Montagsdemo Zeitz - Offener Runder Tisch Zeitz

Die erste Freiheit der Presse besteht darin, kein Gewerbe zu sein. (Karl Marx)

Jahrgang 1 + Nr. 07 + 3. August 2009

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Herausgegeben von "Offener Runder Tisch Zeitz"

Inhalt:

  1. Bekämpfung von Kinderarmut "á la Bundesregierung"
  2. Anspruch auf Beratungshilfe
  3. Rechtsstaat BRD? - Unrechtsstaat DDR? Teil 2: Einige Fakten zur BRD und DDR
  4. So erlebten wir die DDR - Ein Tatsachenbericht
  5. 5 Jahre Montagsdemo Zeitz
  6. Epilog - Ich widme diese allerletzten Zeilen ...

Bekämpfung von Kinderarmut "á la Bundesregierung"

§ 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II bestimmt, dass Kinder nicht zur Bedarfsgemeinschaft gehören, wenn sie ihren Lebensunterhalt aus eigenem Einkommen und Vermögen sicherstellen können. Sie sind also nicht hilfebedürftig im Sinne des SGB II. Das ist der Fall, wenn das Einkommen ihren Bedarf übersteigt. Der Bedarf berechnet sich aus dem jeweiligen Regelsatz, gegebenenfalls Mehrbedarfszuschlägen und dem Prokopfanteil der Unterkunfts- und Heizkosten.

Es laufen derzeit einige ministeriale und behördliche Anstrengungen, Kinder über den Mechanismus des § 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II auf die vorrangige Leistung Wohngeld zu verweisen. Im Ergebnis bedeutet dies eine Verschiebung der zuvor Sozialgeld beziehenden Kinder von 0 bis 14 Jahren in das Wohngeld.

Mit Blick auf die Wahlen werden ein Teil der derzeit rund 1,8 Mio. Hartz IV-Kinder über Unterhalt/UVG, Kindergeld und Wohngeld alimentiert. Ein kurzfristiger Erfolg der Bundesregierung, aber nur fürs Auge: Es ist offensichtlich einfacher, die Kinderarmutsstatistik zu frisieren als die Kinderarmut selbst zu bekämpfen.

Bei dieser "Bereinigung" der Kinderarmutsstatistik fallen die Kinder mit Unterhalts/UVG, Kindergeld und Wohngeld knapp aus dem Leistungsbezug und der so frei werdende Teil des Kindergeldes wird bei den kindergeldberechtigten ALG-II-beziehenden Eltern angerechnet. Die Ursachen für Kinderarmut indes bleiben unangetastet, lediglich der schnelle statistische Erfolg zählt. Man könnte es auch Taschenspielertrick nennen.

Anspruch auf Beratungshilfe

Das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluss vom 11.05.2009, Aktenzeichen -1 BvR 1517/08 festgestellt, dass auch Empfänger von ALG-II-Leistungen Anspruch auf Beratungshilfe nach dem Beratungshilfegesetz in Leistungsangelegenheiten haben. Die "Argumentation" der ARGEn wurde abgewiesen, der Rechtssuchende könne sich von der Behörde beraten lassen - die zuvor einen fehlerfaften Leistungsbescheid erstellte. Es sei fraglich, ob die Beratung ein anderes Ergebnis liefert als der bereits erlassene Bescheid. Das sei nicht zumutbar!

Rechtsstaat BRD? - Unrechtsstaat DDR? - Teil 2

Mit Blick auf die DDR sprechen die meisten Medien heute von einem "Unrechtsstaat". Die BRD wird stets als ein "freiheitlicher Rechtsstaat" bezeichnet. Doch bei genauer Betrachtung der BRD tauchen unweigerlich Fragen auf. Steht etwa Hartz-IV einem "freiheitlichen Rechtsstaat" gut zu Gesicht? Ist es in einem "freiheitlichen Rechtsstaat" üblich, dass manche Menschen für nur 1 €/h arbeiten müssen? Ist es in einem "freiheitlichen Rechtsstaat" und einem der reichsten Länder der Welt wie der BRD wirklich nicht anders möglich, als dass Kinder in Armut leben müssen, während man zur Rettung im Finanzkapitalismus gescheiterter Banken 500 Milliarden € versenkt? Sind das die Merkmale eines "freiheitlichen Rechtsstaates"? Fühlen Sie sich in solch einem Staat wohl?

