Montagsdemo Zeitz - Offener Runder Tisch Zeitz

Die erste Freiheit der Presse besteht darin, kein Gewerbe zu sein. (Karl Marx)

Jahrgang 2 + Nr. 04 + 29. März 2010

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Herausgegeben von "Offener Runder Tisch Zeitz"

Inhalt:

  1. Erlebnisse im "Aktiv-Center"
  2. Lohndumping per Dienstanweisung
  3. Kostspieliger Baumfrevel
  4. Leserbrief (geplante SSBZ-Privatisierung)
  5. Zitate

Erlebnisse im "Aktiv-Center"

Auch ich habe ja nun das Glück, mal in ein Aktiv-Center hineinschnuppern zu dürfen. Dabei musste ich mir erstmal das Recht erkämpfen, an dieser "erfolgversprechenden Maßnahme" nur 3,5 Stunden teilzunehmen. Schließlich entlaste ich durch meine geleistete häusliche Pflege den Steuerzahler enorm. Also tue ich was für mein ALG II - und zwar wirklich etwas Sinnvolles, was ich beim Aktiv-Center nicht erkennen kann.

Nachdem wir am ersten Tag in den Alltag dieses Aktiv-Centers eingeführt wurden, hat man uns erklärt, dass das alles garnicht so schlimm sei, denn wir könnten uns für wenig Geld den ganzen Tag verpflegen und außerdem hätte sich dort noch keiner krumm gearbeitet - so die Aussage des Leiters der Maßnahme. Das habe ich auch gleich sehen können, dass sich dort gar keiner krumm arbeiten kann. Denn an dieser Maßnahme nehmen Monat für Monat 36 Betroffene teil. Die Maßnahme begann im Juni 2009, also ist die Zahl der Teilnehmer inzwischen auf 250 angewachsen. Wenn nach 6 Monaten die einen gehen, kommen dafür neue, so dass es immer ca. 250 Teilnehmer sind, die dann in verschiedene Bereiche aufgeteilt werden, wie z. B. Kochen, Hauswirtschaft, "Kreativ", Holz, grüner Bereich, Metall, Handel, also ca. 30 Personen in jedem Bereich.

In meinem Bereich sind ca. 30 Frauen tätig, es gibt eine kleine Küche - die nicht viel größer ist als meine Küche zu Hause - da passen nicht mehr als 3 Frauen rein. In einem zweiten Raum steht ein Bügelbrett und ein weiterer ist für "Kreatives" gedacht. Dann aber einen großen Speiseraum, den Flur - der jeden Tag gereinigt wird, wie die Toiletten auch. Diese Arbeiten werden von den 30 Frauen täglich in 8 Stunden erledigt; man kann sich vorstellen, wie die sich gegenseitig auf die Füße treten.

Finanziert wird das Ganze vom Steuerzahler, zusätzlich zum ALG II-Satz, der ja ein menschenwürdiges Leben absichern soll, weil es keine gerecht und existenzsichernd vergütete Arbeit für die Betroffenen gibt. Sie sollen ja leben und nicht etwa entsorgt werden (siehe geschichtliche Erfahrungen). Für jeden dieser Teilnehmer bekommt der Träger der Aktiv-Center-Maßnahme nach meiner Kenntnis eine Pauschale von 500 € pro Monat. Ich frage mich aber, wofür eigentlich?

So ist es doch für den Träger von großem Interesse, dass alle Teilnehmer auch immer anwesend sind, denn sonst fließt die Zahlung nicht. Der Träger lässt sich auch so einiges einfallen, um Zahlungsausfälle zu vermeiden: Ich denke, ich sehe nicht richtig, als auf dem Flur ein ca. vierjähriges Kind entlang läuft. Auf meine Frage, wo das denn hingehöre, bekam ich zur Antwort, Teilnehmer können das Kind natürlich auch mitbringen, wenn sie es während der Maßnahme nicht anderweitig unterbringen können. Wie man sehen kann, es mangelt nicht an Einfallsreichtum, damit das Geld fließt.

Dabei ist dieser Maßnahmeträger nicht der einzige. Es gibt in Zeitz mehrere, die sich auf diese Weise eine goldene Nase verdienen. Hinzu kommt, dass jede Maßnahme mit einem Praktikum verbunden ist. Die Maßnahmeträger schließen Verträge mit Firmen ab, die dann einfach nur anzurufen brauchen, wenn sie mal eine kostenlose Arbeitskraft benötigen. Sie werden auf diese Weise immer geeignete Arbeitskräfte finden, denn es gibt ja genug zur Auswahl.

