Montagsdemo Zeitz - Offener Runder Tisch Zeitz

Die erste Freiheit der Presse besteht darin, kein Gewerbe zu sein. (Karl Marx)

Jahrgang 3 + Nr. 01 + 3. Januar 2011

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Herausgegeben von "Offener Runder Tisch Zeitz"

Inhalt:

  1. Neuberechnung der Hartz IV-Sätze - Betrug an den Leistungsberechtigten
  2. Splitter von der 305. Zeitzer Montagsdemo am OdF-Denkmal auf dem Altmarkt

Neuberechnung der Hartz IV-Sätze
Betrug an den Leistungsberechtigten

Das BVerfG hat am 09.02.2010 festgestellt, dass die Berechnung der Hartz-IV-Sätze intransparent sei. Die Neuermittlung der Regelsätze durch die Bundesregierung wird den Vorgaben des BVerfG nach einem transparenten und nachvollziehbaren Verfahren nicht gerecht. Das Ergebnis der minimalen Anpassung der Regelsätze war nur möglich durch Tricks und politisch gewollte Abschläge. Auffällig ist dabei, dass die 364 € für den Eckregelsatz bereits im Existenzminimumbericht der Bundesregierung von 2008 auftauchen. Die angebliche Regelsatzerhöhung z. B. für Alleinstehende um fünf Euro ist keine wirkliche Erhöhung, weil nicht einmal der Kaufkraftverlust seit der Auswertung der EVS 2003 ausgeglichen wird!

Die Regelsatzhöhe wurde über die Statistikmethode anhand der EVS ermittelt. Dabei wurden jeweils für drei Monate von mehreren Haushalten ihre Ausgaben in einem Haushaltsbuch vermerkt. Herangezogen wurden dabei Haushalte aus dem untersten Einkommensbereich Diese Methode hat ein strukturelles Problem: Sie erfasst nicht die tatsächlichen Bedarfe, sondern nur die Ausgaben. Aber gerade bei einkommensschwachen Haushalten richten sich die Ausgaben nach den Möglichkeiten, die ihnen ihr geringes Einkommen überhaupt lässt. Problematisch ist zudem die Zusammensetzung der Referenzgruppe. Die Regierung erweckt den Eindruck, der Regelsatz sei von den kleinen Einkommen der Beschäftigten abgeleitet. Tatsächlich sind jedoch nur 19,6% dieser Referenzgruppe Beschäftigte.

Bisher wurden für die Ermittlung des Regelsatzes die Ausgaben von Haushalten zu Grunde gelegt, die den untersten 20% der Einkommenshierarchie zuzurechnen sind,. Für die aktuelle Berechnung hat die Bundesregierung verschiedene Referenzgruppen berechnen lassen: jeweils die untersten 10%, 15% und 20% der Einkommenshierarchie sowie die mit unter 922,60 € im Monat lebenden Haushalte. Herangezogen wurden von der Bundesregierung letztlich bei den 1-Personen-Haushalten lediglich die Ausgaben der untersten 15%. Für diese Abweichung konnte bis heute keine überzeugende Begründung geliefert werden. Der Effekt dieser Manipulation beläuft sich auf 18 €.

Das BVerfG hat den Gesetzgeber unmissverständlich dazu verpflichtet, bei künftigen EVS diejenigen Haushalte aus der Referenzgruppe herauszunehmen, deren Nettoeinkommen unter dem Niveau der Leistungen nach dem Niveau der Leistungen nach dem SGB II inkl. der Leistungen für Unterkunft und Heizung liegt. Dies hat die Bundesregierung unterlassen. Die Links-Partei gab beim Statistischen Bundesamt eine eigene Berechnung in Auftrag, wonach der Regelsatz auf Grund der Ausgaben der untersten 20% berechnet wurde - unter Herausnahme jener 1-Personen-Haushalte, die im Monat ein Einkommen unter 639 € zur Verfügung haben. Diese Berechnung kam zu dem Ergebnis, dass der Regelsatz 389,71 € betragen müsste. Neben der Herausnahme der verdeckt Armen empfiehlt es sich, auch die Aufstocker-Haushalte aus der Stichprobe herauszunehmen. Schließlich ist das Lebensniveau von nur geringfügig hinzuverdienenden Leistungsberechtigten dem von vollständig auf Hartz IV angewiesenen Menschen ähnlich. In der "Berechnung" der Bundesregierung wurden nur diejenigen Haushalte herausgenommen, die ausschließlich Einkommen nach SGB II beziehen.