Wir setzen unsere Serie mit dem Vergleich einiger sozialer Lebensbereiche von BRD und DDR fort:

Einige Fakten zur BRD und DDR

"Freiheitlicher Rechtsstaat BRD" "Unrechtsstaat DDR"
kein Recht auf Arbeit, hohe Arbeitslosigkeit, reduzierter Kündigungsschutz Recht auf Arbeit in der Verfassung verankert, keine Arbeitslosigkeit
Frauen erhalten mindestens 20% Einkommen weniger Gleicher Lohn für gleiche Arbeit
keine einheitliche Arbeitszeitregelung Wochenarbeitszeit 40 Stunden
mangelhafter Arbeitsschutz regelmäßige Arbeitsschutzlehrgänge
Jedes Jahr erhält eine hohe Zahl Schulabgänger gar keine Lehrstelle Recht auf Berufsausbildung, jeder erhielt eine Lehrstelle
Schulsystem veraltet, jedes Bundesland hat eigene Lehrpläne, Schulsystem Finnlands wird als fortschrittlich bewundert Das "finnische" Schulsystem wurde in der DDR erfunden und von Finnland übernommen.
Lehrstellendefizit Recht auf Berufsausbildung
geminderte Qualifizierungsmöglichkeiten Ausgereiftes Erwachsenenqualifizierungssystem
Studiengebühren für Studenten sind in vielen Bundesländern heute Realität. kostenfreies Studium
rückzahlungspflichtiges BAföG nicht rückzahlungspflichtige Stipendien
keine Unterstützung Studenten-Ehen mit Kind hatten Anspruch auf eine 1-Raum-Wohnung
keine Garantie für Wiedereinstellung Wiedereinstellung nach dem Mutterjahr gesetzlich garantiert
keine Starthilfe für junge Ehepaare Ab dem Jahr 1972 gab es 5.000 M Ehekredit für junge Ehepaare
Kinderarmut nimmt zu, viele können sich sogar die Schulspeisung nicht leisten Kinderarmut gab es nicht, Schulspeisung war so günstig, dass sie sich jeder leisten konnte
Renteneintrittsalter 67 Jahre Renteneintrittsalter
Frauen: 60 Jahre
Männer: 65 Jahre

So erlebten wir die DDR
Ein Tatsachenbericht

40 Jahre Recht auf Arbeit, Recht auf Qualifizierung und Weiterbildung im Beruf, Recht auf Entlohnung nach Leistung und Ausbildung. Keine Angst vor Arbeitslosigkeit. Diese Grundrechte wurden jedem DDR-Bürger in der Verfassung garantiert. Die Begriffe Obdachlose und Sozialhilfeempfänger kannte ich in der DDR nur aus dem Fernsehen und Radio, wenn über die BRD berichtet wurde. Heute erlebe ich sie hautnah in meiner Stadt.

In einer Industriestadt von einst ist durch Vernichtung von Betrieben mit hohen Exportleistungen, wie ZEMAG, Zitza, Wäscheunion, um nur einige zu nennen, das Elend des Kapitalismus über uns hergefallen. Die Profitsucht des Kapitals hat so viel Elend über unsere Bevölkerung gebracht, wie wir uns nicht vorstellen konnten nach 40 Jahren Sozialismus. Das Schlimmste für mich war, als ich im Juni 95 vor der Tür des "Arbeitsamtes" mit meinen Entlassungspapieren stand. Ich habe mich im Vorraum gegenüber den anderen Wartenden geschämt, dass ich um Arbeit betteln muß. Ein Mensch, der in allen Berufen - Maschinenschlosser, BMSR-Mechaniker, E-Meister - im Leben seinen Mann stand, wird nun mit 50 Jahren nicht mehr gebraucht. Nun stehe ich kurz vor der Frührente und muß die letzten 15 Jahre als vertan und inhaltlos einschätzen.

