Montagsdemo Zeitz - Offener Runder Tisch Zeitz

Die erste Freiheit der Presse besteht darin, kein Gewerbe zu sein. (Karl Marx)

Jahrgang 2 + Nr. 12 + 6. Dezember 2010

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Herausgegeben von "Offener Runder Tisch Zeitz"

Inhalt:

  1. Arbeitslosen-(Verarschungs)-Statistik
  2. Elterngeld - Verlängerungsoption widerrufen
  3. Solidarität mit Aktivistin gegen Hartz IV - Diffamierung von Frau Penndorf beenden!
  4. 300. Montagsdemonstration in Zeitz - Auszug aus der Rede von Dr. Frank Thiel (MdL, Die LINKE)
  5. Leserbrief: Hände weg vom OdF-Denkmal! - Umgestaltung Altmarkt "nein", Sanierung "ja"
  6. Zitat (Bertold Brecht)

Arbeitslosen-(Verarschungs)-Statistik

In den Medien wird derzeit suggeriert, die Zahl der Arbeitslosen sei unter 3 Millionen gesunken. Sie liege bei genau 2.945.491 Arbeitslosen. Die 86 Seiten starke Arbeitslosenstatistik kann im Internet heruntergeladen werden. Da steht die genannte Zahl auch drin, aber interessant ist die angegebene Zahl der Leistungsbezieher:

   Arbeitslosengeld I: 825.870
+ Arbeitslosengeld II: 4.766.598
+ Sozialgeld: 1.783.448
= insgesamt 7.375.952 Leistungsbezieher!

Mit der vorliegenden Statistik ist nicht klärbar, wie das zustande kommt. Aber einige interessante Hinweise finden sich dennoch dort. Wer z. B. nicht zu den Arbeitslosen gezählt wird, aber dennoch keine Arbeit hat und Leistungen bezieht. Da wäre einmal die Teilnehmerzahl an arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen: 1.481.600 Personen. Oder die "Unterbeschäftigten":

   Aktivierung, Eingliederung, etc.: 271.677
+ Weiterbildungen, 1-€-Jobs, etc.: 599.286
+ Existenzgründer, Einsteiger, etc.: 243.783
= ergeben summiert 1.114.746 Personen.

Die darin enthaltene Anzahl der 1-€-Jobber (um die es derzeit recht ruhig ist) beträgt immerhin 328.472 Personen. Zählt man diese Zahlen zu der statistischen Arbeitslosenzahl hinzu, kommt man auf eine Gesamtzahl von 5.541.837 Personen, die man jenseits statistischer Akrobatik landläufig als arbeitslos bezeichnet und die näher an der realen Arbeitslosenzahl liegen dürfte. Dennoch wird die wirkliche Arbeitslosenzahl noch höher liegen, denn bestimmte Personenkreise fallen gänzlich aus der Statistik heraus, wie z. B. sanktionierte Betroffene mit Leistungssperren.

Diese Zahlen sind nicht aus der Luft gegriffen, sie entstammen alle der Arbeitslosenstatistik, freilich dort zusammenhangs- und beziehungslos auf vielen Seiten verstreut.

Elterngeld
Verlängerungsoption widerrufen

Mit dem Haushaltsbegleitgesetz 2011 wird auch § 10 Bundeselterngeldgesetz geändert. Elterngeld ist dann ab dem 01.01.2011 bei Bezug von Arbeitslosengeld II nicht mehr in Höhe von bis zu 300 Euro (150 Euro bei Verlängerungsoption) anrechnungsfrei. Auf Grund der anstehenden Änderung kommt es nun vor, dass Leistungsempfänger, die von der Verlängerungsoption Gebrauch gemacht hatten, diese widerrufen, um eine Anrechnung des Elterngeldes auf ihr Arbeitslosengeld II zu vermeiden. Die zweiten Raten (halbierter Teil auf Grund der Verlängerung) des Elterngeldes werden in diesen Fällen für die bereits gezahlten Elterngeldmonate in einer Summe nachgezahlt. Die Bundesagentur für Arbeit stellt in ihrer Wissensdatenbank klar, wie eine solche Nachzahlung zu berücksichtigen ist?

Die Elterngeldnachzahlung ist in Höhe von bis zu 150 Euro für jeden nachgezahlten Elterngeldmonat nicht als Einkommen zu berücksichtigen.

