Montagsdemo Zeitz - Offener Runder Tisch Zeitz

Die erste Freiheit der Presse besteht darin, kein Gewerbe zu sein. (Karl Marx)

Jahrgang 3 + Nr. 05 + 1. Mai 2011

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Herausgegeben von "Offener Runder Tisch Zeitz"

Inhalt:

  1. Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages versteht nicht das Anliegen einer Unterschriftenaktion bzw. Petition des ORTZ
  2. Erste Nachricht des Petitionsausschusses an den ORTZ
  3. Zweite Nachricht des Petitionsausschusses an den ORTZ
  4. Antwort des ORTZ an den Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages

Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages versteht nicht das Anliegen einer Unterschriftenaktion bzw. Petition des ORTZ

Der Offene Runde Tisch Zeitz führt regelmäßig Unterschriftenaktionen durch. Eine dieser Aktionen richtete sich gegen die "Umkehr der Beweislast im Sozialrecht", welche die derzeitige Sanktionspraxis der ARGEn bzw. Jobcenter erst ermöglicht. Wir forderten:
  • Keine amtlichen Zwangsmaßnahmen anhand unbewiesener Verdächtigungen und Anschuldigungen!

  • Schuldnachweis führen anstatt von Arbeitslosen Unschuldsbeweise fordern!

  • Keine behördliche Hetze gegen Arbeitslose!

  • Existenz sichernde Arbeitsplätze anstatt Vorverurteilung und Diffamierung Arbeitsloser!
Im Laufe des Jahres 2010 wurden bei den Unterschriftenaktionen knapp 500 Unterschriften gegen die Beweislastumkehr im Sozialrecht erzielt und am 20.12.2011 im Rahmen der Bürgerfragestunde zur Kreistagssitzung an den Landrat Harri Reiche übergeben. Im Kreistag fühlte man sich in dieser Angelegenheit jedoch nicht zuständig und leitete die Unterschriftenlisten an den Petitionsausschuss des Bundestages weiter, welcher uns folgende Nachrichten zustellte:

Erste Nachricht des Petitionsausschusses an den ORTZ

Berlin, 16.02.2011

Bezug: Unterschriftenlisten, hier eingegangen am 24.01.2011


Sehr geehrter Herr -,

der ORTZ hat Forderungen aufgestellt, die die Mitzeichner unterstützen. Die Leitpetitionen sind aber nicht unterschrieben.

Petitionen ohne Unterschrift werden nach den Verfahrensgrundsätzen des Petitionsausschusses nicht behandelt.

Ich muss Sie daher bitten, dem Petitionsausschuss die unterschriebenen Eingaben erneut zuzusenden.

Weiterhin ist aus Ihrer Eingabe - Umkehr der Beweislast im Sozialrecht - nicht eindeutig zu entnehmen, was Sie konkret vom Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages erwarten. Ich bitte deshalb, Ihre Ausführungen zu ergänzen.

Für den Fall, dass Ihre Eingabe auch als Bitte zur Gesetzgebung angesehen werden soll, bitte ich ergänzend mitzuteilen, welche gesetzlichen Bestimmungen Ihrer Meinung nach und mit welchem Ziel geändert oder ergänzt werden sollen.

Insbesondere bitte ich um Mitteilung, was der ORTZ mit folgenden Forderungen/Ausführungen meint:
  • Was ist mit der Umkehr der Beweislast im Sozialrecht gemeint?

  • Um welche Schuldnachweise oder Unschuldsbeweise geht es?

  • Welche Hetze ist gemeint?

  • Welche amtlichen Zwangsmaßnahmen anhand von Verdächtigungen sind gemeint?

  • Welche Diffamierung durch Behörden ist gemeint?
Aufgabe des Petitionsausschusses ist es, Handlungen und Unterlassungen von Behörden und anderen Verwaltungsstellen des Bundes zu prüfen. Der Petitionsausschuss ist auch zuständig für die Behandlung von Bitten zur Gesetzgebung des Bundes.

