Montagsdemo Zeitz - Offener Runder Tisch Zeitz

Die erste Freiheit der Presse besteht darin, kein Gewerbe zu sein. (Karl Marx)

Jahrgang 2 + Nr. 06 + 1. Juni 2010

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Herausgegeben von "Offener Runder Tisch Zeitz"

Inhalt:

  1. Macht Bürgerarbeit auch frei?
  2. Optionskommunen - Sozialkahlschlag nach Belieben
  3. ARGE zockt Kinder ab! - Nachdenkliches zum Internationalen Kindertag am 1. Juni 2010
  4. traumverloren (Christa Müller)

Macht Bürgerarbeit auch frei?

Statt Bürgerarbeit, weiterem Lohndumping, Mangelernährung und gesellschaftlicher Isolation für Erwerbslose und weiteren Kürzungsanschlägen unterstützt auch der Offene Runde Tisch Zeitz - ORTZ folgende Forderungen:
  • Erhöhung des Hartz-IV-Eckregelsatzes von 359 € auf 500 €, bei repressionsfreier Gewährung! Zahlung der tatsächlichen Heiz- und Wohnkosten. Keine bundesweite Pauschalierung der Kosten der Unterkunft!

  • Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns von 10 €/Stunde brutto, steuerfrei und sozialversicherungspflichtig. Unsere Forderung entspricht bei 38,5 Wochenstunden für einen Alleinstehenden ca. 1300 € netto monatlich.

Wir fordern alle Menschen guten Willens, alle Parteien, Gewerkschaften und Organisationen auf, diese Minimalforderungen zu unterstützen!

Warum?

Seit Jahren sinken die Realeinkommen. Ständige Produktivitätssteigerung mittels technischer Neuerungen ermöglicht steigende Wertschöpfung bei sinkendem menschlichem Arbeitsaufwand. Dies gestattet die "Freisetzung" Beschäftigter. Die verbleibenden Arbeitskräfte ertragen rabiat steigenden Leistungsdruck, um dem "Schicksal" der Entlassenen zu entgehen. Diese Duldsamkeit der Noch-Beschäftigten unter der Drohung der Arbeitslosigkeit schafft immer weiter verschlechterte Arbeits- und Lebensbedingungen der Restbelegschaften wie auch der kleinen und mittleren Bauern, Selbständigen und Handwerker. Zudem üben die Arbeitslosen allein durch ihr Vorhandensein Lohnminderungsdruck aus. Hinzu treten die gegen die Arbeitslosen geschaffenen Zwänge, verschärfte Zumutbarkeitsregelungen, eingeschränkte soziale Leistungen, Hartz IV usw. Damit wird nicht die Arbeitslosigkeit, sondern die Arbeitslosen werden damit bekämpft. Das nutzt sehr wenigen Profiteuren, schadet auch den Arbeitenden, weil Arbeitslose zu immer ungünstigeren Bedingungen Arbeit annehmen müssen und damit weiterer Druck auf die regulär Beschäftigten aufgebaut wird.

Als weitere Unterdrückungsmaßnahme wird die Bürgerarbeit installiert - scheinheilig und wahrheitswidrig apostrophiert als Unterstützung für die Menschenwürde der Betroffenen. Tatsächlich ist sie ein weiterer Schritt hin zu noch weiter verschlechterten Lebensbedingungen Arbeitender wie Arbeitsloser wie Rentner. Bei Androhung nicht weiterhin gezahlten Arbeitslosengeldes werden Bürgerarbeiter zwangsverpflichtet. Sie werden gewiss höhere Bezüge als bei Hartz IV erzielen, aber ebenso sicher werden diese Bezüge weit unter vergleichbaren Arbeitseinkommen liegen. Das ist kein gangbarer Weg gegen Lohnabbau! Wer wird davon profitieren? Die Auswirkungen auf den Lohnsektor wie auf die daran gekoppelten Renten kann sich jeder ausmalen. Die Realeinkommen der unteren und mittleren Einkommensgruppen werden weiter sinken. Die Wirklichkeit wird eines Tages die schlimmsten Vorstellungen übertreffen, wenn diesem Teufelskreis nicht Einhalt geboten wird. Die Abwärtsspirale der Masseneinkommen muss beendet werden. Im Selbstlauf wird das nicht aufhören!

