Montagsdemo Zeitz - Offener Runder Tisch Zeitz

Die erste Freiheit der Presse besteht darin, kein Gewerbe zu sein. (Karl Marx)

Jahrgang 1 + Nr. 04 + 1. Mai 2009

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Herausgegeben von "Offener Runder Tisch Zeitz"

Inhalt:

  1. Veränderte Angemessenheit der Kosten für Unterkunft und Heizung im Burgenlandkreis ab 01.04.2009
  2. Hohe Kinderarmut in Zeitz
  3. Wie im Wahlkampf gelogen wird, oder "Die soziale Verantwortung"

Veränderte Angemessenheit der Kosten für Unterkunft und Heizung im Burgenlandkreis ab 01.04.2009

Zum 01.04.2009 trat im Burgenlandkreis die neue Verwaltungsrichtlinie zur Feststellung angemessenen Wohnraums und angemessener Kosten für Unterkunft und Heizung gem. § 22 SGB II sowie zur abweichenden Erbringung von Leistungen gem. § 23 (3) SGB II in Kraft.

Die wichtigste Veränderung ist, dass die neue Richtlinie nunmehr endlich die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts vom 15.04.2008 berücksichtigt, dass bei der Festlegung angemessener Kosten der Unterkunft und Heizung eines Leistungsbeziehers nach dem SGB II Mieter und Eigentümer gleich zu behandeln sind. Überschreiten Hauseigentümer die festgelegten Obergrenzen für Betriebs- und Heizkosten, so sind die überschießenden Beträge mit Unterschreitungen bei den Zinsaufwendungen auszugleichen, maximal bis zur Höhe der Beträge, die für einen Mieter festgesetzt sind.

Weitergehend wurde die angemessene Wohnraumgröße für einen Ein-Personen-Haushalt in Weißenfels nunmehr den in Zeitz und Naumburg geltenden Werten angepasst. Danach beträgt die zulässige Größe jetzt 50 m² statt bisher 45 m².

Auch wurde erstmalig konkret in der Verwaltungsrichtlinie festgeschrieben, dass neben der Grundmiete und den Betriebskosten auch die Heizkosten maximal für sechs Monate zu übernehmen sind, wenn diese unangemessen sind. Auch hier musste sich der Burgenlandkreis der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts vom 19.09.2008 (B 14 AS 54/07 R) beugen.

Mit Inkrafttreten der neuen Verwaltungsrichtlinie wurde ein Teil der vom Offenen Runden Tisch schon seit längerem vertretenen Standpunkte endlich umgesetzt. Die Kreisverwaltung konnte dem von mehreren Seiten aufgebautem Druck nicht mehr standhalten, nachdem auch verschiedene Richterinnen und Richter des Sozialgerichts Halle den Burgenlandkreis zur Änderung der entsprechenden Richtlinie in eine gesetzeskonforme Fassung aufgefordert haben.

Besondere Anerkennung gilt hier der Kreistagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen - besonders dem Kreistagsmitglied Dieter Kmietczyk - welche durch konsequentes Nachfragen maßgeblich zu dieser Änderung beigetragen hat.

Der Offene Runde Tisch Zeitz tritt weiter für eine Vereinheitlichung der Kosten für die Unterkunft im gesamten Burgenlandkreis ein. Als Obergrenzen werden dabei 1,20 €/m² bei den Heizkosten und 1,10 €/m² bei den Betriebskosten angesehen. Es kann hier nicht erkannt werden, warum die Unterkunftskosten in Zeitz niedriger sein sollen, als die in Hohenmölsen, Weißenfels, Naumburg oder Nebra.

Hohe Kinderarmut in Zeitz

Es gibt Hinweise auf eine Statistik, nach der in Zeitz eine besonders hohe Anzahl von Familien mit Kindern in Armut lebt. Diese Statistik geht von über 50% Kindern in "prekären" Lebensverhältnissen aus. Ein trauriger Rekord.

Die Ursachen für diese weit verbreitete Armut sind in erster Linie fehlende Arbeitsplätze mit einer ausreichenden, existenzsichernden Entlohnung.

Die einzigen Einkommensquellen vieler Familien sind oft nur Hartz-IV und Kindergeld. Ein Teil der Betroffenen arbeitet in sogenannten 1-€-Jobs, oder sie müssen zusätzlich aufstockendes Hartz-IV beantragen, weil das "Arbeitseinkommen" zu niedrig ist.