Die Behandlung von Meinungsäußerungen ist innerhalb eines Petitionsverfahrens nicht möglich. Die Tätigkeit des Petitionsausschusses ist nach Artikel 17 des Grundgesetzes auf die Behandlung von Bitten zur Bundesgesetzgebung und Beschwerden über Behörden und Verwaltungsstellen des Bundes beschränkt. Meinungsäußerungen sind in diesem Sinne keine Petitionen.


Mit freundlichen Grüßen
Im Auftrag, Margrit Weisel


 1. Nachricht des Petitionsausschusses an den ORTZ (PDF-Download)

Zweite Nachricht des Petitionsausschusses an den ORTZ

Berlin, 06.04.2011

Bezug: Mein Schreiben vom 16.02.2011


Sehr geehrter Herr -,

an die Ausfertigung und Übersendung Ihres Antwortschreibens wird freundlich erinnert.

Falls keine Antwort eingeht, darf Ihre Eingabe als erledigt betrachtet werden.


Mit freundlichen Grüßen
Im Auftrag, Margrit Weisel


 2. Nachricht des Petitionsausschusses an den ORTZ (PDF-Download)

Antwort des ORTZ an den Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages

Deutscher Bundestag
Petitionsausschuss
Platz der Republik 1
11011 Berlin

Zeitz, 18.04.2011

Pet 4-17-11-810-017890


Sehr verehrte Frau Weisel, sehr verehrte Damen, sehr geehrte Herren,

wir bestätigen Ihnen den ordnungsgemäßen Eingang Ihrer Schreiben vom 16.02.2011 und vom 06.04.2011. Nein, keinesfalls wünschen wir, unser Anliegen unbearbeitet "als erledigt" zu betrachten, wie Sie uns mitteilten. Vielmehr ist ja Sinn und Zweck unserer Mühe, eine nicht nur von uns als höchst ungerecht, unsozial und schädlich erachtete Politik verändern zu helfen. Zudem hatten Sie in Ihren Schreiben keine Terminstellungen angegeben. Auch wollen wir ja ernsthaft versuchen, insbesondere der Bundestagsmehrheit die ganz offenkundig ihrerseits unbegriffene traurige Wahrheit über ihre Politik und deren Folgen zu vermitteln. Wir machen uns diese überaus schwere Aufgabe nicht leicht - und das kostet eben Zeit.

Gern möchten wir kurzfristig und zügig reagieren, doch angesichts unserer Struktur - wir sind selbstverständlich nur ehrenamtlich tätig - und nötiger Abstimmungen über unsere Aktivitäten, Darstellungen und Äußerungen sowie jetzt noch zusätzlich entstandener krankheitsbedingter empfindlicher Ausfälle konnten wir diesbezüglich nicht optimieren. Dafür bitten wir um Ihr Verständnis.

Für Ihren Verweis auf die fehlenden Unterschriften unter den Leitpetitionen danken wir Ihnen verbindlichst. Wir hoffen, diesen notwendigen Formalitäten mit der erneuten Übersendung der nunmehr unterschriebenen Leitpetitionen zu genügen. Hinsichtlich der von Ihnen gewünschten näheren Erläuterungen zum Anliegen möchten wir präzisieren:

Die Umkehr der Beweislast im Sozialrecht meint die Tatsache der weiten Ermessensräume für die ARGEn. Praktizierte Rechtstradtion ist dementgegen seit jeher, dass Bürger in allem frei sind, was nicht ausdrücklich durch Gesetz verboten ist und der Staat mit allen seinen Organen nur tun darf, was ihm ausdrücklich durch Gesetz erlaubt ist. Das Sozialrecht der jüngeren Zeit durchläuft hier eine gegensätzliche Entwicklung, welche wir mit unseren Unterschriften- und Protestaktionen angreifen. Beispielsweise muss jedem Straftäter bei Gericht vor einer jeden rechtlichen Sanktion Schuld nachgewiesen, müssen Beweise beigebracht werden. Im Sozialrecht wurden dementgegen beweislos - nur auf Anschuldigungen hin - Sanktionen verhängt. Die ARGEn wurden ermächtigt zur eigenverantwortlichen Definition von Haushaltsgemeinschaften als angebliche Bedarfsgemeinschaften - mit erheblichen finanziell nachteiligen Auswirkungen für Betroffene. Oder Personen werden beweislos der Schwarzarbeit beschuldigt - mit sofortigen Sanktionsfolgen. Aus vielfältigen Informationen wurde uns derartiger Sachstand als derart gehäuft bekannt, dass von Ausnahmefällen wirklich nicht mehr ausgegangen werden kann. Alles dies wurde ermöglicht durch sehr weit gehende und nahezu uneingeschränkte Ermessensvollmachten der ARGE-Sachbearbeiter. Anstatt gesetzlich definierter Rechtstatbestände wurden im Sozialrecht zunehmend in die Ermessensvollmacht der ARGEn gestellte Definitionen zur Enrtscheidungsgrundlage gemacht. Dies wünschen wir zu verändern.

