.

Leute seid wachsam! Hier kann der Staat dergestalt umgebaut werden, dass jederzeit eine Diktatur möglich wird. Und es sei auch daran erinnert, die "Notstandsgesetze" [Info]wurden nie abgeschafft. Diese Notstandsgesetze in Verbindung mit dem neuen BKA-Gesetz können garnicht genug Wachsamkeit hervorrufen! Deshalb nochmal: Bürger seid wachsam!

Ein weiteres Thema ist die Absenkung des vom Bund an die Kommunen zu zahlenden Kostenanteils für die Unterkunft (KdU) ALG-II-Betroffener. Das Ziel sind Einsparungen von 700 Millionen Euro! Zugleich werden aber den Pleitebanken 480 Milliarden Euro hingeworfen. Hier kann man sehen, wem das alles nutzt oder schadet. Das System ist verrottet.



Steffen Hemberger wartet gespannt: Wie wird der Landrat auf die gesenkten Bundeszuschüsse bei den KdU reagieren?

Denn die Kosten der Unterkunft müssen neu verhandelt werden. Es gibt zukünftig weniger Zuschüsse vom Bund. Und die KdU orientieren sich auch nach der Praxis des Landrates am Vorjahresverbrauch. Da kann leicht geschehen: Die KdU werden gesenkt, obwohl die Tarife angestiegen sind!

Dabei muss auch erwähnt werden, dass manche Stadtwerke im Land darüber nachdenken, - wegen der gesunkenen Weltmarktpreise - die Preise für z. B. Erdgas wieder zu senken. Zu diesen nachdenklichen Stadtwerken gehören allerdings nicht die Stadtwerke Zeitz! Die Antwort auf unsere diesbezügliche Anfrage an deren Geschäftsführer Herr Huke zum gleichen Thema steht übrigens auch noch aus.

Steffen gab zum Abschluss den Eisenberger Demonstranten noch seine Bewunderung mit auf den Weg. Mit einer so geringen, aber dennoch konstanten Teilnehmerzahl - andere hätten schon längst die Segel gestrichen - machen sie trotzdem weiter. Man kann sie nur ermuntern, in jedem Falle weiterzumachen. Denn jede unterbliebene und jede gestorbene Anti-Hartz-IV-Demo ist eine Aufbauspritze für diese ungerechte Regierung. Dieses Durchhaltevermögen sollten sich ALLE zum Vorbild nehmen! Die Unterstützung des Offenen Runden Tisches Zeitz werden sie auch weiterhin haben.

» * «

Der Offene Runde Tisch Zeitz, ORTZ

Copyright by ORTZ

ORTZ-Homepage