Montagsdemo Zeitz - Offener Runder Tisch Zeitz

Die erste Freiheit der Presse besteht darin, kein Gewerbe zu sein. (Karl Marx)

Jahrgang 1 + Nr. 06 + 1. Juli 2009

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Herausgegeben von "Offener Runder Tisch Zeitz"

Inhalt:

  1. Bespitzelung von ALG II-Beziehern
  2. Rechtsstaat BRD? - Unrechtsstaat DDR?
  3. Teil 1: Wie entstand die Verfassung der DDR und wie das Bonner Grundgesetz?

Bespitzelung von ALG II-Beziehern

Mit Wirkung vom 20.05.2009 hatte die Bundesagentur für Arbeit (BA) eine neue Weisung für den Außendienst der Leistungsträger des SGB II herausgegeben, die für großen Wirbel sorgte. Die Weisung strotzte wieder vor Anweisungen zu rechtswidrigen Datenerhebungen und Leistungsverweigerungen.

So wurde als "Beweismittel" erlaubt, "Zeugen und Sachverständige zu vernehmen". Das suggeriert dem Außendienst Befugnisse von Strafermittlungsbehörden, welche dieser aber nicht hat. Als "Prüfanlass", wurde u. a. die "Überprüfung von Wohnungsverhältnissen (z. B. Wohnfläche) benannt. Dies ist rechtswidrig, denn die Leistungsträger haben weder lt. SGB II, noch einem anderen Gesetz, das Recht, vom Mietvertrag abweichende Wohnflächen festzulegen (so auch BSG - B 7b AS 10/06 R, B 7b AS 18/06 R u.v.m.).

Weitergehend soll die "Abgrenzung Bedarfsgemeinschaft/Haushaltsgemeinschaft" festgestellt werden. Hier widerspricht sich die BA selbst, denn sowohl in der Weisung (Rz 6.17) als auch im "Leitfaden Außendienst" weist die Behörde wiederholt darauf hin, dass ein Hausbesuch gerade dazu nicht geeignet ist und verweist stattdessen auf die Anlage VE. "Gespräche mit sonstigen Dritten, z. B. Nachbarn, Vermieter" sollen erhoben werden dürfen. Auch das ist unzulässig, da Daten nach § 67a SGB X zuerst beim Betroffenen zu erheben sind und derartig bei Dritten ermittelte Daten letztlich auch keinerlei rechtliche Beweiskraft besitzen.

Unter Rz 6.11 werden "Observationen bei Verdacht auf einen besonders schwerwiegenden Leistungsmissbrauch" ausdrücklich zugelassen. Eine anonyme Anzeige würde somit reichen, um solche geheimdienstlichen Maßnahmen zu rechtfertigen, denn Beweise müssen keine vorhanden sein, es reicht ja der "Verdacht". Damit habe der Außendienst - so die BA selbst - deutlich mehr Rechte als die Strafermittlungsbehörden. In welcher Form das so Erschnüffelte dann beweiskräftig sein soll, ist höchst fraglich, da z.B. die Anfertigung von Fotos durch den Außendienst als Beweis aufgrund des Rechts am eigenen Bild nicht nur unzulässig ist, sondern sogar eine Straftat darstellt, insbesondere, wenn es sich um Fotos von der Wohnung des Betroffenen handelt (§201a StGB).

Unter Rz 6.22 weist die BA darauf hin, dass wegen Verweigerung eines Hausbesuches die Leistung nicht wegen fehlender Mitwirkung (§ 66 SGB I) entzogen werden kann, verweist aber gleichzeitig darauf, dass man dem Betroffenen trotzdem wegen "nicht möglicher Sachverhaltsaufklärung" die Leistung ablehnen darf. Unter Rz 6.23 weist die BA darauf hin, dass der Betroffene das Recht hat, einen Hausbesuch jederzeit abzubrechen, dann aber dessen Leistung wegen nicht möglicher Sachverhaltsaufklärung abgelehnt werden muss. Unter Rz 6.24 wird darauf hingewiesen, dass die Durchsuchung der Schränke grundsätzlich unzulässig ist und nur mit ausdrücklicher Genehmigung des Betroffenen erfolgen kann, gleichzeitig wird wieder darauf hingewiesen, dass bei Weigerung wegen nicht möglicher Sachverhaltsaufklärung die Leistung abgelehnt werden darf. Mit der einen Hand räumt die BA den Betroffenen Rechte ein, die sie ihm mit der anderen Hand sofort wieder entzieht. Das stellt unmissverständlich klar, dass Leistungsempfänger in den Augen der BA keinerlei Bürgerrechte haben.

