Montagsdemo Zeitz - Offener Runder Tisch Zeitz

Die erste Freiheit der Presse besteht darin, kein Gewerbe zu sein. (Karl Marx)

Jahrgang 1 + Nr. 11 + 23. November 2009

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Herausgegeben von "Offener Runder Tisch Zeitz"

Inhalt:

  1. Was gibt's neues vom "Michaelpark"?
  2. Hartz IV verfassungswidrig?
  3. Forderungen zur Zukunft der Bundeswehr.
  4. Rechtsstaat BRD? - Unrechtsstaat DDR? - Teil 4.3: Klassenjustiz konträr. DDR-BRD-Vergleich: Unrecht im Rechtsstaat - Recht im Unrechtsstaat

Was gibt's neues vom "Michaelpark"?

Vor wenigen Wochen begann der Bau des umstrittenen Einkaufscenters "Michaelpark" auf dem Gelände der ehemaligen Artilleriekaserne am Rande von Zeitz.

Derzeit kursieren Gerüchte in Zeitz, der ehemalige Vorsitzende des Zeitzer Stadtrates Reinhard Sträßner sei als Bauleiter des Projekts beschäftigt. Herr Sträßner war während der vergangenen Amtsperiode des Zeitzer Stadtrates ein vehementer Verfechter des Projektes "Michaelpark".

Das Projekt geriet in die Schlagzeilen, da ihm eine überaus schädliche Wirkung auf die Zeitzer Innenstadt prognostiziert wurde. Tatsächlich haben nun zwei bedeutende Händler ihren Wechsel von der Innenstadt in den Michaelpark signalisiert. Dies wird eine innenstadtschädliche Kaufkraftumleitung mit Synergieeffekt bewirken.

Mit diesem Szenario vor Augen stimmte eine Stadtratsmehrheit dennoch für den Bau des Michaelparkes. Unter anderem auch der damalige Vorsitzende Reinhard Sträßner.

Und nun soll er dort als Bauleiter beschäftigt sein? Wenn das zutrifft, dann hätte sich das "Ja" für den Michaelpark zumindest für einen Zeitzer kräftig gelohnt.

Uns interessiert sehr, ob diese Gerüchte der Wahrheit entsprechen! Früher oder später wird es ohnehin bekannt werden.

Hartz IV verfassungswidrig?

Am 20.10.2009 wurde vorm Bundesverfassungsgericht über die Regelsätze verhandelt. Der Präsident des Gerichts, Prof. Dr. Dr. H.-J. Papier legte dar, entgegen einigen Pressemitteilungen gehe es sowohl um die Regelsätze für Erwachsene als auch um die für Kinder. Das Verfassungsgericht sieht durch Hartz IV die Menschenwürde sowie das Sozialstaatsgebot eventuell verletzt.

Die Bundesregierung war nicht in der Lage, den Richtern die rechtskonforme Bemessung der Regelsätze nachzuweisen. Sie blamierte sich gemeinsam mit dem Statistischen Bundesamt durch langatmiges Vortragen. Die Richter betrachteten das mehrheitlich als Täuschungsversuch und ließen dies die Vertreter der Bundesregierung auch mit höflichem, dafür aber umso schärferem Spott spüren.

Mehrere Sozialverbände zogen in der Verhandlung ihre bisherige Zustimmung zu den Regelsätzen zurück und begründeten, der von der Bundesregierung geäußerte Sachverhalt habe für schwere Bedenken betreffend der Verfassungskonformität und Rechtmäßigkeit der Bemessung der Regelsätze gesorgt.

Die Kläger meinen, das Bundesverfassungsgericht wird die Regelsätze sowohl für Kinder als auch für Erwachsene für verfassungswidrig erklären.

Forderungen zur Zukunft der Bundeswehr

Die Bundeswehr (BW) muss eine grundgesetztreue angriffsunfähige Verteidigungsstreitmacht sein anstatt weltweit einsetzbar umgebaut zu werden. Sie darf nicht weiterhin NATO- oder EU-Doktrinen unterstellt bleiben. Die Termini Vorneverteidigung, Präventionsschläge, schnelle Eingreiftruppen sind Umschreibungen für Aggressionshandlungen. Und Aggressionshandlungen sind untaugliche Mittel für den grundgesetzlich zugewiesenen ausschließlichen Verteidigungscharakter der BW.

BW-Auslandseinsätze haben grundsätzlich zu unterbleiben, militärische Aktionen und Operationen der BW im Ausland sind sofort einzustellen. Die Rückführung aller Einheiten nach Deutschland hat auf dem schnellsten Weg zu erfolgen.