Neben entsprechenden Manipulationen bei der Referenzgruppe wurde der Regelsatz vor allem durch Abschläge klein gerechnet. Gerade einmal 70% der in der EVS erfassten Ausgaben werden von der Bundesregierung als regelsatzrelevant anerkannt. Im Folgenden werden besonders willkürliche Abschläge aufgeführt:

>> Abschläge für Alkohol und Tabak (mit Substitut für Mineralwasser) 17,03 €
>> Essen außer Haus nur zu 28,5% anerkannt - In der Begründung des Gesetzentwurfes der Bundesregierung heißt es, auswärtige Verpflegung zähle nicht zum physischen Existenzminimum und sei deswegen nicht regelsatzrelevant. Das BVerfG hatte aber genau auf dieses soziokulturelle Existenzminimum abgestellt: Es geht also nicht nur um das körperliche Überleben, sondern auch um soziale Kontakte. Zur Lebensrealität dieses Landes gehört, dass sich Familien und Freunde gelegentlich in Cafés treffen. Die Abschläge bei Alkohol und Zigaretten widersprechen ebenfalls dieser Lebensrealität. Bei 16,20 € im Monat geht es zudem nicht um Alkoholexzesse, sondern eher darum, zu einer Geburtstagsfeier seinen Gästen auch Wein anbieten oder beim Treffen mit Freunden ein Bier trinken zu können. 18,97 €
>> Chemische Reinigung - Für Bewerbungsgespräche ist entsprechende Bekleidung vorzuhalten. 0,81 €
>> Haustiere, Schnittblumen, Zimmerpflanzen, Gartenpflege. Blumen bei Besuchen mitzubringen kann ebenso wenig verweigert werden, wie das Halten von Haustieren. Tätigkeiten im Garten können gerade für Erwerbslose eine sinnvolle alternative Tätigkeit darstellen. Zudem gehören sie zur sozialen Seite des verfassungsrechtlich geschützten Existenzminimums. 11,94 €
>> Sonderauswertung Verkehr 10,00 €
>> Arzt-/Zahnarztleistungen/sonstige Eigenanteile - Zahnärztliche Prophylaxebehandlung, Sehtest, Blutzuckermessungen, nicht allergieauslösende Zahnfüllungen etc. fallen auch für Leistungsberechtigte an, da Krankenkassen dies nicht erstatten. 7,12 €
>> Hausrat- und Haftpflichtversicherung - Gerade für Menschen ohne großes finanzielles Polster kann im Schadensfall eine entsprechende Versicherung existentiell sein und vor einer Verschuldung bewahren; zumal keine andere Erstattung jenseits von Darlehen im Notfall erfolgt. 6,54 €
>> Summe 72,41 €


Nur wenige der Abschläge sind systematisch zwingend. Zu diesen gehören Ausgaben für die GEZ und einige kleinere Ausgaben wie für orthopädische Schuhe (weil dafür Anspruch auf Mehrbedarf besteht). Wenn man die untersten 20% zu Grunde legt und auf nicht zwingende Abschläge verzichtet, würde sich der Regelsatz um 149,63 € erhöhen. Statt bei 364 € läge er für 1-Personen-Haushalte dann bei 513,63 €:

>> durchschnittliche Konsumausgabe 875,47 €
>> Ausgaben, die durch KdU gedeckt werden: (Ausgaben für Wohnen 380,50 € abzgl. Strom 29,58 € abzgl. Wohnungsinstandhaltung 3,08 €) -347,84 €
>> abzgl. Ausgaben für GEZ (Befreiung) -11,62 €
>> abzgl. Ausgaben für zwingende Abschläge (Anspruch auf Mehrbedarf) -3,26 €
>> abzgl. Ausgaben für Haushaltshilfe -1,93 €
>> Summe 510,82 €


