Montagsdemo Zeitz - Offener Runder Tisch Zeitz

Die erste Freiheit der Presse besteht darin, kein Gewerbe zu sein. (Karl Marx)

Jahrgang 2 + Nr. 11 + 1. November 2010

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Herausgegeben von "Offener Runder Tisch Zeitz"

Inhalt:

  1. Einladung zur 300. Montagsdemo in Zeitz
  2. Bericht zum Datenschutzskandal im Burgenlandkreis

Einladung zur 300. Montagsdemo in Zeitz

Am 8. November 2010 findet um 17.00 Uhr in Zeitz die 300. Montagsdemonstration gegen Hartz IV, Sozial-, und Demokratieabbau statt.

Wer soziale Ungerechtigkeit und wachsende Verelendung nicht länger hinnehmen will, ist herzlich zur Teilnahme eingeladen. Nur eine breite Masse der Bevölkerung kann eine Veränderung zum Besseren herbeiführen. Im Selbstlauf bessert sich nichts!

Macht mit! Denn der Bürger, welcher resigniert, erduldet was man ihm diktiert!

Bericht zum Datenschutzskandal im Burgenlandkreis

Bürgerfrage des ORTZ an den Landrat des Burgenlandkreises Harri Reiche zur Kreistagssitzung am 30.08.2010 in Naumburg:
Sehr geehrter Herr Landrat,

vor einigen Tagen wurde ein - auch in den Medien stark beachteter - Datenschutzskandal ruchbar. Als Stichwort sei genannt die von Ihrem Haus zu verantwortende widerrechtliche sogenannte Mietbescheinigung, welche von der ARGE SGB II Burgenlandkreis genutzt wurde. Es liegt hier eine Tatgemeinschaft zwischen der Ihnen anvertrauten Landkreisverwaltung Burgenlandkreis und der Bundesagentur für Arbeit im Rahmen der ARGE SGB II Burgenlandkreis vor. Bekannt ist auch, dass die ebenfalls in diesem Rahmen ARGE SGB II Burgenlandkreis geschaffenen und gleichfalls von Ihrem Haus zu verantwortenden Verwaltungsrichtlinien zu den Kosten der Unterkunft bei ALG-II-Empfängern mehrfach erfolgreich gerichtlich angegriffen wurden.

Die Klägerforderungen wurden nach Vergleichsangebot bzw. Anerkenntnis durch die ARGE befriedigt und damit zugleich Urteile über die Verwaltungsrichtlinien verhindert. Dagegen wurde hier vor dem Kreistag von der Verwaltung immer wieder die rechtliche Zulässigkeit der jeweiligen Verwaltungsrichtlinie behauptet.

In der Privatwirtschaft hätten derartige Fehlleistungen sowohl bei Selbstständigen wie bei unselbstständig Beschäftigten sehr schwer wiegende Auswirkungen. Niemand kann deshalb den öffentlichen Beschäftigungssektor zu einer Insel der Seligen machen wollen!
Daher meine folgenden Fragen, sie beziehen sich grundsätzlich auf beide Verwaltungsfehlergruppen; der Schwerpunkt liegt jedoch auf dem Datenschutzskandal:

Welche Konsequenzen gedenken Sie für Ihre eigene Person aus diesen Vorgängen zu ziehen und welche Konsequenzen werden Ihrerseits gegenüber dem verantwortlichen Mitarbeiter Herrn Michel folgen, welcher ja die vg. Falschbehauptungen vor dem Kreistag vortrug und auch die sogenannte Mietbescheinigung verantwortet?

Werden solche durchaus nicht erstmaligen Ungeheuerlichkeiten nunmehr doch dienstrechtliche Folgen haben oder bleibt alles weiterhin wie gehabt?
Um eine schriftliche Antwort wird gebeten.