Die Bundeswehr muss eine Parlamentsarmee bleiben, ihr Einsatz darf nicht der gemeinsamen Verantwortung von Bundestag und Bundesrat entzogen werden. Der Lissaboner Vertrag legt auch diesbezüglich grundgesetzwidrige Maßstäbe an: Der Vertrag ermächtigt zu Militärmissionen (Militäreinsätzen) der EU allein den Europäischen Rat. Die Mitgliedsstaaten müssen dann Soldaten für diese Einsätze freistellen, ohne (!) dass die nationalen Parlamente - hier der Bundestag - dem widersprechen könnten.

Das Grundgesetz jedoch betraut Bundestag und Bundesrat gemeinsam - nur bei ihrer unüberwindlichen Verhinderung und nur vorläufig deren Gemeinsamen Ausschuss - mit der alleinigen Entscheidung über den BW-Einsatz. Der Spruch des Bundesverfassungsgerichts zum Lissaboner Vertrag biegt Unrecht in Recht um - das ist eine Pervertierung des Rechts!

Die BW darf auch keine Berufsarmee werden, sondern muss mittels Wehrgerechtigkeit stärker in der Bevölkerung verankert sein, anstatt sich weiterhin von ihr zu entfernen. Eine Berufsarmee wäre eine Söldnertruppe und könnte auch problemloser entsprechend der gültigen EU- und NATO-Militärdoktrin zu Auslandseinsätzen, Kriegführung im Ausland, Aggressionshandlungen gegen andere Länder und Völker und zu Einsätzen im Inneren der Bundesrepublik - also gegen das Volk selbst - genutzt werden. Dafür gibt es geschichtliche Beispiele.

Rechtsstaat BRD? - Unrechtsstaat DDR?
Teil 4.3: Klassenjustiz konträr
DDR-BRD-Vergleich: Unrecht im Rechtsstaat - Recht im Unrechtsstaat

Von Friedrich Wolff

Gewährleistung des Rechts

Würde der Rechtsstaatsbegriff so definiert werden, wie ihn der juristische Laie versteht, würde er Auskunft darüber geben, in welchem Staat Unrecht häufiger geschah, würde der Vergleich der BRD mit der DDR etwas anders ausfallen. Doch dieser Vergleich wird nicht gezogen. Der DDR-Bürger hat im Gegensatz zum BRD-Bürger Erfahrungen in den beiden deutschen Staaten. Er vergleicht sehr wohl. Das wird dann »Ostalgie« geschimpft. Zu seinen ersten Ausgaben nach dem Anschluß gehörten die einbruchshemmenden Türen. Polizeischutz für Schulen, Todesfälle in der Polizeiobhut fanden im »Unrechtsstaat« nicht statt. Mehrfache Selbstmorde im politischen Knast wie in Stammheim von RAF-Beschuldigten gab es nicht.

Die Statistik spiegelt die Unterschiede wider. Professor Erich Buchholz teilte 2001 folgende Angaben über die Zahl der Straftaten in beiden deutschen Staaten mit. Berechnet auf jeweils 100000 Einwohner ergibt sich danach folgendes Bild der sogenannten Kriminalitätsbelastung:

Jahre BRD DDR mal soviel
1960 3660 806 4 ½
1970 3942 640 6 ½
1980 6198 772 8 ½
1987 7269 690 10 ½

Buchholz resümiert: »Mithin kam in den letzten Jahren der DDR auf einen Bundesbürger eine mehr als zehnfache Kriminalitätsbelastung als in der DDR.«9 Der informierte Bundesbürger weiß natürlich, die DDR-Statistik lügt und glaubt den Zahlen nicht. Manche DDR-Bürger werden ihnen glauben, sie haben entsprechende Erfahrungen.