Deshalb habe ich Angst um die nachfolgenden Generationen, die Kinder, die Enkelkinder. Sollen sie ihr ganzes Leben Angst vor Arbeitslosigkeit, Angst vor Obdachlosigkeit, Angst vor vor Altersarmut haben?

Nein, nicht dafür habe ich in der DDR gearbeitet, habe mich voll politisch für die soziale Gerechtigkeit eingesetzt. Was wir 40 Jahre lang vorgelebt und durchgesetzt haben, soziale Sicherheit, kulturelle Entfaltung für alle, dafür stehe ich auch heute ein. Weil ich einen Staat möchte, der für seine Menschen da ist und nicht für Kapitalinteressen und gegen die arbeitenden Menschen.

Siegfried Kutschick



5 Jahre Montagsdemo Zeitz

Am 24. August bestehen die Zeitzer Montagsdemos 5 Jahre. Einige unserer Forderungen wurden schon durchgesetzt, unser Hauptziel - die Abschaffung von Hartz-IV - liegt noch vor uns. Wir werden dieses Hauptziel nicht aufgeben und uns auch weiterem Demokratie- und Sozialabbau entgegenstellen; wir wollen an diesem Tag verdeutlichen, dass uns diese 5 Jahre nicht ermüdet, sondern immer weiter angespornt haben. Und wir werden auch weiterhin Montag für Montag für unsere Ziele eintreten.

Wir laden euch herzlich ein, an diesem Tag mit uns gemeinsam zu demonstrieren.

Beginn am 24.08.2009 um 17:00 Uhr
auf dem Schützenplatz in Zeitz

Bei genügend großer Teilnehmerzahl wird es einen Demonstrationsmarsch durch Zeitzer Straßen geben.

Wir haben prominente Redner eingeladen:
  • eine Bundestagsabgeordnete
  • OB Dr. Kunze
Für musikalische Begleitung sorgt die Singegruppe "LötSinn".
Der Förderverein "Historisches Zeitzer Kochbuch e. V. wird die Teilnehmer mit nichtalkoholischen Getränken, Eintopf und Eierkuchen (gegen eine kleine Spende) versorgen.

Wir freuen uns auf euer zahlreiches Erscheinen bei der Zeitzer Montagsdemo.

GEMEINSAM SIND WIR STARK!


Epilog

Ich widme diese allerletzten Zeilen
der allerersten deutschen Kanzlerin,
um ihr, gereimt, persönlich mitzuteilen,
wie tief enttäuscht ich "Ossi" von ihr bin.

Ach, "ÄNJELA", du Engel aus dem Osten,
wie hast du es so herrlich weit gebracht;
vom Thälmann-Pionier zum höchsten Posten
des Staats, und noch dazu auf Volkes Kosten.
das heißt, der Arbeiter-und-Bauern-Macht.

An Höhenluft muss man sich sacht gewöhnen,
zu schneller Aufwärtstrieb macht taub und blind;
man lauscht berauscht den eignen Harfentönen
und überhört das Murren und das Stöhnen
der vielen, die da unzufrieden sind.

Du redest klug, doch hast Du nichts zu sagen.
Die Bosse sind es, die das Land regiern;
und während, wie in Wirtschaftswundertagen,
die großen Haie sich den Bauch vollschlagen,
gehst Du beim kleinen Manne abkassiern.

Du kannst in unserm Lande nichts mehr ändern;
selbst wenn du wolltest, niemand hielte still.
Das Vaterland besteht aus sechzehn Ländern
mit eignen Fahnen, Schärpen, Ordensbändern,
und jedes Ländle macht da, was es will.

Genug geklagt. Du bist nicht zu beneiden.
dein "Job" ist alle andre als bequem.
Wo Geld regiert, läßt es sich nicht vermeiden,
daß einer praßt und andre Hunger leiden.
Nicht DU bist Schuld, die Schuld liegt im System.

Walter Meyer (2007)



Der Offene Runde Tisch Zeitz, ORTZ




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