Montagsdemo Zeitz - Offener Runder Tisch Zeitz

Die erste Freiheit der Presse besteht darin, kein Gewerbe zu sein. (Karl Marx)

Jahrgang 1 + Nr. 02 + 30. März 2009

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Herausgegeben von "Offener Runder Tisch Zeitz"

Inhalt:

  1. Vorsicht bei der Rücknahme von Widersprüchen
  2. Demokratie oder Zeitzer Landrecht?
  3. Das geplante Einkaufscenter "Michaelpark" schadet der Zeitzer Innenstadt!

Vorsicht bei der Rücknahme von Widersprüchen

Mit einer E-Mail-Info der BA für Arbeit vom 29.09.2008 sollen mit dem Ziel der Aufbesserung schlechter Statistiken Widerspruchsführer in Gesprächen dazu überredet werden, ihre Widersprüche zurückzunehmen.

Widersprüchen wird aufgrund unzureichender Sachverhaltsaufklärung oder unrichtiger Rechtsanwendung zu etwa 60% ganz oder teilweise statt gegeben. Die Erfolgsquote bei Klagen beträgt trotz einer hohen Stattgabequote in den Widerspruchsverfahren nahezu 50%. Dabei wurden Verfahren nicht mitgezählt, in denen die ARGEN die Forderungen vor Gericht anerkennen; was sie häufig tun, wenn sie ein negatives Urteil befürchten. Nach Schätzungen liegt die Erfolgsquote bei Klagen gegen Widerspruchsbescheide der ARGEN incl. Erledigungen bei 70-80 %! Statt die Qualität der Leistungssachbearbeitung nachhaltig zu verbessern und die Widerspruchsstellen mit mehr und qualifiziertem Personal auszustatten, setzt die BA auf Gespräche.

Wer sich überreden lässt, seinen Widerspruch zurückzunehmen, sorgt selbst dafür, dass der Bescheid gegen den er sich wehren wollte sofort vollstreckt werden kann. Außerdem verspielt er die Möglichkeit, die Entscheidung der ARGE gerichtlich überprüfen zu lassen. Ob das, was der Mitarbeiter der ARGE im Gespräch gesagt hat, auch den gesetzlichen Vorgaben entspricht, kann niemand mehr nachprüfen. Die ARGE muss keinen Widerspruchsbescheid erlassen und kann ihre Statistik schönen, denn zurückgenommene Widersprüche können nicht mehr überprüft werden und gelten statistisch entweder als nicht eingelegt oder als zurückgewiesen.

Der Rat an alle Betroffenen kann deshalb nur lauten: Niemals übereilt eingelegte Widersprüche zurücknehmen, im Normalfall gibt es hierfür keinen vernünftigen Grund. Das Widerspruchsverfahren ist kostenlos; es können im Regelfall bei Aufrechterhaltung des Widerspruches keine Nachteile entstehen. Einen Nachteil hat lediglich die ARGE, sie hat mehr Arbeit und eine schlechte Statistik. Wird der Widerspruch aufrechterhalten, muss die ARGE einen schriftlichen Widerspruchsbescheid erlassen und schriftlich begründen, warum dem Widerspruch nicht abgeholfen wurde. Liegt diese Begründung vor, kann man sich immer noch überlegen ob man die Sache nun doch auf sich beruhen lässt, klagt oder Rechtsrat einholt. Wer hingegen seinen Widerspruch zurücknimmt und sich hinterher überlegt, dass er vielleicht doch im Recht war, wird nie erfahren, ob die ARGE rechtmäßig gehandelt hat.

Lassen Sie sich nicht einschüchtern und spielen Sie diese statistischen Fälschungsspiele der BA für Arbeit nicht mit!

Demokratie oder Zeitzer Landrecht?

Am 12.03.2009 um 17:00 Uhr fand in Zeitz eine Stadtratsitzung statt, wie sie es in dieser Form vorher noch nicht gegeben hatte.

Als Bürger wie gewohnt die öffentliche Sitzung des Stadtrates besuchen wollten, wurde ihnen von Polizisten der Einlass verwehrt. Nur wer Platzkarten vorweisen konnte wurde tatsächlich eingelassen.