Bisher blieb das Elterngeld generell bis zu 300 Euro im Monat unberücksichtigt. Der Betrag von 300 Euro minderte sich auf 150 Euro, wenn von der Verlängerungsmöglichkeit Gebrauch gemacht wurde. Nach den Elterngeldrichtlinien ist ein Widerruf dieser Verlängerungsoption möglich. Wird die Verlängerungsmöglichkeit widerrufen, kommt es zur Nachzahlung der Beträge, die auf Grund der Inanspruchnahme der Verlängerungsmöglichkeit zunächst nicht ausgezahlt wurden.

Da es sich bei der Verlängerungsoption lediglich um eine Auszahlungsmodalität handelt, ergibt sich Folgendes: Für die Nachzahlung der zunächst nicht ausgezahlten Beträge bleiben für jeden Lebensmonat, für den eine Nachzahlung erfolgt, jeweils bis zu 150 Euro (Differenz regulärer freigestellter Betrag zu freigestelltem Betrag bei Verlängerungsoption) aus der Nachzahlung anrechnungsfrei. Der Leistungsberechtigte ist so zu stellen, als hätte er von Beginn an das volle Elterngeld bezogen.

Betroffenen Eltern im Leistungsbezug von Arbeitslosengeld II wird empfohlen, rechtzeitig die Verlängerungsoption zu widerrufen, um so den ggf. vollen Elterngeldbezug zu retten und den Zugriff der ARGE hierauf zu verhindern.

Solidarität mit Aktivistin gegen Hartz IV
Diffamierung der Frau Penndorf beenden!

Die Schmutzkampagne aus ihren eigenen Reihen gegen Frau Penndorf (MdL, Die LINKE) wird fortgesetzt. Mit scheinheiligen Gründen wurde gegen sie ein Parteiausschlussverfahren eingeleitet. Frau Penndorf ist eine Aktivistin im Kampf gegen Hartz-IV-Unrecht. Ihre Sozialsprechstunden in Weißenfels, Hohenmölsen und Zeitz sind eine wertvolle, häufig sogar unverzichtbare Hilfe für Hartz-IV-Geschädigte. Diese enorm zeitaufwendige Arbeit verrichtet sie neben ihren Verpflichtungen als Landtagsabgeordnete. Ihre Gegner traten derart bislang nicht in Erscheinung und lassen dies auch zukünftig nicht erwarten. Mit Blick auf ihre Arbeit und die ihrer Gegner erscheinen die Anschuldigungen gegen Frau Penndorf unglaubwürdig. Versorgungsinteressen und attraktive Abgeordnetendiäten sind plausiblere Erklärungen für die Angriffe. Der ORTZ und die Zeitzer Montagsdemonstranten sprechen Frau Penndorf ihren großen Dank für ihre bisherige Tätigkeit und ihre volle Unterstützung aus.

300. Montagsdemonstration in Zeitz
Auszug aus der Rede von Dr. Frank Thiel
(MdL, Die LINKE)

Ich bin parlamentarischer Geschäftsführer der Partei "Die LINKE" im Landtag von Sachsen-Anhalt und ich wurde von der Fraktion beauftragt, zu eurer 300. Montagsdemo einen herzlichen Glückwunsch auszusprechen, euch alles Gute zu wünschen und vor allem diese Botschaft zu vermitteln: Wäret ihr nicht gewesen, viele Dinge wären einfach unter den Tisch gekehrt worden. Das ist der entscheidende Punkt und ihr habt Montag für Montag immer wieder auf die Probleme der Betroffenen aufmerksam gemacht, habt euch nicht durch geringe Teilnahme entmutigen lassen und euch hier getroffen um über die Probleme zu reden und zu diskutieren sowie eure Forderungen zu stellen.

Das ist das Wesentliche bei von unten gewachsenen Bürgerinitiativen. Das alles ist anerkennenswert. Dabei spielen die Kollegen vom Offenen Runden Tisch - die sich hier so bescheiden im Hintergrund halten - eine große Rolle. Nämlich zusammenzufassen, zu bündeln und den Behörden und Verwaltungen nahezubringen, was hier diskutiert wird. Ich erinnere besonders an die Dinge, die wir gemeinsam verfolgten, wie z. B. den Datenschutzskandal im Burgenlandkreis. Da hat die Fraktion im Landtag einiges mit angeschoben. Das ist das Besondere in dieser Wechselwirkung, dass wir im Parlament einerseits Dinge mit vorbereiten und entscheiden können, aber das Wesentliche passiert außerhalb des Parlaments. Da können wir uns im Landtag die Köpfe über dieses und jenes heiß reden, wenn die Leute auf der Straße nicht mitmachen, hat das an dieser Stelle alles keinen Sinn. [...]