Mit freundlichem Gruß ...
Offener Runder Tisch Zeitz
Antwort des Landrates des Burgenlandkreises Harri Reiche an den ORTZ vom 14.10.2010:
Ihre Anfrage zur Kreistagssitzung am 30. 8. 2010

Sehr geehrter Herr ...,

zu Ihrer schriftlichen Anfrage zur Kreistagssitzung am 30. 8. 2010 zur Problematik der "Mietbescheinigungen" nehme ich wie folgt Stellung:

Die Trägerversammlung und der Beirat der ARGE SGB II Burgenlandkreis haben die Ausgabe der "Mietbescheinigungen" mit folgendem Ergebnis überprüft: Überwiegend in den Eingangsbereichen der ARGE SGB II Burgenlandkreis sind seit April 2010 mit den Antragsformularen gleichzeitig weitere Vordrucke ausgereicht worden bzw. konnten von den Antragstellern eigenhändig den entsprechenden Ständern entnommen werden. Darunter befand sich auch der Vordruck "Mietbescheinigung", der allerdings nur zur zusätzlichen Begründung überdurchschnittlicher Heizkosten dienen sollte und demzufolge auch nur bei Bedarf auszufüllen war. Ein entsprechender Hinweis fehlte allerdings, so dass möglicherweise ein Teil der Antragsteller eine allgemeine Pflicht zur Ausfüllung und Abgabe der "Mietbescheinigung" vermutete. Die nicht ausdrücklich zur Begründung überdurchschnittlicher Heizkosten bei der ARGE eingegangenen "Mietbescheinigungen" wurden ohne Bearbeitung zu den Akten genommen. Eine Weitergabe der Daten erfolgte nicht.

Der Burgenlandkreis hat zu keinem Zeitpunkt der ARGE eine Weisung erteilt, den Vordruck "Mietbescheinigung" über den vorgenannten Kreis hinaus an alle Bedarfsgemeinschaften auszugeben. Ein Vordruck "Mietbescheinigung" ist seit der Einführung des SGB II mit unterschiedlichen Inhalten verändert worden. Die Praxis der Einholung von Vermieterauskünften entstammt dem Sozialhilfe- und dem Wohngeldrecht und war nicht nur in unserer ARGE geübte Praxis.

Nach Abschluss der Überprüfungen der "Mietbescheinigungen" durch die Trägerversammlung und den Beirat der ARGE SGB II Burgenlandkreis vermag ich auch nicht ansatzweise Gründe für einen von Ihnen gemutmaßten Handlungsbedarf zu erkennen.

Dieser besteht allerdings in anderer Hinsicht, denn die Sammlung von nicht benötigten Daten verstößt gegen das Gebot der Datenvermeidung und Datensparsamkeit und ist darüber hinaus unwirtschaftlich. Außerdem können Dritte nach SGB II nicht zur Auskunft verpflichtet werden. Letztendlich muss der Antragsteller selbst entscheiden, welche Auskünfte er zur Bearbeitung seines Antrages abgibt. Ich habe sichergestellt, dass künftig nur diese Informationen zu berücksichtigen sind. Den Vordruck der "Mietbescheinigung" in der bisherigen Art wurde zurückgezogen. Die künftige Verfahrensweise wird mit allen Beteiligten unter Berücksichtigung des Berichts des Datenschutzbeauftragten zwischen ARGE und Kreisverwaltung abgestimmt. Dazu wird eine "Selbstauskunft" erarbeitet, die zur Begründung überdurchschnittlicher Betriebs- und Heizkosten herangezogen werden soll.

Was die von Ihnen bereits mehrfach herangezogene Verwaltungsrichtlinie zu den Kosten der Unterkunft anbelangt, so gibt es in der Tat nicht ein einziges Urteil des Verwaltungsgerichts, das sich im Tenor mit der Rechtmäßig- oder auch Rechtswidrigkeit befasst. Wenn es dazu Aussagen geben sollte, dann nur in den Urteilsgründen, die allerdings stets nur den Einzelfall betreffen. Die Verwaltungsrichtlinie unterliegt im Übrigen der Anpassung, wobei bei der Abwägung durchaus auch kritische Stimmen berücksichtigt werden.

Als Vorsitzender der Trägerversammlung der ARGE SGB II Burgenlandkreis bedaure ich natürlich sehr die aufgrund der vorgenannten Missstände bei den Antragstellern aufgetretenen Unannehmlichkeiten und entschuldige mich dafür.

Mit freundlichen Grüßen
Harri Reiche
Anmerkung des ORTZ: Reiche stellt hier wahrheitsgemäß fest, gerichtlich sei die Verwaltungsrichtlinie bisher nie bewertet worden. Freilich ist das nur die halbe Wahrheit.