Jetzt frage ich mich, wer hier der Schmarotzer ist. Nicht der Arbeitslose, denn der sorgt ja per Gesetz dafür, dass andere an ihm gut verdienen. Die Firmen werden nicht genötigt sein, Leute fest einzustellen, so lange sie kostenlos vollzeittätige Praktikanten beschäftigen können. Das Gleiche gilt für Leute, die auf Teilzeit eingestellt werden, aber Vollzeit arbeiten müssen. Auf diese Weise wird es niemals weniger Arbeitslose geben.

Leute, wacht endlich auf! Lasst euch nicht ausbeuten! Arbeitskraft hat ihren Wert! Lasst es euch nicht gefallen, für Arbeitslosengeld II Vollzeit zu arbeiten!

Die Rechnung der FDP und CDU geht auf, wenn immer mehr Leute bereit sind, ohne Bezahlung zu arbeiten. Ihr werdet euch noch wundern; es betrifft nicht nur Hartz IV-Empfänger. Sondern auch die werden immer weniger, welche noch einen Arbeitsplatz haben. Lasst euch vor allem nicht einreden, ALG II-Empfänger erhalten alles gratis. Denn auch die werden mindestens einmal im Jahr zu solchen Maßnahmen herangezogen, damit andere reich werden.

Selbst wenn solch eine Maßnahme keinen Nutzen für die Teilnehmer bringt: Dennoch verdienen die Maßnahmeträger an ihnen, allein durch ihre bloße und erzwungene Anwesenheit.

Constanze Düsekow


Lohndumping per Dienstanweisung

ine neue Dienstanweisung der Bundesagentur für Arbeit ermächtigt die Jobcenter erst bei Löhnen unter 3 €/Stunde, gegen Arbeitgeber wegen Lohndumpings vorzugehen.

Das Fehlen eines gesetzlichen Mindestlohns bewirkt immer intensiveres Lohndumping. So müssen etwa 1,37 Millionen Menschen ihr Arbeitsentgelt durch zusätzliche Hartz-IV-Leistungen aufstocken. Etwa 23 % der angeblich arbeitsscheuen Hartz-IV-Empfänger werden auf diese Weise ausgebeutet und erniedrigt. Viele von ihnen sind sogar Vollzeitbeschäftigte und können dennoch mit ihrem "Erwerbseinkommen" nicht ihren Lebensbedarf sichern.

Die zuständigen Jobcenter dürfen gegen Arbeitgeber gerichtlich vorgehen, wenn sittenwidrige Löhne gezahlt werden. Als sittenwidrig beurteilte im April 2009 das Bundesarbeitsgericht eine Vergütung, wenn "nicht einmal zwei Drittel eines in der betreffenden Branche und Wirtschaftsregion üblicherweise gezahlten Tariflohns" gezahlt werden.

Mit ihrer Dienstanweisung ignoriert die Nürnberger Behörde dieses Urteil! Unter 3 €/h, so wenig erhalten nicht mal ostdeutsche Leiharbeiter. Das ist eine Einladung zur Lohndrückerei: Denn nach dem Willen der BfA hat nichts zu befürchten, wer seinen Beschäftigten demnächst nur etwas mehr als 3 €/Stunde zahlt. Und der Steuerzahler finanziert diese Lohnsubvention auch noch! Das sollte eher Firmensubvention statt Lohnsubvention heißen. Allein von Juni 2008 bis Mai 2009 subventionierte die Bundesregierung auf diese Weise mit 531 Mio. Und keineswegs betrifft das "nur" Privatunternehmen. Eine Anfrage der Partei "Die LINKE" ergab, dass bundesweit mehr als 313.000 Beschäftigte im öffentlichen Dienst zusätzliche Hartz-IV-Leistungen benötigen; 10 % der Aufstocker werden direkt oder indirekt von öffentlichen Auftraggebern beschäftigt.

Gesetzliche Mindestlöhne sind notwendig, um diese Entwicklung zu aufzuhalten. Sie sollten aber mindestens 10 €/Stunde betragen. Das wäre - neben einer Anpassungsklausel zur Preisentwicklung - das Mindesterfordernis und noch immer keine leistungsgerechte Arbeitsvergütung. Die meisten unserer europäischen Nachbarn haben den Mindestlohn bereits erfolgreich eingeführt.