Aufgrund der Intervention zweier Erwerbsloseninitiativen ruderte die BA sofort zurück, es würden keine Observationen im Auftrag der BA bei den Betroffenen stattfinden. Die BA sowie das Ministerium für Arbeit und Soziales geben nach, der Passus "Observationen" wurde aus den Dienstanweisungen gestrichen. Nun mehr wolle man im "Gespräch Verdachtsmomente abschließend recherchieren".

Die beiden Erwerbsloseninitiativen hatten die Dienstanweisung scharf kritisiert. Sie sahen darin einen klaren Rechtsbruch. Observationen würden von Strafermittlungsbehörden bei schweren Straftaten eingesetzt. Hierbei benötigt auch die Polizei eine gerichtliche Anordnung. Die Befragung von Nachbarn und das Aushorchen von Kindern wurden jedoch nicht aus den Anweisungen gestrichen.

Nach dem die Dienstanweisungen der BA bekannt geworden sind, ließ diese eiligst verlautbaren, dass sich die Regelungen "zur Bekämpfung des Leistungsmissbrauchs" im Rahmen des geltenden Rechts bewegen würden und dass der Bundesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit über diese Regelung informiert gewesen wäre. Dieser kannte die Anweisungen jedoch gar nicht. Unter dem Druck musste der "Observations-Passus" zumindest vorläufig zurückgenommen werden.

Rechtsstaat BRD? - Unrechtsstaat DDR?

In diesem Jahr wird die BRD 60 Jahre alt und auch die DDR wäre 60 Jahre alt geworden. Deshalb ist dieses Thema zur Zeit in den Medien stark präsent. In der Berichterstattung über die Geschichte beider Staaten fällt aber auf, dass leider sämtliche Lebensbereiche der DDR zunehmend negativ charakterisiert werden, während die BRD stets als die beste, gerechteste und demokratischste Staatsform dargestellt wird, die uns vor 20 Jahren zuteil geworden ist.

Wir wissen, dass die DDR kein Paradies gewesen ist und dass es eine Mangelwirtschaft gab, aber es gab in der DDR Errungenschaften, von denen man heute leider nur noch träumen kann. Davon hört man allerdings nichts mehr, weil die positiven Aspekte der DDR nicht zu dem Bild passen, was man den Menschen heute von der DDR vermitteln will, um selbst besser dazustehen. Deshalb wird kübelweise Schmutz über der DDR ausgeschüttet um das was gut war zu besudeln und unkenntlich zu machen.

Wir werden dieses Thema in den nächsten Monaten in einer kleinen Serie beleuchten:

Teil 1:
Wie entstand die Verfassung der DDR und wie das Bonner Grundgesetz?

Bereits im September 1946 begannen verantwortungsbewusste Deutsche in Ost und West die Diskussion um eine demokratische gesamtdeutsche Verfassung. Aus einer Massenbewegung für die "Einheit Deutschlands und einen gerechten Frieden" in Ost und West war der deutsche Volkskongress entstanden. (Diese Volkskongressbewegung wurde Anfang 1948 in den Westzonen verboten) Im Oktober 1948 legte der deutsche Volksrat dem deutschen Volke einen Verfassungsentwurf zur Diskussion vor. Mehr als 9.000 Veranstaltungen wurden dazu durchgeführt. Es gingen über 15.000 Meinungsäußerungen ein. 503 Änderungsvorschläge führten bei den 144 Artikeln dieses Verfassungsentwurfes zu Änderungen in 52 Artikeln. Der dann aus Wahlen der Bürger der sowjetischen Besatzungszone hervorgegangene Deutsche Volkskongress verabschiedete am 30.05.1949 den Entwurf einer Verfassung für eine Deutsche Demokratische Republik. Diesen Verfassungstext, der beispiellos demokratisch zustande gekommen war, galt es zu einer Verfassung Gesamtdeutschlands zu machen. Doch dazu kam es nicht.

