Montagsdemo Zeitz - Offener Runder Tisch Zeitz

Die erste Freiheit der Presse besteht darin, kein Gewerbe zu sein. (Karl Marx)

Jahrgang 2 + Nr. 02 + 1. Februar 2010

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Herausgegeben von "Offener Runder Tisch Zeitz"

Inhalt:

  1. 5 Jahre Hartz IV. Das Armutsbeschleunigungsgesetz
  2. Zeitzer Rampenlicht
  3. An die Gleichgeschalteten (Bertold Brecht)

5 Jahre Hartz IV
Das Armutsbeschleunigungsgesetz

Nach 5 Jahren Hartz IV kann man mit Fug und Recht feststellen, Hartz IV wirkt. Diese unselige Reform wirkt so, wie es sich die deutsche "Wirtschaft" einst wünschte. Die "Arbeitsbereitschaft" der Menschen ist größer geworden, sie sind "williger" geworden. Selbst Hochqualifizierte nehmen nun jedes Jobangebot zu noch so schlechten Konditionen an. Die rigide Sanktionspolitk macht viele Arbeitslose auch erpressbar.

Arbeitsmarktpolitisch entpuppt sich die "Reform" als Rohrkrepierer mit zahlreichen Nebenwirkungen. So gibt es einen Zusammenhang zwischen Hartz IV und Niedriglöhnen, denn immerhin bereits 1,3 Millionen Erwerbstätige erhalten so wenig Entgelt, dass sie ihr Arbeits"einkommen" mit Hartz-IV-Leistungen "aufstocken" müssen. Oftmals werden Hartz-IV-Betroffene auf Probe beschäftigt und finden sich sofort im örtlichen Jobcenter wieder, sobald mit ihnen ein regulärer Arbeitsvertrag abgeschlossen werden müsste. Zahlen belegen, dass der Ausstieg aus Hartz-IV nur selten gelingt und "Problemgruppen", wie Geringqualifizierte, Langzeitbezieher, Migranten und alleinerziehende Frauen beinahe unvermittelbar sind. 19,5 % der Ost- und 13,1 % der Westdeutschen sind von Armut bedroht bzw. davon betroffen.

Das "Wachstumsbeschleunigungsgesetz" wird die Spaltung zwischen Arm und Reich weiter verschärfen, weil davon diejenigen besonders profitieren, die ohnehin schon am meisten haben und die Ärmsten gehen wieder leer aus. Damit wird auch die soziale Spaltung in Deutschland verschärft. Andererseits reduziert sich die Zahl der sozial abgesicherten Vollzeitarbeitsstellen immer weiter. Zur Zeit sind das 5,7 % (1,36 Millionen) weniger als 1999. Die Zahl der Teilzeitbeschäftigten nahm um 36 % (1,33 Millionen) auf 5 Millionen zu. Die Zahl der Minijobs wuchs innerhalb der der letzten 6 Jahre um fast 29 % auf 7,1 Millionen. Das beweist auch, die Krise schlägt voll auf den "Arbeitsmarkt" durch, entgegen allen Behauptungen der Herrschenden.

Die großen Wirtschaftsinstitute sehen im Gegensatz zu den "Sach- und Fachverständigen" der Regierung keinen neuen Aufschwung kommen, weil die Krise nach einhelliger Meinung dieser Experten noch längst nicht überwunden ist. Die Einbrüche des Jahres 2009 (bis zu 5 % beim Bruttoindustrieprodukt) wird die deutsche Wirtschaft auf Jahre nicht wett machen können; z. B. ist auch bei den Gesamtexporten im Jahr 2009 ein Minus von 18 % zu verzeichnen. Dazu kommt das von der Banken- und Wirtschaftskrise gerissene Loch von nahezu 100 Milliarden €, beinahe 80 Milliarden höher als 2008.

Deshalb hat sich auch Frau von der Leyen - damit mehr "rausgeholt" werden kann - für ein konsequenteres Vorgehen gegen "arbeitsunwillige" Hartz-IV-Empfänger ausgesprochen. Es müssten die bestehenden Sanktionsmöglichkeiten greifen. Dreist wird auf den ärgsten Opfern der gesellschaftlichen Verhältnisse herumgetrampelt, welche ohnehin schon ganz unten stehen, anstatt sich ernsthafte Gedanken zu machen, wie nun endlich Hartz-IV abgeschafft bzw. bessere Bedingungen geschaffen werden. Es ist eine Bagage, die an den Hebeln der Macht sitzt!