Kostspieliger Baumfrevel

Dem ORTZ liegt ein Protokoll vor, welches einen Einblick gewährt in das stadtwohlorientierte Wirken des großen Verwaltungsfachmanns OB Dr. Kunze. Ausweislich dieses Protokolls werden auf Privatgrundstücken befindliche und in Privateigentum stehende Bäume auf städtische Kosten gefällt, beseitigt und durch Neuanpflanzungen ersetzt. Die Verfügung des Burgenlandkreises und nachfolgend die Entscheidung des Landesverwaltungsamtes beschwerte die Stadt Zeitz mit der Verkehrssicherungspflicht, "weil diese (Bäume) dem Straßenkörper zuzurechnen seien".

Dies bedeutete als städtische Leistungspflicht die Herstellung des Lichtraumpofils und die Totholzentfernung im Straßenbereich. Das hätte genügt. Wohlgemerkt: Lichtraumprofil herstellen (Durchgangs- bzw Durchfahrtsfreiheit sichern) und Totholzentfernung nur im öffentlichen Bereich, im Straßenraum also. Da steht Kroneneinkürzung oder Baumfällung mit Neuanpflanzung als städtische Leistungspflicht überhaupt nicht zur Debatte! Denn "Eigentümer der Bäume bleiben ... die jeweiligen Eigentümer der Grundstücke."

Was hat unser Experte daraus gemacht? Siehe oben. Und obendrein hat er das alles ohne genehmigten Haushalt verbindlich zugesagt! Man rechne den Einzelbetrag von 3100,00 € auf geschätzte 20-25 Bäume hoch ...

Und was wird, wenn nun andere Interessenten am Ahornweg, am Ulmenweg, am Schwarzen Weg oder anderswo Gleichbehandlung verlangen? Ein toller Draufgänger, unser Mann!

Anmerkung: Die in Anführungszeichen gesetzten Textteile sind Protokollzitate.

Peter Moser


Leserbrief (geplante SSBZ-Privatisierung)

Zeitz, 05.03.2010

Sehr geehrte ...,

der Stadtrat beschloss mit 25 Ja- bei nur 2 Gegenstimmen (WiR-Unabhängige/KPD) und 10 Enthaltungen eine Erhöhung der Straßenreinigungsgebühr um 30 %. Um mehr als 50 % insgesamt wird die Gebühr steigen, falls die Privatisierungsabsichten des Oberbürgermeisters Dr. Kunze hinsichtlich des Stadtreinigungs- und Servicebetriebes Zeitz (SSBZ) auch noch durchgewinkt werden sollten. Dann treten nämlich vom Gebührenzahler zu tragende 19 % Mehrwertsteuer hinzu, die kommunale Unternehmen wie SSBZ nicht erheben. Dr. Kunze erklärte in der Januar-Stadtratssitzung auf Nachfrage hierzu, dem stünde der mögliche Vorsteuerabzug als Vorteil gegenüber. Das ist nicht unwahr, aber mehr als irreführend. Einen Vorsteuerabzug vornehmen kann nämlich nur, wer gegenüber Kunden zur Berechnung von Mehrwertsteuer verpflichtet ist. Der Normalbürger Endkunde und Gebührenzahler kann überhaupt keinen Vorsteuerabzug vornehmen! Er muss das also voll bezahlen. Das gilt aber u. a. auch für umsatzsteuerbefreite "Ich-AGs" und Kleinst-"Unternehmen" sowie umsatzsteuerbefreite Freiberufler - z. B. Ärzte, Anwälte, Architekten.

Und die vielen Gewerbetreibenden unter den Stadträten sollten immer bedenken, diese Bundessteuer vermindert entsprechend die Kaufkraft der Zeitzer Einwohner und schwächt die Umsätze. Am Ende könnte das die besagten Stadträte selbst direkt in 's "aufstockende" Hartz IV oder sogar in Existenzvernichtung und Hartz IV-Dauerbezug führen! Kein geistig normaler Bauer würde seine Milchkuh schlachten.

Mit freundlichem Gruß
Wilfried Heineck


Zitate

Zuerst ignorieren sie dich,
dann lachen sie über dich,
dann bekämpfen sie dich
und dann gewinnst du.
~
Wenn du im Recht bist,
kannst du dir leisten,
die Ruhe zu bewahren;
Und wenn du im Unrecht bist,
kannst du dir nicht leisten,
sie zu verlieren.

Mahatma Gandhi



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