Nicht jedes Unrecht ist eine Straftat. Unrecht geschieht auch auf dem Gebiet des Zivilrechts, Schuldner zahlen nicht, Verkäufer liefern schlechte Ware, Handwerker leisten mangelhafte Arbeit usw. Dieses zivilrechtliche Unrecht wird von der Statistik nicht erfaßt. Indirekt spiegelt es sich jedoch in der Gerichtsstatistik wider. Sie verzeichnete z. B. im Jahr 2008 in der BRD 1498767 Neueingänge bei den Amtsgerichten und 438974 bei den Landgerichten. Andreas Henselmann berichtet, »daß im Jahr 2007 1263012 bei den Amtsgerichten der Bundesrepublik anhängig gemacht wurden. Bei den Landgerichten waren es in der ersten Instanz 373331. (...) 2007 gab es über 565 780 Familien-, über 454000 Arbeitsgerichtsverfahren sowie über 308000 Verfahren vor den Sozialgerichten. Im Jahr 2005 (andere Zahlen sind noch nicht veröffentlicht - F. W.) wurden 154317 Verfahren von den Verwaltungsgerichten, über 82400 Verfahren vor den Finanzgerichten verhandelt. (...) Grob geschätzt ergibt das pro Jahr über vier Millionen Verfahren.« Soweit die Ausführungen des Berliner Rechtsanwalts im Berliner Anwaltsblatt vom Mai 2009 unter dem bezeichnenden Titel: »Unser Rechtsstaat. Eine kritische Kurzbetrachtung«. Zusammenfassend erklärt Henselmann: »Weder die Gerichte noch die Staatsanwaltschaften und auch nicht die Rechtsanwälte sind unter den jetzigen Bedingungen in der Lage, Ansprüche an ein modernes Rechtswesen zu erfüllen.«

Das ist aber nur ein Aspekt dieses Sachverhalts. Ein anderer ist der Umfang, den das Unrecht hat, das nicht zu den Straftaten gezählt wird. Über vier Millionen Verfahren bedeuten, daß mehr als acht Millionen Parteien betroffen waren. Denn jede Partei kann nicht nur aus einer, sondern auch aus mehreren juristischen oder natürlichen Personen bestehen. Und hinter jedem Prozeß steht wenigstens eine von dieser oder jener Partei begangene Rechtsverletzung. Immer mehr Menschen mißachten immer häufiger im Rechtsstaat das Recht.

Leider hat die DDR entsprechende Zahlen nicht veröffentlicht. Vielleicht glaubte auch sie, die geringe Zahl von Gerichtsverfahren sei ein Indiz für wenig Recht. Dem ist jedoch offensichtlich nicht so. Freiwillig eingehaltenes Recht ist besser als zwangsweise durchgesetztes. Um wieviel geringer die Zahl der Zivilrechtsverfahren in der DDR als in der BRD war, läßt sich nur aus anderen Tatsachen schließen. So waren zum Beispiel in der DDR 1965 241 Direktoren und 630 Richter der Kreisgerichte tätig.10 Dazu kamen noch die Richter an den Bezirksgerichten, die Hilde Benjamin, Justizministerin der DDR, für 1964 mit 242 angibt, und eine mir unbekannte Zahl von Richtern am Obersten Gericht. Sollten das 200 gewesen sein, so hätte es in der DDR allenfalls 1313 Richter gegeben. In der Bundesrepublik amtierten nach dem Statistischen Jahrbuch 2000 an den ordentlichen Gerichten 15547 und an den Arbeitsgerichten 1163 Richter, und die waren noch überlastet. Das bedeutet also, daß die Bundesrepublik gerechnet auf den Kopf der Bevölkerung etwa 12,5mal soviel Richter besaß wie die DDR. Die DDR-Statistik war also in diesem Punkt so falsch nicht.

Im Arbeitsrecht unterscheiden sich Rechts- und Unrechtsstaat besonders kraß. Benjamin berichtet in ihrer Geschichte der Rechtspflege in der DDR, daß es dort im Arbeitsrecht 1964 9125 und 1971 6842 Gerichtsverfahren gab. Das Statistische Jahrbuch der BRD 1965 verzeichnet für das Jahr 1962 187347 Neueingänge und für 1963 195343. Es gab also im Rechtsstaat 20mal soviel Arbeitsrechtsstreitigkeiten wie im Unrechtsstaat bei einer nur zirka 3,5fach größeren Bevölkerung. Über die Ursachen dieser Differenz zwischen Rechts- und Unrechtsstaat berichtet der Kölner Journalist Werner Rügemer unter der vielsagenden Überschrift »Arbeits-Unrecht, Arbeits-Unfrieden«.11

  1. Offensiv: Sozialismus und Kriminalität, 3/2001, S. 13
  2. Siehe Hilde Benjamin: Zur Geschichte der Rechtspflege der DDR, Berlin 1986, S. 113
  3. Werner Rügemer: Arbeits-Unrecht, Arbeits-Unfriede, in Ossietzky, Heft 10/2009, S. 371
Friedrich Wolff war mehrfach Vorsitzender des Berliner Rechtsanwaltskollegiums in der DDR. In Deutschland verteidigte er Erich Honecker vor Gericht. In der Edition Ost erschien in diesem Jahr von ihm »Verlorene Prozesse«

(Quelle: Tageszeitung "Junge Welt" vom 10.07.2009)

Fortsetzung folgt in der nächsten ORTZkunde.



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