Montagsdemo Zeitz - Offener Runder Tisch Zeitz

Bericht zur 210. Montagsdemonstration vom 22.12.2008 in Zeitz


Zur heutigen 210. Montagsdemonstration in Zeitz erschienen 42 Personen, um wieder gemeinsam gegen Hartz-IV und gegen Sozialabbau zu protestieren.

Folgende Redner sprachen auf der Kundgebung:



Wolfgang Vogl verlas ein Antwortschreiben des Deutschen Bundestages [Download]wegen der an Landrat und Kreistag übergebenen und von dort an den Bundestag weitergeleiteten Protestunterschriften gegen Hartz-IV:

Sehr geehrter Herr Vogl,

der Präsident des Deutschen Bundestages, Herr Dr. Norbert Lammert, MdB, hat mich gebeten, Ihnen für Ihr o. a. Schreiben zu danken. Er hat Ihr Schreiben dem Petitionsausschuss übersandt, der nach der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages für Bitten und Beschwerden zuständig ist.

Zu Ihrem Vorbringen habe ich eine Prüfung eingeleitet und zunächst das zuständige Bundesministerium um Abgabe einer Stellungnahme gebeten. Sobald mir diese vorliegt - dies wird einige Zeit dauern - erhalten Sie unaufgefordert weitere Nachricht.

Ich bitte Sie, sich bis dahin zu gedulden.

Personenbezogene Daten werden unter Wahrung des Datenschutzes gespeichert und verarbeitet.


Mit freundlichen Grüßen
Im Auftrag
(Bodo Voßkamp)


Wir sind gespannt, wie lange die Antwort auf sich warten lässt. Vielleicht könnte sich aber aus der Aktion ein Druck auf den Landrat und die ARGE entwickeln. Die Folge könnte auch eine Prüfung der Verwaltungsrichtlinie im BLK sein.

Weiteres Thema war Herrn Steinmeiers Geistesblitz in einem bekannten Boulevardblatt. Er sagte sinngemäß, er gehe optimistisch in den Wahlkampf, da die marktradikalen Kräfte infolge der Finanzkrise verspielt hätten. Ein arroganter Lügenbold! Die Sozialdemokraten haben doch den Lohnraub erst organisiert. In den vergangenen 8 Jahren waren bekanntlich diese sozialen Demokraten äußerst marktradikal. Ist die SPD sozial? Ist sie demokratisch? Domimieren dort Lumpen? Und wenn wir die Marktradikalen nicht mehr haben wollen, dann dürfen wir SPD und CDU nicht mehr wählen.



Steffen Hemberger kündigte für die erste Montagsdemo des Jahres 2009 am 12. Januar ein neues Infoblatt über die erneuten Änderungen an. Zum Beispiel können jetzt ARGE-Mitarbeiter eine vorliegende Krankheit auf Verdacht und beweislos anzweifeln. Es muss dann der medizinische Dienst der Krankenkassen bemüht werden. Insgesamt sind es ca. 15 Änderungen, darunter auch einige anscheinend zustimmungsfähige.

Inzwischen gibt es auch mehrere neue Urteile des Bundessozialgerichts. So ist z. B. einem Ingenieur zumutbar, als 1-€-Jobber 30 Wochenstunden Drahtgeflechte um Bäume zu wickeln. Aber auch: Nach einem anderen Urteil ist es unzulässig, Heizkosten nach oben zu begrenzen. Heizkosten sind demnach in voller Höhe zu übernehmen und nur bei nachweisbar unwirtschaftlichem Heizverhalten zu deckeln.

Außerdem berichtete Steffen vom Gerichtstermin unseres Johannes Krause wegen seines Anspruchs auf Krankenhaustagegeld. Nach seinem Unfall lag Johannes wochenlang im Koma und war auch danach noch lange im Krankenhaus. Seine private Unfallversicherung zahlte ein Krankenhaustagegeld. Die AGRE bewertete dieses Krankenhaustagegeld als Einkommen und wollte Leistungen zurückfordern. Diese Auffassung der ARGE machte die Richterin am vergangenen Mittwoch teilweise zunichte. Unser bislang der ARGE angebotener Vergleich wurde stets abgelehnt. Dementgegen wertete die Richterin die Klage als fundiert begründet. Sie legte dem Vertreter der ARGE nahe, den Vergleich anzunehmen. Anderenfalls werde sie im Sinn der Klage urteilen. Die Bescheide der ARGE wertete die Richterin als "ein einziges Chaos". Durch den Vergleich muss Johannes nur etwa die Hälfte der Summe in monatlichen Raten zurück zahlen. Der Vertreter der ARGE wollte der Forderung der Richterin nicht nachkommen, die chaotischen und falschen Bescheide abzuändern. "Begründung": Dieses sei "nicht üblich". Wahrscheinlich ist man dazu auch gar nicht in der Lage. Anrechnungsfrei sind bei Krankenhausaufenthalt jedenfalls der Mindesttagessatz sowie der Mehraufwand (er kann durchaus sehr hoch sein, z. B. bei gerichtlicher Betreuung!). Dieses Beispiel zeigt wieder einmal deutlich: Gegenwehr lohnt sich. Bei Abwehrverzicht hätte in diesem Fall die gesamte Summe zurückgezahlt werden müssen.