Als Begründung wurde das zu erwartende große Bürgerinteresse im Zusammenhang mit der zur Abstimmung stehenden Projekte Einkaufscenter "Michaelpark" und "Lack-Lenssen" genannt. Da der Friedenssaal - in dem die Sitzungen des Stadtrates stattfinden - nur eine begrenzte Anzahl Zuschauer aufnehmen kann, ohne die Sicherheitsbestimmungen (Fluchtwege) zu verletzen, hat man sich im Vorfeld für die Vergabe von Platzkarten entschieden.

Per Verordnung ist der Öffentlichkeit aber Zugang zu den Sitzungen des Stadtrates zu gewähren. Das war nicht der Fall. Eine Möglichkeit wäre gewesen, die Sitzung des Stadtrates in Räumlichkeiten zu verlegen, die einer größeren Anzahl Bürgern die Teilnahme an der Sitzung garantiert. Schließlich rechnete man nach eigenen Aussagen von der amtierenden Oberbürgermeisterin Frau Beret und dem Vorsitzenden des Stadtrates Reinhard Sträßner mit einem Besucheransturm. so dass man die entsprechenden Vorbereitungen hätte treffen können.

Die Vergabe von Platzkarten ist zwar auch eine Möglichkeit, jedoch hätten alle Bürger vorher informiert werden müssen, wann und wo diese Platzkarten vergeben werden, damit jeder die Gelegenheit hat sich solche Karten zu besorgen. Das ist allerdings nicht geschehen!

Laut Angaben wurden die Platzkarten ab einer Stunde vor der Stadtratsitzung ausgegeben. Wer die Stadtratssitzungen regelmäßig besucht, weiß, dass der Hauptbesucherstrom etwa 20 Minuten vor Beginn der Sitzung einsetzt. Selten ist jemand schon 30 Minuten vorher anwesend.

In einem Leserbrief der Mitteldeutschen Zeitung vom 17.03.2009 berichtet M. Tietz, bereits 15.40 Uhr (also 80 Minuten vor Sitzungsbeginn) vor der Tür des Sitzungssaales gewartet zu haben, da angeblich absehbar gewesen sei, dass viele Besucher erscheinen. So war die Platzkarte als Zuschauer im Stadtrat sicher. Mehrere Beobachter bestätigten indessen, dass die Plätze überwiegend mit Leuten besetzt waren, die man sonst nie oder nur selten als Zuschauer bei den Sitzungen des Stadtrates sieht.

Kann es sein, dass eine ausgewählte Klientel Kenntnis von der vorzeitigen Vergabe der Platzkarten erhielt? Kenntnisse die anderen, vielleicht sogar unerwünschten Bürgern vorenthalten wurden? Sollten kritische Proteste im Keim erstickt werden, indem man räumliche Einschränkungen erzeugt?

Was den Umgang mit Protesten - die ja auch eine Form der demokratischen Meinungskultur sind - angeht, konnte man sich in der jüngeren Vergangenheit bereits zweimal ein Bild machen.

Da war zunächst die Protestaktion von Kindern und Jugendlichen im Rathaus zu einer Stadtratssitzung im Dezember, als die Vergabe von Leistungen für die Vereine beraten und abgestimmt werden sollte. Ohne jegliches Fingerspitzengefühl, lies die amtierende Oberbürgermeisterin Frau Beret die Polizei rufen, um das Rathaus räumen zu lassen. Wer keinen Platz unter den Zuschauern fand musste das Rathaus verlassen. Hier hätte es die Möglichkeit gegeben, sich die Probleme und Sorgen der Kinder und Jugendlichen anzuhören, die zu Recht Angst um die Zukunft ihrer Vereine haben. Aber das interessierte Frau Beret offensichtlich nicht, daher diese kühle Maßnahme. Lobend ist die Polizei zu erwähnen. Sie hat spontan eine Demonstration vor dem Rathaus erlaubt.

Ein weiteres Beispiel wie man Proteste zu unterdrücken versucht, konnte man in einer anderen Stadtratsitzung im Februar erleben. Gegner des geplanten Einkaufszentrums "Michaelpark" machten ihren Ärger über das Abstimmungsverhalten einer Stadtratsmehrheit dadurch Luft, indem sie ein Transparent mit einem Spruch entrollten, der schädigende Auswirkungen dieses Bauprojektes auf sozikulturelle Struktur der Innenstadt verdeutlichen sollte.