Verantwortungsbewusstsein der Entscheidungsträger ist notwendig! Alle Einsichtigen, alle Betroffenen und Bedrohten müssen gemeinsam handeln. Sie dürfen sich nicht spalten lassen, denn sie haben gemeinsame Interessen zu vertreten gegenüber den Nutznießern und Profiteuren solcher Zustände.

Die Problemlösung kann nur in existenzsichernder Arbeit bestehen - 10 €/Stunde steuerfreien sozialversicherungspflichtigen Mindestlohn bei 38,5 Wochenstunden mit Inflationsanpassung. Nötigenfalls muss eine allgemeine Arbeitszeitverkürzung mit vollem Lohnausgleich erfolgen.

Offiziell wird erklärt: Mittels Kurzarbeit wurden mehr als 1 Mio. Beschäftigungsverhältnisse erhalten. Damit ist die allgemeine Arbeitszeitverkürzung mit vollem Lohnausgleich als legitimes und taugliches Instrument gegen die Arbeitslosigkeit erwiesen. Alles ist zu Lasten der Konzernprofite leistbar. Deren Kapitalrenditen von 20-30 % werden allein aus Beschäftigten und Kunden "erwirtschaftet". Die Volkswirtschaft muss endlich den Bedürfnissen des Volkes dienen anstatt der Gier weniger Profiteure.

Die kapitalistische Ordnung setzt die ständig wachsende Produktivität nicht zur Verbesserung der allgemeinen Lebensverhältnisse ein, sondern zur Profitscheffelei einer winzigen Minderheit.

Keine Zwangsarbeit! Keine Hungerlöhne!
Existenzsichernde Arbeit statt "Bürgerarbeit"!

Unverschuldet arbeitslose Menschen müssen Anspruch haben auf gesellschaftliche Hilfe.

Die Anzahl Arbeitsloser wird sich nicht verringern, wenn immer mehr Menschen mit oder ohne Arbeit von immer geringeren Einkommen leben müssen; auch Massenkaufkraft und Nachfrage sinken dann und verursachen noch mehr Arbeitslosigkeit. Einige wenige immer reichere Menschen werden das nicht ausgleichen!

Wirtschaft muss die Lebensbedürfnisse aller Menschen gewährleisten anstatt Verschwendungssucht und Geltungsbedürfnis einer Minderheit zu bedienen!

Hartz IV hat ungeachtet aller statistischen Tricks existenzsichernde Arbeitsplätze vernichtet anstatt geschaffen, die zwangsweise Bürgerarbeit wird dies noch verstärken durch weitere allgemeine Absenkung der Arbeitseinkommen. Bürgerarbeit wird kein soziales Problem lösen, sondern die Belastungen ausweiten, wird Renten- und Krankenkassen schmälern, wird wenige Reiche bereichern und viele Menschen ärmer machen.

Optionskommunen
Sozialkahlschlag nach Belieben

Der Offene Runde Tisch Zeitz (ORTZ) wendet sich auch gegen jeden Sozialabbau, dieses Mal unter der Fahne der Optionskommunen. Die vorgesehene Grundgesetzänderung halten wir für die falsche Reaktion auf das BVG-Urteil zu den verfassungswidrigen ARGEn. Das BVG-Urteil wird damit unterlaufen anstatt zum Anstoß für Verbesserungen.

Allerdings gibt es auch Nutznießer einer Grundgesetzänderung: Die Optionskommunen sind für die Kommunen finanziell attraktiv, weil die Entscheidungsvollmacht auf die Kommunen verlagert und übergeordnetes (Sozial)Recht erschwert oder sogar verneint wird. Grundsätzliche Rechtsansprüche werden zu Gunsten von Entscheidungen auf kommunaler Ebene abgebaut. (Subsidiaritätsprinzip = Problemlösungen auf niedrigstmöglicher gesellschaftlicher Ebene).

Das Optionsmodell erleichtert es, freihändige Ermessensentscheidungen der Kommunen gegen ALG-II-Empfänger rechtlich unangreifbar zu machen und bei den Kommunen Gelder zu "sparen". Einzusparen bei den schuldlos Bedürftigen, weil ihnen diese Gesellschaft keine existenzsichernde Arbeit ermöglicht.

