Montagsdemo Zeitz - Offener Runder Tisch Zeitz

Die erste Freiheit der Presse besteht darin, kein Gewerbe zu sein. (Karl Marx)

Jahrgang 3 + Nr. 03 + 7. März 2011

Druckversion(Download als PDF, beidseitig bedrucktes Faltblatt.)

«   Journal für soziale und politische Themen   »
Herausgegeben von "Offener Runder Tisch Zeitz"

Inhalt:

  1. Hartz IV 2011 - Streichungen übersteigen Regelsatzerhöhung
  2. Welche Partei soll man nur wählen?
  3. 100 Jahre Internationaler Frauentag

Hartz IV 2011 - Streichungen übersteigen Regelsatzerhöhung

Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 09.02.2010 veranstaltet die sog. "Sozialministerin" Ursula von der Leyen im Bundesrat gegenwärtig ein lächerliches Gefeilsche um ebenso lächerliche monatliche 5 € Regelsatzerhöhung. Während man hierüber keine Einigung erzielen kann, steht hingegen bereits jetzt fest, dass viele Haushalte seit Januar 2011 monatlich erheblich weniger Arbeitslosengeld II erhalten.

Ca. 165.000 ALG II-Haushalte erhielten bis Ende 2010 noch den einen Zuschlag nach § 24 SGB II zum ALG II. Dieser wurde unter bestimmten Voraussetzungen an diejenigen gezahlt, die aus ALG I in ALG II "abgerutscht" waren. Dieser auf maximal zwei Jahre befristete Zuschlag sollte den Absturz vom ALG I ins ALG II "abfedern". Die Höhe des Zuschlags bemaß sich für Alleinstehende auf maximal 160 € pro Monat, für Paare auf maximal 320 €, pro Kind kamen nochmals maximal 60 € hinzu. Zwar erhalten betroffene ALG II-Familien von den Elterngeldstellen nach wie vor ihre 300 € Elterngeld, jedoch kürzt ihnen das Job-Center ihr ALG II um genau diese 300 € wieder. Bislang durften sie diese Leistung behalten. Vor 2007, als es noch das Erziehungsgeld gab, bekamen junge Eltern zusätzlich zum ALG II 300 € Erziehungsgeld - und zwar zwei Jahre lang. Durch das neue Elterngeld wurde dieser Zeitraum auf ein Jahr gekürzt. Nun bekommen Betroffene gar nichts mehr. Dies betrifft etwa 130.000 Familien.

Für Bezieher von ALG II führten die Job-Center bis 2010 noch Rentenversicherungsbeiträge auf Basis eines fiktiven Einkommens von 205 € pro Monat ab. Das brachte zwar nur ein Rentenplus von 2,09 € pro Monat, doch immerhin konnten so auch Ansprüche auf Reha-Leistungen und Erwerbsminderungsrenten erworben werden. Seit 2011 wird die Rentenbeitragszahlung für Empfänger von ALG II gestrichen, hiervon betroffen sind rund 3,6 Millionen Personen. Zeiten des Bezugs von ALG II gelten nun für die gesetzliche Altersrente nur noch als Anrechnungszeiten ohne Wert. Wenigstens bleiben so Ansprüche auf mögliche Erwerbsminderungsrenten und Reha-Leistungen, die bislang erworben wurden, erhalten; neu erworben werden können solche Ansprüche aber nicht mehr.

Im Ergebnis sind die Einsparungen der Bundesregierung also höher, als die Ausgaben durch eine wie auch immer geartete Regelsatzerhöhung.

Welche Partei soll man nur wählen?

Diese Frage stellen sich viele Bürger, wenn sie den Aufruf zur Landtagswahl am 20. März 2001 in Sachsen-Anhalt lesen.

Oft schon wurden sie enttäuscht, weil die von ihnen gewählte Partei nicht einhielt, was sie vor den Wahlen versprochen hatte. Das ist aber dennoch kein Grund für Wahlboykott. Jede/r sollte sich fragen, welche Partei er/sie auf gar keinen Fall wählen will. Das vereinfacht dann die Wahlentscheidung für eine vernünftige und fortschrittliche Alternative.

Verschenken Sie Ihr Recht nicht.
Gehen Sie wählen!