Vor allem die USA sowie Adenauer und Co. traten den Wunsch des deutschen Volkes nach Einheit und Frieden mit Füßen. So verlangten die Militärgouverneure der drei westdeutschen Besatzungszonen (!) bis zum 1. September 1948 die Einberufung einer verfassunggebenden Versammlung. Damit sollte die von langer Hand, seit 1946, vorbereitete Spaltung Deutschlands nach der separaten Währungsreform im Juni 1948, welche die wirtschaftliche Spaltung bewirkte, nun auch staatsrechtlich festgeschrieben werden. So bildete sich am 1. September 1948 in Bonn aus 65 Abgeordneten der westdeutschen Landtage ein so genannter Parlamentarischer Rat, der ein vorläufiges "Grundgesetz" für eine "Übergangszeit" zur einheitlichen Verwaltung Westdeutschlands ausarbeiten sollte. Als Bezeichnung des Staates wurde der Name Bundesrepublik Deutschland (BRD) gewählt, um den Anspruch auf ganz Deutschland geltend zu machen. Der in weniger als zwei Wochen zu Papier gebrachte Entwurf wurde dann am 8. Mai 1949 mit Zustimmung der westlichen Alliierten im Parlamentarischen Rat mit 53 gegen 12 Stimmen angenommen. Die Länderparlamente bekamen Gelegenheit, binnen einer Woche (!) diesem "Grundgesetz" zuzustimmen. Änderungen am Text waren ausgeschlossen! Der Artikel 144 sah ausdrücklich keine Volksabstimmung und keinen Volksentscheid über dieses Grundgesetz vor, sondern nur die Zustimmung durch die Landtage. Das Land Bayern stimmte nicht zu. Für (West-) Berlin wurde am 14. Mai 1949 das Besatzungsstatut erlassen, das bis 1990 galt. Das auf einen Militärbefehl zurückgehende, ohne das Volk vorformulierte Grundgesetz wurde am 23. Mai 1949 formell in Kraft gesetzt. Am 14. August 1949 wurden Wahlen zum Bundestag durchgeführt, der am 7. September 1949 zusammentrat. Unter Bruch des Potsdamer Abkommens hatte sich ein Staat konstituiert, dessen Grundgesetz in einer beispiellos undemokratischen Art und Weise zustande gekommen war. Es hat bis heute niemals eine dahingehende Volksabstimmung oder andere demokratische Legitimation dieses Grundgesetzes gegeben. Wir leben also nach wie vor unter einem Provisorium.

Die am 03.10.1990 durchgedrückte "Einheit Deutschlands" wurde deshalb auch nicht über den im Grundgesetz ausdrücklich dafür vorgesehenen Artikel 146 realisiert, sondern über die für die Wiedervereinigung gerade nicht vorgesehene Beitrittsregelung des Artikels 23. Dies war und ist Verfassungsbruch! Es zeigt deutlich, wenn Politik dominiert, gelten Recht und selbst ein Grundgesetz nichts. Damit entlarven sich die politisch Herrschenden als Feinde wirklicher Demokratie, denn allgegenwärtig ist die Angst vor dem Volk, die Scheu vor Plebisziten (Volksabstimmungen), oder plebiszitären Elementen.

Nachdem die Ostdeutschen durch die westliche Spaltungspolitik gezwungen waren, ihren eigenen Staat zu gründen, konstituierte sich der Deutsche Volksrat als Volkskammer und setzte am 7. Oktober 1949 den demokratisch zustande gekommenen Text der für Gesamtdeutschland ausgearbeiteten Verfassung als Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) in Kraft. Die DDR-Bürger waren dann auch bei allen anderen bedeutenden Gesetzen einbezogen. Diese wurden mit den Bürgern erörtert und vorbereitet. Sie waren verständlich, bürgerfreundlich und volksnah abgefasst. Besonders erfolgreich wirkten die Gesellschaftlichen Gerichte, denn ihnen war Rechtsprechung übertragen worden. So etwas gab es nirgends auf der Welt! Beim Gericht konnten auch unentgeltliche (!) Rechtsauskünfte eingeholt werden.

Je länger das Bestehen der DDR zurückliegt, desto deutlicher wird, was sie dem einfachen Menschen, dem Werktätigen bot, und was ihnen z. B. im Arbeitsrecht, im Mietrecht und im Familienrecht 1990 genommen wurde. Genommen wurde ihnen aber auch der sichere Arbeitsplatz, stabile Preise und Mieten, unentgeltliche Gesundheitsvorsorge, Bildungsmöglichkeiten, auch für Kinder von Werktätigen.

Es ist übrigens kein einziges juristisches Recht bekannt, das Bürger der DDR, vor allem die Werktätigen, durch den "Beitritt" gewonnen hätten.

Eben deshalb z. B. sehen sich die Herrschenden dieser BRD genötigt, vor einer "Verklärung der DDR" zu warnen. Eben deshalb werden Kübel von Lügen über die DDR verbreitet.



Der Offene Runde Tisch Zeitz, ORTZ




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