Diese Einkommenssituation führt zu Lebensverhältnissen am Rande des Existenzminimums. Betroffene Kinder werden mit Ausgrenzung, Mangelernährung und sehr schlechten Voraussetzungen für ihre Bildung konfrontiert. Das wiederum hat sehr geringe Chancen auf dem Arbeitsmarkt zur Folge. Und für viele der betroffenen Kinder heißt das spätere Ergebnis dieser Situation folglich Hartz-IV.

Ein Teufelskreis!

Um diesen Teufelskreis aufzubrechen, müssen mindestens drei Grundvoraussetzungen geschaffen werden:
  1. Schaffung von Arbeitsplätzen mit extistenzsicherndem Einkommen!
  2. Schaffung eines gesetzlichen Mindestlohnes!
  3. Hartz IV durch eine gerechte und wirklich existenzsichernde Sozialgesetzgebung ersetzen!
Die Unterschriftenaktionen des Offenen Runden Tisches Zeitz stellen genau diese Forderungen.

Hier ist anzumerken, dass nur die Wirtschaft und nicht die Politik Arbeitsplätze schaffen kann. Die Politik kann aber die Rahmenbedingungen für die Wirtschaft und für Arbeitsplätze mit existenzsicherndem Einkommen schaffen.

Die hohe Kinderarmut in Zeitz hat inzwischen für Aufsehen gesorgt. Die Medien interessierten sich bereits für dieses Thema. Die BILD veröffentlichte vor kurzem einen Artikel mit der Schlagzeile "Die Stadt der armen Kinder". Das ZDF-Magazin WISO (Wirtschaft und Soziales) nahm sich ebenfalls dieses Themas an und lies bei betroffenen Familien in Zeitz einen Filmbeitrag drehen. Das Filmteam stieß jedoch während der Vorbereitung auf unerwartete Schwierigkeiten. Es gelang ihnen zunächst nicht, betroffene Familien für Interviews und Filmaufnahmen zu finden. Als Grund wurde oft die Angst vor dem "medialen Pranger", sowie Repressalien durch die ARGE genannt. Das Filmteam wandte sich auch an offizielle Stellen der Stadt Zeitz, ohne dass Kontakte mit betroffenen Familien hergestellt werden konnten. Wurde hier möglicherweise blockiert, weil eine unangenehme Tatsache verschwiegen werden sollte? Lobend ist zu erwähnen, dass zu den wenigen Unterstützern, die dem Filmteam bei der Suche nach betroffenen Familien behilflich waren, unter anderem die Diakonie gehört.

Letztendlich wandte sich das Filmteam hilfesuchend auch an den Offenen Runden Tisch Zeitz. Es gelang uns zumindest eine Familie für die Reportage zu gewinnen, nachdem auch wir die Verunsicherung und die Ängste vieler Betroffener kennenlernten. Doch warum diese Angst?

WISO ist als hinreichend seriöses Magazin bekannt. Viele der Betroffenen hätten hier die seltene Gelegenheit wahrnehmen können, auf ihre schlimme Situation aufmerksam zu machen. Ein Problem zu erkennen und es beim Namen zu nennen, ist nämlich der erste Schritt es zu beseitigen. Immerhin leiden unter diesem Problem über 50% der Kinder und Jugendlichen in Zeitz. Doch wenn niemand darüber reden will, entsteht nach Außen hin der Eindruck, dass es bestimmt nicht so schlimm sein kann.
Also weitermachen wie bisher?!

Wer muss denn wirklich Angst haben? Es müssen doch nur jene Kräfte Angst haben, die an dem Problem schuld oder zumindest mitschuldig sind. Diese Kräfte hätten auch ein Interesse daran, die unangenehme Wahrheit unter den Teppich zu kehren! Denn wenn diese Wahrheit ans Licht kommt, müssen sie möglicherweise dazu Stellung beziehen und Lösungsvorschläge machen. Wenn sie das aber nicht können, oder nicht wollen, wird der Schwindel offenbar. Das sollte den Betroffenen Mut geben.

Nicht betteln und bitten, nur mutig gestritten!