Denn: Es beträfe auch die Verwaltungsrichtlinie (Vwrl) selber, würden auf diese Richtlinie gestützte ARGE-Entscheidungen erfolgreich gerichtlich angegriffen. Es wäre ein Urteil auch über die Vwrl oder einzelne ihrer Teile. Das hätte natürlich Auswirkungen auf die Anwendbarkeit der Vwrl für alle von ihr Betroffenen - auch außergerichtlich. Und das umging nämlich die ARGE, indem sie bei ungünstiger Prozeßlage jedesmalig Klageanerkenntnis erklärte sowie die Kosten für den jeweiligen Einzelfall übernahm oder Vergleich erfolgte. Es folgte überhaupt kein Urteil, weil die ARGE Klageanerkenntnis erklärte bzw. sich beide Parteien auf Vergleich einigten. Für Kläger beseitigt das Klageanerkenntnis den Klagegrund und das persönliche Ärgernis; beim Vergleich gilt dies mit entsprechenden Einschränkungen. Auch Richter mögen beides, es verkürzt die Prozessdauer und enthebt sie einer Urteilsbegründung - eine beträchtliche Arbeitserleichterung. Die ARGE vermeidet damit das Risiko eines möglichen Urteils gegen die Verwaltungsrichtlinie. So funktioniert das! Aber keinesfalls ist diese Verwaltungsrichtlinie so unangreifbar und sauber, wie der Reiche es in seinem Antwortschreiben suggeriert.

Das neue von Herrn Reiche angekündigte Formular gibt es inzwischen. Wir haben das erste Formular gesehen und müssen sagen, dass sich neben der Überschrift am Inhalt des alten Formulars nichts verändert hat. Es werden die gleichen Fragen gestellt wie zuvor auch. Es steht nicht mehr drüber "Mietbescheinigung zur Vorlage beim Vermieter" sondern "Selbstauskunft zur Vorlage bei der ARGE SGB II".

In dem Antwortschreiben des Landrats Reiche steht: "Handlungsbedarf [...] besteht allerdings in anderer Hinsicht, denn die Sammlung von nicht benötigten Daten verstößt gegen das Gebot der Datenvermeidung und Datensparsamkeit und ist darüber hinaus unwirtschaftlich." Wenn 1. bei dem alten Formular unnötigerweise erhobene Daten festgestellt wurden und 2. in dem neuen Formular die gleichen Daten wie in dem alten erfragt werden, dann werden 3. zwangsläufig auch im neuen Formular unnötige Daten erhoben! Logisch! Weiterhin teilt er mit dass: "... der Vordruck "Mietbescheinigung", [...] nur zur zusätzlichen Begründung überdurchschnittlicher Heizkosten dienen sollte und demzufolge auch nur bei Bedarf auszufüllen war." Dann muss sich Herr Reiche allerdings fragen lassen, warum in diesem Formular z. B. Fragen nach einem gefliesten Bad, Aufzug, Türsprechanlage, sowie Teppich, Parkett, Laminat oder Fußbodenbelag gestellt werden?

Dreist ist auch seine Aussage, die Datenerfassung sei gänzlich freiwillig gewesen. Die von der ARGE übersandten Formulare enthielten zumindest teilweise folgende Belehrung: "Bitte reichen Sie beiliegende Mietbescheinigung bei der im Briefkopf genannten Stelle bis zum 08. Mai 2010 ein. Haben Sie bis zum genannten Termin nicht reagiert oder die erforderlichen Unterlagen nicht eingereicht können Ihnen die Geldleistungen teilweise entzogen werden, bis sie die Mitwirkung nachholen (§§ 60, 66, 67 SGB I). Dies bedeutet, dass Sie geringere Leistungen erhalten." Das soll freiwillig sein??

Sie sollten sich genau überlegen, ob Sie dieses neue Formular (Selbstauskunft) ausfüllen, weil die ARGE damit nicht offenbarungspflichtige Daten erlangt, welche sie nichts angehen und nicht zu interessieren haben. Sollten Sie dabei versehentlich widersprüchliche Angaben machen, drohen Ihnen neue Probleme.

Lesen sie für weitergehende Informationen auch unser Infoblatt 8/2010. Es kann auf unserer Webseite gelesen und heruntergeladen werden: Download (PDF)



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