Wie bereits ausgeführt, bildet die EVS nur Ausgaben anstatt tatsächlicher Bedarfe ab. Insofern ist zu prüfen, inwieweit die statistisch ermittelten Ausgaben tatsächlichen Bedarfen entsprechen. So wird bei den in der EVS erfassten Ausgaben für Nahrungsmittel nicht berücksichtigt, ob damit eine ausreichende Ernährung überhaupt möglich ist. Dies belegt allein die Tatsache, dass in die Stichprobe der EVS 2008 auch vier Haushalte eingeflossen sind, die nach eigenen Angaben innerhalb von drei Monaten keine Ausgaben für Nahrungsmittel hatten!!! Seriöse Berechnungen kommen zu dem Ergebnis, dass für eine gesunde Ernährung im Jahr 2009 monatlich 192 € nötig gewesen wären - 63,54 € mehr, als in der EVS 2008 angegeben sind. Für den ÖPNV verzeichnet die EVS bei Haushalten, die keine Ausgaben für Benzin haben, monatliche Ausgaben von 18,41 €; ein Monatsticket ist dafür in kaum einer Region zu erwerben. Von den in der EVS erfassten Bildungsausgaben (1,39 €) ist noch nicht einmal ein VHS-Kurs pro Jahr bezahlbar. Bei leistungsberechtigten Paaren erhalten beide Erwachsene jeweils nur 90% des Eckregelsatzes. Dem zu Grunde liegt die "Annahme", dass beim Zusammenleben von zwei Erwachsenen ausgabenmindernde Synergie-Effekte entstehen. Diese Behauptung ist jedoch durch die konkreten Ergebnisse der EVS nicht beweisbar.

Splitter von der 305. Zeitzer Montagsdemo
am OdF-Denkmal auf dem Altmarkt

Die Demo fand unter dem Motto "Hände weg vom OdF-Denkmal" statt:

Peter Moser: Dieser Anlass ist alarmierend. Im Bau- und im Hauptausschuss des Stadtrats wurde versucht, das hier stehende Denkmal für die Opfer des Faschismus im Rahmen einer "Umgestaltung" des Altmarktes aus den Schutzbestimmungen für Denkmale zu entfernen. Der eingereichte Beschlussantrag der Verwaltung sah vor, dieses Denkmal bei der Neugestaltung des Altmarktes zu erhalten und in die Planung einzubeziehen. Das wurde auf Antrag des Fraktionsvorsitzenden der FDP (Weißbrodt) gestrichen. Der Fraktionsvorsitzende der SPD (Seidelt) stellte sogar Antrag, alle Planungsanforderungen überhaupt zu streichen, um den Planern angeblich freie Hand für die Planung zu geben. Ich halte das alles für den schäbigen Versuch, dieses Denkmal hier weg zu kriegen. Dagegen müssen wir protestieren!

Max Labude: [...] "soll unwissend oder vielleicht vorsätzlich den Nazis der Boden bereitet werden?" [...] "Manche wollen heute alle Opfer der Nazizeit und des 2. Weltkrieges gleichsetzen. Das ist doch infam! Nazis, die nicht die Erkenntnis hatten, dass die Faschisten viele Verbrechen begingen und dass eine neue Zeit angebrochen war, mussten die KZ aufräumen. Wer sollte das sonst tun? Die Widerstandskämpfer selbst? Es ist entsetzlich, was vor allem seitens der FDP in Gang gesetzt wird. Ich hoffe bloß, dass Herr Kubicki recht hat und sich diese Partei bald auflöst."

Joachim Strauch (Stadtrat, Die LINKE): [...] "Das einzig hinnehmbare, was die FDP hinsichtlich des Denkmals versuchen sollte, ist die Sanierung des Denkmals. Sodass von diesen Millionen € - mit denen dieser Platz umgebaut werden soll - doch mal ein paar Euro abgezweigt werden, damit dieses Denkmal auch für unsere nachfolgenden Generationen erhalten bleibt. Es dient allen zur Mahnung, was hier steht! Es könnten allerdings mehr Leute hier sein. Da wir aber heute sehr kaltes Wetter haben, wollen wir mal ein Auge zukneifen."

Norbert Hörig (Stadtratsfraktion WiR/Unabhängige/KPD): [...] "Es steht für Millionen Menschen und auch für die Soldaten, welche in den Krieg ziehen mussten und z. B. in Stalingrad jämmerlich erfroren sind. Für alle Opfer des Faschismus. Dabei bleibe ich und dafür stehe ich."

Dieter Rolle: [...] "Bereits Bertold Brecht machte aufmerksam: "Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch." Und Julius Fucik mahnte: "Menschen seid wachsam!" Lasst also diese Gedenkstätte unberührt mit ihrem Charakter als ständige Mahnstätte für die nie zu vergessenden Verbrechen des Faschismus."



Der Offene Runde Tisch Zeitz, ORTZ




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