Bei diesen Leuten ist klar zu erkennen, auf wessen Seite sie stehen. Kein Gesellschaftssystem funktioniert ohne Nutznießer, sei es gerecht oder ungerecht. Wir leben aber in einem zutiefst ungerechten Gesellschaftssystem mit nur ganz wenigen Nutznießern und da gucken ganz viele in die Tonne, besonders die eigentlichen Leistungsträger der Gesellschaft. Das sind die Krankenschwester, der Fernfahrer, der Monteur, der Ingenieur und andere Arbeitende und nicht etwa Bankmanager, Insolvenzverwalter und Grundstücksspekulanten, die gerne, aber unberechtigt, als Leistungsträger bezeichnet werden.

Aber das Gesellschaftssystem dient den wenigen Nutznießern, also braucht es Leute, die deren Interessen durchsetzen. Sie sind nichts anderes als Lakaien des Kapitals, Lakaien dieser Klasse. Sie werden bestochen und korrumpiert, bekommen ungerechtfertigt hohe Einkommen und Privilegien, verlieren jede Bodenberührung. Und dafür verkaufen sie ihr Volk. Es ist nur traurig, dass sie immer wieder gewählt werden.

Zeitzer Rampenlicht

Wer die Zeitzer Presse-Medien-Welt verfolgt, dem fällt sicher auf, dass unser neuer Oberbürgermeister dort von einem sehr, sehr wohlwollenden und wärmenden Licht angestrahlt wird.

Er ist noch kein Jahr im Amt, doch nach den Mediendarstellungen bewegt er sehr viel mehr Dinge zum Positiven, als alle seine Amtsvorgänger. Aufmerksame Zeitzer Bürger fragen sich jedoch: Was ist wirklich dran an den "Ergebnissen"?

Straßenbau: Etliche Straßenbauprojekte wurden begonnen oder beendet, seit wir den neuen OB haben. Zwar fällt die Ausführung in seine Amtszeit; beraten und beschlossen wurden diese Projekte jedoch in der Zeit davor. Mit anderen Worten: Er erntet, was andere säten und hegten!

Verwaltung: Die Verwaltung wird modernisiert und umstrukturiert. Eine moderne Verwaltung mit moderner Technik ist wichtig. Diesen Pluspunkt kann unser neuer OB zu Recht für sich beanspruchen. Umstrukturierung bedeutet jedoch auch Personalabbau. Als Grund werden der Zwang zur Einsparung von Kosten genannt. Dann ist aber zu fragen: Warum wurde zugleich die nicht billige Kostenstelle des Bürgermeisters (Beigeordneter) besetzt? Es ergibt keinen wirtschaftlichen Sinn, wenn an der einen Stelle Geld eingespart wird, um es an anderer Stelle unnötig auszugeben. Dabei bezweifelt hier niemand die Fähigkeiten des Beigeordneten, aber wir brauchen ihn nicht. Dessen Aufgaben kann unser Oberbürgermeister gewiss selbst erledigen, wie in anderen vergleichbaren Städten üblich.

Innenstadt: Bisher wurde noch keine überzeugende Lösung gefunden, um die Attraktivität der Innenstadt zu steigern. Das im Bau befindliche Einkaufscenter "Michaelpark" am Rande der Stadt wird nach der Inbetriebnahme zu einer deutlichen Verminderung des innerstädtischen Besucherstroms und dieser Geschäftsumsätze führen. Die Gelassenheit des Oberbürgermeisters in dieser Angelegenheit ist nicht nachvollziehbar. Es wäre erforderlich, schleunigst Maßnahmen anzukurbeln, die dem Michaelpark Paroli bieten.

Entlastung der Bürger: Im Wahlkampf wurden Entlastungen für die Bürger versprochen. Wo sind sie??? Stattdessen müssen wir ganz andere Ideen unseres neuen Oberbürgermeisters vernehmen. Die Grundsteuer A und B zu erhöhen, ist eine dieser Ideen. Die Grundsteuer wird aber auf die Mieter umgelegt und das ist eine weitere Belastung der Bürger. Dann soll der städtische Reinigungsbetrieb SSBZ privatisiert werden. Die ebenfalls geplante Privatisierung der Zeitzer Bäder sei ebenso erwähnt. Ein privates Unternehmen muss in erster Linie profitabel sein, um den größten Nutzen (Gewinn) mit kleinstem Aufwand zu erzielen. Wer da glaubt, das führe zu Entlastungen der Bürger, träume weiter bis zum bösen Erwachen. In Wahrheit folgen nämlich steigende Preise für weniger Leistung, wie wir alle täglich erleben. Wo bleibt bei alledem eine Entlastung der Bürger?