100 Jahre Internationaler Frauentag

Der Internationale Frauentag wird am 8. März zum 101. Mal begangen. Er ist ein Tag des Kampfes für die Befreiung der Frauen von Ausbeutung und Unterdrückung. 1910, auf der zweiten internationalen Konferenz sozialistischer Frauen in Kopenhagen, schlug Clara Zetkin die Einführung eines internationalen Frauentages vor. Der Hinweis auf diesen Gründungsanlass hilft vielleicht, sich des hohen politischen Inhaltes dieses Tages immer bewusst zu sein.

Gewiss verdienen Mutter, Ehefrau, Schwester oder Kollegin Anerkennung und Dankbarkeit für aufopfernden Einsatz; nicht nur mit freundlichen Worten, Blumen, Kuchen und Konfekt und nicht nur an diesem einen Tag. Aber zumindest ebenso dringlich ist die noch immer - auch in Deutschland - ausstehende gesellschaftliche Gleichwertigkeit der Frauen. Darauf kommt es an! Das war für Clara Zetkin und ihre seinerzeitigen und nachfolgenden Mitstreiterinnen und Mitstreiter das am Internationalen Frauentag beschworene, doch jedentags aktuelle eigentliche Ziel und ist es bis heute geblieben. An jedem 8. März wird das Ziel wohl besonders hervorgehoben werden, doch anvisiert werden muss es immer wieder täglich.

Denn erreicht wurde es noch längst nicht. Das gilt im privaten wie im gesellschaftlichen Bereich, in öffentlichen wie alten familiären Gewohnheiten. Einiges wurde seit der Proklamierung dieses Tages erreicht, nicht ohne die aktive und kämpferische Beteiligung der Frauen: Achtstundentag (auch in Zeitz kämpften Frauen z. B. bei Kinderwagen-Naether dafür - schon damals ein Betrieb mit vielen weiblichen Arbeitskräften), Frauenwahlrecht. Freilich bleibt noch viel zu tun.

Frauen werden doppelt ausgebeutet und unterdrückt. Sie unterliegen der allgemeinen Ausbeutung, wie alle Unterdrückten. Darüber hinaus werden sie zusätzlich wegen ihres Geschlechtes ausgebeutet.

Die Erfüllung einiger Aufgaben ist überlebenswichtig für die Menschheit, für die Gesellschaft, für die Familie, ohne unmittelbar wirtschaftlich messbar oder gar profitabel sein zu können. Dies gilt verstärkt für einige ausschließlich von Frauen leistbare Funktionen - Schwangerschaft etwa und noch eine Anzahl weitere Tätigkeiten, welchen sie zumindest erfolgreicher genügen können. Hierfür verdienen sie nicht nur moralische Anerkennung (etwa am 8. März), sondern brauchen ausgleichende gesellschaftliche Unterstützung und direkte Hilfe der Gesellschaft. Davon sind sie heute weit entfernt.

In der DDR war gleicher Lohn für gleiche Arbeit bei gleicher Leistung gesetzlich garantierter Anspruch. In der BRD ist das erwiesenermaßen keine Selbstverständlichkeit - vielmehr trifft das Gegenteil zu. So sind Frauen in Führungspositionen eher eine - nicht nur durch tradierte Rollenmuster erklärbare - Ausnahmeerscheinung. Es braucht gewiss längere Zeit, um überholte und tief verwurzelte Traditionen im gesellschaftlichen wie im privaten Alltag aufzubrechen. Auch in der DDR wirkten noch alte Gewohnheiten, aber tatkräftig wurden sehr weitreichende Ansätze gemacht und sehr beträchtliche Fortschritte waren erreicht. Denn gesellschaftliche Bedingungen sind die entscheidenden Faktoren für gesellschaftliche Veränderungen, ermöglichen diese überhaupt erst wirklich.

In der DDR gab es mindestens einen weiblichen Kombinatsdirektor (vergleichbar einem heutigen Konzernchef) und überhaupt standen da eine Menge Frauen in hohen und mittleren Leitungsfunktionen. Freilich gab 's keine Frauenquote. War auch unnötig. Die Ingenieurin der BRD hieß in der DDR zwar Ingenieur - wie ihr männlicher Kollege auch. Sie hatte allerdings auch das gleiche Einkommen wie ein männlicher Kollege. Bereits vor weit mehr als dreißig oder vierzig Jahren! Nach aktuellsten Erhebungen (nicht nur der Gewerkschaften) ist das in der BRD bis heute immer noch nicht selbstverständlich - das Gegenteil trifft auch hier zu. Was gilt mehr, Verpackung oder Inhalt? Aber in einer lächerlichen und zugleich gefährlichen Fassadengesellschaft leben wir ohnehin.