Auch hier lies Frau Beret die Polizei rufen, um das Transparent entfernen und die Personalien der Verursacher aufnehmen zu lassen. Angebote von Gegnern des Projekts zu Gesprächen und Diskussionen im Vorfeld wurden nicht wahrgenommen.

Sollen mit derartigen Handlungen Kritiker eingeschüchtert werden? Sieht so das Demokratieverständnis einiger Leute im Stadtrat und in der Verwaltung aus? Sind sie nicht einst angetreten um alles zum Wohle der Zeitzer Bürger und der Stadt Zeitz zu tun, und um Schaden von ihnen abzuwenden?

Das Bauprojekt "Einkaufscenter Michaelpark" wurde jedenfalls inzwischen von den Befürwortern - gegen jegliche Vernunft - im beschleunigten Verfahren durchgepeitscht!

Das geplante Einkaufscenter "Michaelpark" schadet der Zeitzer Innenstadt!

Am 12.03.2009 wurde in öffentlicher Sitzung des Stadtrates Zeitz der Bebauungsplan Nr. 16-1 "Michaelpark" von einer Stadtratsmehrheit im beschleunigten Verfahren beschlossen.

Die Stadt Zeitz hat folgendes Problem: Die realen Einkommen der Bürger sind geringer und die Einkaufsfläche (pro Kopf) ist größer als im bundesdeutschen Durchschnitt. Diese bereits jetzt sehr ungünstige Situation wird durch den Bau weiterer Einkaufscenter verstärkt. Ein so akuter Konkurrenzdruck kann für einen Händler in der Innenstadt existenzgefährdend sein. So verliert die Innenstadt weiter an Attraktivität und ihr Niedergang beschleunigt sich. Zwar ist gegen Konkurrenz zunächst nichts einzuwenden und der "Michaelpark" wird auch Besucher anlocken, aber in seiner Randlage wird die Innenstadt davon nicht profitieren, zumal alle Hauptzufahrtswege zum "Michaelpark" die Innenstadt umgehen.

21 Stadträte stimmten der Beschlussvorlage zu, 15 Stadträte stimmten dagegen, 2 Stadträte enthielten sich der Stimme:

Ja-Stimmen:
  • Binder, Hans Ulrich CDU
  • Brunn, Klaus Die LINKE
  • Büttner, Mathias CDU
  • Buzalski, Hans-Dieter CDU
  • Eschner, Annette SPD
  • Fischer, Erika Die LINKE
  • Heisig, Jost CDU
  • Holluba, Günther CDU
  • Hedrich, Herbert Zeitzer für Zeitz
  • Heller, Horst Die LINKE
  • Dr. med. Mehnert, Andreas CDU
  • Neitz, Enrico CDU
  • Dr. Pröve, Günter Die LINKE
  • Radefeld, Sabine CDU
  • Rieseberg, Angela Zeitzer für Zeitz
  • Schneider, Cornelia CDU
  • Seidelt, Elke SPD
  • Seidelt, Roland SPD
  • Sträßner, Reinhard CDU
  • Strauch, Joachim Die LINKE
  • Wetzelt, Karin CDU


Nein-Stimmen:
  • Börner, Heiko Zeitzer Bürgerb./FDP/Grüne
  • Engel, Eugen ACD
  • Exler, Andreas ACD
  • Dr. Haberkorn, Gerd Zeitzer Bürgerb./FDP/Grüne
  • Hörig, Norbert WIR-Unabhängige
  • Illgen, Thomas Die LINKE
  • Kirsten, Ute Die LINKE
  • Kutschick, Siegfried WIR-Unabhängige
  • Moser, Peter WIR-Unabhängige
  • Dr. Müller, Norbert Zeitzer Bürgerb./FDP/Grüne
  • Prüfe, Heiko Zeitzer Bürgerb./FDP/Grüne
  • Reimschüssel, Heike Die LINKE
  • Rossner-Sauerbier, Henriette Zeitzer Bürgerb./FDP/Grüne
  • Schröder, Jochen Zeitzer Bürgerb./FDP/Grüne
  • Zimmermann, Peter fraktionslos


Stimmenthaltungen:
  • Gentsch, Lothar Die LINKE
  • Schwarz, Stephan ACD


Der Offene Runde Tisch Zeitz, ORTZ




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