Ansprüche Hilfsbedürftiger - unverschuldet Arbeitsloser - können mittels Optionskommunen nahezu uneingeschränkt kommunalen Beliebigkeitsvoraussetzungen unterworfen werden. Das wird den Druck auf die Einkommen der Beschäftigten und in der Folge auch auf die Renten erhöhen, weil Arbeitende immer schlechtere Entgelt- und Arbeitsbedingungen hinnehmen werden, um einem Abgleiten in solche Verhältnisse zu entgehen. Es liegt im gemeinsamen Interesse aller Arbeitenden, Arbeitslosen und Rentner, von Jung und Alt, das zu verhindern!

ARGE zockt Kinder ab!
Nachdenkliches zum Internationalen Kindertag am 1. Juni 2010

Kinderarbeit ist in Deutschland gesetzlich verboten. Kinder dürfen nicht gezwungen werden, zum Unterhalt der Familie beizutragen. Doch auch dabei macht das deutsche Sozialrecht eine von vielen unrühmlichen Ausnahmen. Ein Tatsachenbericht:

Die Tochter der Frau D. ist Schülerin und gewann bei einer Ausschreibung einen Ferienjob. Die Mutter (Hartz-IV-Empfängerin und Teilnehmerin der Montagsdemo Zeitz) befürwortete dies, schließlich kann die Schülerin bei solch einem Ferienjob lernen, Leistung wird belohnt, zudem wird das Taschengeld aufgebessert. Also wurde der Job vorschriftsmäßig angemeldet und durchgeführt.

Einige Zeit später wird die ahnungslose Mutter von der Aufforderung der ARGE überrascht, das erarbeitete Geld der Tochter zurück zu zahlen. Das müsse als Einkommen auf den Hartz-IV-Regelsatz angerechnet werden. Nichts anderes blieb übrig, als der Forderung nachzukommen.

Die Sache - für sich allein genommen schon schlimm genug - war damit aber nicht abgeschlossen. Jüngst wurde die Mutter durch die Strafverfolgungsbehörden benachrichtigt, in v. g. Angelegenheit wird gegen sie wegen versuchten Betruges ermittelt. Ein entsprechender Anhörungsbogen lag bei. Für Frau D. ist das Maß allerdings voll. Sie beabsichtigt, durch alle Instanzen zu klagen, um diese Regelung zu Fall zu bringen.

Ungeheuerliches geschieht hier. In Deutschland ist Kinderarbeit verboten. Eindeutig. Aber bei ALG-II-Empfängern wird dem Familieneinkommen zugerechnet und von der Regelleistung abgezogen, wenn deren Kinder während der Schulferien entgeltlich arbeiten. Ist Kinderarbeit also doch zulässig, zumindest bei Hartz-IV-Betroffenen?

Und woher erfuhr die ARGE so schnell von der Ferienarbeit der Tochter? Der ARGE konnte das nur jene Behörde mitteilen, welcher der Ferienjob ordnungsgemäß gemeldet wurde. Kein Datenschutz? Bespitzelung? Aber nein, nur "Amtshilfe"! So heißt das! Staatliche Bespitzelung gibt 's nicht in der BRD.

Kriminalisierung von Hartz-IV-Opfern? Aber nein! Rechtsstaat Deutschland im Jahr 2010.

traumverloren

mein Volk schreit nicht zu Gott
zum Golde schreit´s
viel muß geschehen, daß es schreit

in einem Keller lag auf Knien
ich mit andern heulend
laß uns Brot und Wasser
und mach Frieden mit dem Krieg

die Stadt verbrannte und mein
Gott ergriff im Feuer mich
ich kam davon: ein Kind

wir sind das Volk, schrie Volk
das nicht aus Asche kam
wir sind e i n Volk, schrie Volk
zum Golde traumverloren

schmiß fort, was sein war
auch den Schmerz
ja die Drachen hör ich lachen

so kam die alte Zeit
ohne Blutbad kam sie

mit blitzendem Flitter
über Wägen geil

mit Bananenbüscheln
duftend nach Bananen

wir hatten nichts zu
fürchten als uns selbst

(Christa Müller)



Der Offene Runde Tisch Zeitz, ORTZ




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