Die 300. Montagsdemo findet heute statt. In wenigen Tagen (am kommenden Donnerstag) werden wir im Landtag von Sachsen-Anhalt eine große Anfrage behandeln, die wir als Fraktion LINKE an die Landesregierung gestellt haben. Es geht um das Thema "5 Jahre Hartz IV in Sachsen-Anhalt" und was es gebracht hat. Diese Dokumentation und die Diskussion im Landtag würde ich euch gerne zur Verfügung stellen. Wir hatten die Regierung gefragt und die Regierung hat geantwortet wie eine Regierung aus CDU und SPD eben antwortet. Wir wollen doch mal nicht vergessen, wer die Hartz-Gesetze wann beschlossen hat. Das vergessen manche Leute. Die SPD erklärt heutzutage im Bundestag, Hartz IV hat sich anders als vorgesehen entwickelt. Nein, es ist genau das Vorgesehene eingetreten. Wie es beabsichtigt war! Um Druck auszuüben und um den Niedriglohnbereich und die prekäre Beschäftigung auszubauen und um mit diesen Maßnahmen die soziale Spaltung in der Gesellschaft zu vertiefen. [...]

Leserbrief:
Umgestaltung Altmarkt "nein", Sanierung "ja"
Hände weg vom OdF-Denkmal!

Zum Artikel vom 9.11.2010 in der MZ "Heftige Debatte um Denkmal" und Aufruf zur Leser-Diskussion wegen der Neugestaltung des Altmarktes.

Als Stadtrat bin ich etwas irritiert, dass die Diskussion in Zusammenhang mit der Neugestaltung des Altmarktes, vorrangig das OdF-Denkmal betrifft. Wer will mit dessen Zerstörung andere politische Zeichen in der Stadt setzen?

Der Bauausschuss verwies am 13.10.2010 durch Beschluss diese nichtöffentliche Informationsvorlage der Verwaltung in den öffentlichen Sitzungsteil des Hauptausschusses. Dort wurde von Hr. Weißbrodt (FDP) beantragt, aus der Vorlage zum Gutachterverfahren die Aufgabenstellung Punkt 8 Abs. 6 (Seite 17): "..soll durch die Einbeziehung des Denkmals in die Platzgestaltung das Gedenken an die Opfer des Faschismus im öffentlichen Bewußtsein wachhalten"! zu streichen. Hr. Seidel (SPD) schlägt eine Bürgerbeteiligung vor und stellt den Antrag, den gesamten Punkt 8 zu streichen. Dem wurde mehrheitlich zugestimmt.

Also daran scheiden sich die Geister? Nicht an der Neugestaltung des Altmarktes, sondern an der Existenz dieses 1950 errichteten Denkmals! Insbesondere durch das Wirken der jüdischen Antifaschistin Herta Wolfssohn scheiterte bereits Mitte der 90-er Jahre ein Versuch, die Denkmals-Inschrift zu verändern. Wissenswert: Frau Wolfssohn gründete die Arthur-Wolfsohn-Stiftung in Zeitz, um junge Künstler der Stadt Zeitz für ihr Wirken und ihr Engagement zu würdigen!

Zudem: Das Denkmal ist teilweise oder gänzlich Stadteigentum. Laut Gemeindeordnung Sachsen-Anhalt § 44, Abs. 3, Ziff. 7 darf ausschließlich der Stadtrat über Gemeindevermögen verfügen. Sollte dieses etwa umgangen werden?

Oder sollen wegen ihres politischen Bekenntnisses, ihrer antifaschistischen Haltung, aus rassistischen oder anderen "Gründen" von den Faschisten Verfolgte, Gedemütigte, Gefolterte oder sogar Ermordete wieder diffamiert und die faschistischen Verbrechen nachträglich sanktioniert werden, indem dieses Denkmal "geschliffen" wird?

Deshalb rufe ich die Zeitzer Bürger auf, sehr wachsam zu sein, wenn gewisse politische Kräfte - innerhalb und außerhalb von Zeitz - dieses Denkmal beseitigen bzw. den Text der Inschrift ändern wollen.

Ich appelliere als Zeitzer Stadtratsmitglied an alle Bürger, mit der Vergangenheit so umzugehen, dass sich nachfolgende Generationen unser nicht schämen müssen!

Siegfried Kutschick, Stadtrat



Zitat

Wer die Wahrheit nicht weiß, der ist bloß ein Dummkopf. Aber wer sie weiß und sie eine Lüge nennt, der ist ein Verbrecher!

Bertold Brecht



Der Offene Runde Tisch Zeitz, ORTZ




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