Wie im Wahlkampf gelogen wird, oder "Die soziale Verantwortung"

Es ist wieder soweit! In diesem Jahr stehen uns wieder Wahlen bevor. Ein Grundrecht, das jeder Bürger wahrnehmen sollte, denn es ist eine der wenigen Gelegenheiten auf das politische Geschehen Einfluss zu nehmen.

Leider sind immer mehr Bürger Anhänger der "Partei der Nichtwähler". Wie kommt das?

Politikverdrossenheit und Wahlmüdigkeit gehen mit einem immer stärker werdenden Vertrauensverlust gegenüber den Parteien, insbesondere den großen "Volksparteien" einher. Die Bürger fühlen sich und ihre Interessen nicht mehr ausreichend, oder garnicht mehr durch diese Parteien vertreten. Und dieses Gefühl täuscht die Bürger zunächst auch nicht. Denn in erster Linie vertreten diese Parteien die Interessen der wahren Machthaber im Lande. Das ist die Wirtschaft und das Finanzkapital. Deren Interessen unterscheiden sich von den Interessen des Volkes. Darüber sind sich die "Volksparteien" aber nicht erst nach der Wahl im Klaren. Angebliche "Sachzwänge" bringen sie nach der Wahl dazu, jene Versprechen, welche sie dem Volk vor der Wahl gegeben haben bewusst zu brechen. So entsteht bei einem großen Teil des Volkes die Erkenntnis: "Die machen ja doch was sie wollen! Wozu also noch wählen gehen, wenn sich dadurch nichts zum Positiven verändert?" Diese Bevölkerungsgruppe verabschiedet sich mit einem Empfinden von Ohnmacht aus dem politischen Geschehen. Leider!

Ein ganz anderer selbstbewusster Teil des Volkes ist durchaus politisch interessiert und informiert, aber leider noch in der Minderheit um große politische Veränderungen herbeizuführen. Dieser Teil des Volkes weiß, dass es außer dem Wahlrecht noch andere Möglichkeiten gibt, auf die Politik Einfluss zu nehmen. Sie besuchen die öffentlichen Sitzungen der Parlamente, beteiligen sich an Bürgerinitiativen, an Demonstrationen, an Unterschriftenaktionen, schreiben Petitionen und nutzen alle möglichen Rechtswege wenn ihnen Unrecht geschieht.
Es müssten aber viel mehr Bürger so aktiv sein!

Ein dritter großer Teil des Volkes fällt immer und immer wieder auf die gleichen verlogenen, heuchlerischen und absichtlich täuschenden Wahlversprechen herein. In blindem Vertrauen überlassen sie die Politik den vermeintlichen "Politik-Profis" und "Sachverständigen". Denn immer wenn Wahlkampf ist, erinnern sich diese großen "Volksparteien" wie CDU und SPD an ihre "soziale Verantwortung" für das Volk. Aber nach der Wahl vergessen sie diese "soziale Verantwortung" ganz schnell wieder.

Das trifft insbesondere auf die SPD zu. Diese sogenannten Sozialdemokraten versprechen nun erneut Mindestlohn und eine Überarbeitung von Hartz-IV. Die Reichen wollen sie angeblich auch stärker in die Pflicht nehmen. Und Und Und.

Aber wer hat denn die Agenda 2010 mit Hartz-IV zu verantworten? Und wer ist für die Abschaffung der Vermögenssteuer verantwortlich? Das war doch damals die Regierung von Bundeskanzler Schröder, eine Regierungskoalition aus SPD und Grünen, mit der Unterstützung von CDU und FDP!

Auch nach der kommenden Wahl werden die Bürger erneut enttäuscht werden. Im Wahlprogramm der "Sozialdemokraten" ist nichts Neues enthalten: Die Rente mit 67 soll weiterhin bestehen. Auch Hartz-IV soll weiter bestehen bleiben. Auf Auslandseinsätze der Bundeswehr zur Kriegsführung - wie in Afghanistan - will die SPD auch nicht verzichten. Und die Einführung von Mindestlohn wäre schon lange vor Hartz-IV parlamentarisch möglich gewesen, wenn die SPD ihn wirklich gewollt hätte.

Erinnern Sie sich daran, wenn sie hoffentlich wählen gehen. Denn:

Wer einmal lügt dem glaubt man nicht, auch wenn er gleich die Wahrheit spricht!
Doch wenn das Volk vergisst die Lügen, wird man es stets erneut betrügen!



Der Offene Runde Tisch Zeitz, ORTZ




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