Fazit: Zum jetzigen Zeitpunkt ist so viel Weihrauch für unseren neuen Oberbürgermeister nicht gerechtfertigt. Bei dem ganzen Wohlwollen ist sicher etwas zu viel Hoffnung mit im Spiel. Es liegen noch über 6 weitere Jahre Amtszeit vor ihm. Es ist doch etwas mehr erforderlich als nur Sonnenschein in den Medien, um in dieser Zeit tatsächlich Positives für unsere Stadt zu bewegen. Lassen wir uns also von den "gefühlten" Verbesserungen nicht täuschen! Es zählen nur tatsächliche Ergebnisse.

An die Gleichgeschalteten

Um sein Brot nicht zu verlieren in den Zeiten zunehmender Unterdrückung beschließt mancher, die Wahrheit über die Verbrechen des Regimes bei der Aufrechterhaltung der Ausbeutung nicht mehr zu sagen, aber auch die Lügen des Regimes nicht zu verbreiten, also zwar nicht zu enthüllen, aber auch nichts zu beschönigen.

Der so Vorgehende scheint nur von neuem zu bekräftigen, dass er entschlossen ist auch in den Zeiten zunehmender Unterdrückung sein Gesicht nicht zu verlieren, aber in Wirklichkeit ist er doch nur entschlossen sein Brot nicht zu verlieren. Ja, dieser sein Entschluss keine Unwahrheit zu sagen, dient ihm dazu, von nun an die Wahrheit zu verschweigen. Das kann freilich nur eine kleine Zeit durchgeführt werden.

Aber auch zu dieser Zeit während sie noch einhergehen in den Ämtern und Redaktionen in den Laboratorien und auf den Fabrikhöfen als Leute aus deren Mund keine Unwahrheit kommt beginnt schon ihre Schädlichkeit. Wer mit keiner Wimper zuckt beim Anblick blutiger Verbrechen, verleiht ihnen nämlich den Anschein des Natürlichen. Er bezeichnet die furchtbare Untat als etwas so Unauffälliges wie Regen. Auch so unhinderbar wie Regen. So unterstützt er schon durch sein Schweigen die Verbrecher, aber bald wird er bemerken, dass er, um sein Brot nicht zu verlieren nicht nur die Wahrheit verschweigen, sondern die Lüge sagen muss.

Nicht ungnädig nehmen die Unterdrücker ihn auf, der da bereit ist sein Brot nicht zu verlieren. Er geht nicht einher wie ein Bestochener da man ihm ja nichts gegeben, sondern nur nichts genommen hat. Wenn der Lobredner aufstehend vom Tisch der Machthaber, sein Maul aufreißt und man zwischen seinen Zähnen die Reste der Mahlzeit sieht, hört man seine Lobrede mit Zweifeln an. Aber die Lobrede dessen der gestern noch geschmäht hat und zum Siegesmahl nicht geladen war ist mehr wert. Er ist doch der Freund der Unterdrückten. Sie kennen ihn. Was er sagt, das ist und was er nicht sagt, ist nicht. Und nun sagt er, es ist keine Unterdrückung. Am besten schickt der Mörder den Bruder des Ermordeten den er gekauft hat, zu bestätigen dass ihm den Bruder ein Dachziegel erschlagen hat.

Die einfache Lüge freilich hilft ihm, der sein Brot nicht verlieren will auch nicht lange weiter. Da gibt es zu viele seiner Art. Schnell gerät er in den unerbittlichen Wettkampf aller derer die ihr Brot nicht verlieren wollen: Es genügt nicht mehr der Wille zu lügen. Das Können ist nötig und die Leidenschaft wird verlangt. Der Wunsch, das Brot nicht zu verlieren, mischt sich mit dem Wunsch, durch besondere Kunst dem ungereimtesten Gewäsch einen Sinn zu verleihen, das Unsagbare dennoch zu sagen. Dazu kommt, dass er den Unterdrückern mehr Lob herbeischleppen muss als jeder andere, denn er steht unter dem Verdacht, früher einmal die Unterdrückung beleidigt zu haben. So werden die Kenner der Wahrheit die wildesten Lügner.

Und das alles geht nur bis einer daherkommt und sie doch überführt, früherer Ehrlichkeit, einstigen Anstands, und dann verlieren sie ihr Brot.

Bertold Brecht (1935)





Zitat: Patriotismus ist die Tugend der Boshaften.

Oscar Wilde (1854-1900)



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