Wolfgang Vogl berichtete von der Existenz einer etwa 15-seitigen Dienstanweisung für Außendienstmitarbeiter der Arbeitsagenturen bzw. ARGEn. Darin wird unter anderem erläutert, wie sich die Außendienstmitarbeiter bei Nachbarn, Bekannten oder sogar Verwandten der Betroffenen informieren können. Sogar Banken und Versicherungen können befragt werden. Dieses Recht wird den Außendienstmitarbeitern ausdrücklich eingeräumt! Allerdings bleibt unerwähnt, die Betroffenen - gemäß einem Urteil des Bundessozialgerichts - über die Recherche pflichtschuldig zu informieren. Sind wir wirklich schon so weit in Deutschland? Diese Arbeitsanweisung liegt der Redaktion des "Neues Deutschland" [Info]im Originaltext vor. Interessenten werden sicher auf Anfrage eine Kopie bekommen.

Und noch etwas humoristisches zum Jahresende: Wenn Sie telefonieren und Sie hören ein Knacken in der Leitung, wünschen Sie den Spitzeln einen guten Rutsch in die Mülltonne der deutschen Geschichte.



Peter Moser sagte einiges zu den Urteilen des Bundessozialgerichts. Die Richter urteilen natürlich nach dem Gesetz. Mit den Gesetzen unvereinbare Behördenentscheidungen wird der Richter als ungesetzlich verurteilen. Es ist jedoch davon auszugehen, dass die Gesetze entsprechend geändert werden können und auch geändert werden. Dem Normalbürger sozial zuträgliche Gesetze werden aller Erfahrung nach nicht geduldet. Wir sollten uns davor hüten, kleine Erfolge zu überbewerten und als Triumph zu feiern. Wir können, sollen und werden uns darüber gewiss freuen. Aber die Grundtendenz steigender Massenverarmung und Verelendung wird davon nicht aufgehoben. Und: Seit Jahren werden die öffentlichen Haushalte durch den Verkauf öffentlichen Eigentums ansatzweise ausbalanciert! Wir können uns frisch machen, wenn erst alles privatisiert sein wird (das betrifft auch die Renten- und Krankenkassen). Dann werden wir sagen: Wie schön war es doch im Jahr 2008. Es wird mit Sicherheit nicht besser werden, wenn man denen nicht in den Arm fällt. Regelungen und Gesetze werden nur bis zum Schamfrist-Ablauf nach der Wahl Bestand haben, soweit sie die Lage des einfachen Volkes erkennbar bessern Es ist jedenfalls nichts Gutes zu erwarten, weder von der SPD noch der CDU.

Wir können deutlich sehen, wohin gesteuert wird. Wenn Profite gescheffelt werden: Keine Mehrlohnforderungen oder gar Streik! Das gefährdet den Wirtschaftsaufschwung! Wenn eine Krise ist: Keine Mehrlohnforderungen oder gar Streik! Das verstärkt die Krise! Wenn alles ganz normal läuft: Keine Mehrlohnforderungen oder gar Streik! Das gefährdet die wirtschaftliche Entwicklung und zudem habt ihr ja schon genug kassiert! Wie man sieht: Eine Ausrede gibt es immer. Eigentlich geht es nur darum, einige Reiche immer reicher zu machen, auf Kosten der anderen. Schließlich muss der Reichtum ja von irgendwem erwirtschaftet werden. Ohne Widerstand wird das nicht aufhören. Der Stimmzettel ist nur eine Form davon.

Was die Menschen brauchen, ist Arbeit, von der man leben kann!



Steffen Hemberger bestätigte, dass positive Regelungen nur dann gefunden werden, wenn die Behörden von den höchsten Gerichten regelrecht dazu gepeitscht werden. Dabei ist das Scheitern mancher Regelungen allein durch den gesunden Menschenverstand absehbar.



Wir wünschen allen Demonstranten und Mitstreitern einen guten Rutsch ins neue Jahr. Bleiben Sie gesund, munter und kämpferisch.

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Der Offene Runde Tisch Zeitz, ORTZ

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