Eventuell gut gemeinte Gesetze, Verordnungen und Gerichtsurteile können nicht die Tatsache der doppelten Frauen-Unterdrückung aufheben. Weil diese Frauen-Unterdrückung wirtschaftliche Ursachen hat. Und mächtige Nutznießer. Denn "wirtschaftliche Ursachen" sind in der kapitalistischen Gesellschaft eben privatwirtschaftliche Ursachen, nämlich Profitstreben.

Frauen haben eine höhere statistische Lebenserwartung, fallen durch Schwangerschaft, Pflege erkrankter Kinder (oder sonstiger Angehöriger) häufiger aus, beziehen länger Rente - in die Rentenkassen zahlen ja (immer noch) auch die Unternehmen ein und das schmerzt die. Also sind Frauen für die Unternehmen "unwirtschaftlicher" und demzufolge werden sie natürlich hintenan gesetzt bei betrieblichen wie beruflichen Erwägungen.

Natürlich? Jawohl, das ist ganz natürlich in einer Gesellschaft, welche alles dem Profit zu- und unterordnet. Das ist eben natürlich in einer Gesellschaft, welche alles warenförmig orientiert und wertet; in welcher alles vermarktet wird - auch elementarste Lebensinteressen der Menschen.

Nur beiläufig sei hier an verkaufte Fußballspieler erinnert, an denen sich kaum noch jemand stört. Verkaufte Menschen! Fällt kaum noch auf. Aber alltäglich und empfindlich störende Mißstände sollten uns sehr wohl Anlaß sein, nach Änderung und Besserung unser aller Lage zu streben. Und solche Mißstände gibt es mehr als hinreichend.

Sind das Mißstände, wenn tariflich entlohnte Arbeitskräfte entlassen und durch immer wieder wechselnde unbezahlte "Praktikanten" ersetzt oder Praktikantenplätze zu diesem Zweck gleich von Anbeginn geschaffen werden? Oder wenn sonstwie ganz mies bezahlte Arbeitskräfte die Löhne drücken müssen und tariflich bezahlte Arbeitsplätze vernichten müssen - nicht selten sogar mit steuerfinanzierten "aufstockenden" Leistungen der ARGEn mitfinanziert, um überhaupt leben zu können vom Arbeits"lohn"? Und: Auch im Niedriglohnsektor ist der Frauenanteil überproportional hoch. Ist das kein Mißstand? Sind überhaupt Niedrigeinkommen kein Mißstand an sich?

Das sind Mißstände, das ist Ausbeutung. Ausbeutung ist es aber immer auch, wenn die Bezahlung Werktätiger hinreichender sein sollte - meist nach schweren Kämpfen. Es ist und bleibt Ausbeutung, wenn die von allen Werktätigen geschaffenen Werte als private Gewinne in den Taschen ganz anderer Leute landen!

Eine wirklich ausbeutungsfreie Gesellschaft wird diese Gewinne vergesellschaften und zum Wohle aller ihrer Mitglieder verwenden anstatt wenigen Profiteuren deren Nutzung zu überlassen. Wirkliche und strukturelle Verbesserung kann nur möglich sein durch Beendigung der Ausbeutung fremder Arbeitskraft. Zum Wohle aller gibt es da - neben anderem - Kinderkrippen, Kindergärten, betriebliche Frauenruheräume, wenn sie "ihre Tage haben", Frauenförderungspläne und weiteres zur Unterstützung der Frauen. Erst dann ist eine wirkliche Befreiung der Frauen möglich - durch die Befreiung der gesamten Gesellschaft von Ausbeutung. Dafür gibt es geschichtliche Beispiele, zwar nicht perfekte, aber dennoch in mancherlei Hinsicht vorbildhafte und allemal überzeugendere als in der Gegenwart. Ohne feministische Albernheiten nötig zu machen.

Frauen sind nicht untereinander gleich und auch nicht gleich den Männern. Das gilt sinngemäß auch für Männer. Aber alle Menschen sollen gleichwertig sein und gleichberechtigt. Dieses Anliegen Clara Zetkins bleibt aktuell.

Ebenso aktuell bleiben die notwendigen gesellschaftlichen Veränderungen, welche dies erst ermöglichen werden. Die kluge und kämpferische Clara Zetkin erstrebte dies - auch zur echten Befreiung der Frauen.



Der Offene Runde Tisch Zeitz, ORTZ




Copyright by ORTZ