Angeschuldigten Hartz-IV-Betroffenen ist beispielsweise aufgegeben - bei Strafe von sozialrechtlichen Sanktionierungen - den Nachweis etwa einer Haushaltsgemeinschaft gegen die Unterstellung einer Bedarfsgemeinschaft seitens der ARGE zu erbringen. Die ARGEn müssen in derartigen Fällen ihre Annahme einer Bedarfsgemeinschaft nicht beweisen, stattdessen wird den Hartz-IV-Betroffenen aufgegeben, den Nachweis unzutreffender ARGE-Behauptungen zu führen. Die Beweispflicht obliegt somit den Beschuldigten, wird entgegen aller Rechtstradition und entgegen überkommenen Rechtsverständnisses umgekehrt - also auf die Beschuldigten umgelenkt und umgelegt. Das ist eine Beweislastumkehr - zu Lasten der Beschuldigten! Den auf bloße Verdächtigungen "gegründeten" Anschuldigungen folgen amtliche Zwangsmaßnahmen - nämlich Einschränkung bis völliger Entzug der wirtschaftlichen Lebensgrundlage.

Auch sehen wir u. a. das Grundrecht auf Freizügigkeit gegenüber Hartz-IV-Betroffenen eingeschränkt, indem diese - selbst bei gesicherter täglicher postalischer Erreichbarkeit - zum Verlassen ihres kommunalen Wohnbereiches einer Erlaubnis der ARGE bedürfen, um nicht für den betreffenden Zeitraum ihren Leistungsanspruch zu verlieren. Wir halten diesen Sachverhalt für Schuldsklaverei - ökonomisch bewirkt und mit Schadauswirkungen auf die Gesamtgesellschaft.

Dies alles sind nach unserem Verständnis zwar gesetzlich legitimierte, jedoch allein auf Verdächtigungen fußende amtliche Zwangsmaßnahmen.

Auf diese Weise wurde ein rechtlicher Rahmen geschaffen, welcher ganze Bevölkerungsgruppen - nämlich unverschuldet Arbeitslose - u. a. von vorgenannten. allgemeinrechtlichen Bedingungen ausnimmt und diesen Personenkreis de facto unter sonderrechtliche Auflagen stellt. Das erfüllt in unseren Augen den Tatbestand der Hetze. Und in sehr vielen nichtamtlichen Veröffentlichungen bewirkte dieser Rechtsstand entsprechende Diffamierungen bis hin zur ganz allgemeinen Hetze gegen Hartz-IV-Opfer - ein schon deutlich erkennbares gesellschaftliches Phänomen mit breiter Akzeptanz. Auch eine unter diesen Auflagen den Opfern staatlich gewährte Subsistenz niederster Beschaffenheit ändert hieran nichts.

Kein Mitglied des Bundestages muss mit solch geringen Aufwendungen den Lebensunterhalt bestreiten wie Hartz-IV-Opfer. Die Folgen unberechtigter Kürzungen sind für solche Betroffenen katastrophal. Gegen diese im Bundestag mehrheitlich getroffenen Entscheidungen wenden wir uns mit unseren Aktivitäten und begehren Abänderung. Gern können auch MdB aus dem Kreis der Anhänger dieser von uns angegriffenen gesetzlichen Regelungen uns gegenüber schriftlich ihre Vorstellungen äußern. Wir werden diese öffentlich machen und uns ebenso schriftlich positionieren, wenn dies gewünscht wird.

Dieses Schreiben wurde am 18.04.2011 einstimmig von 32 Teilnehmern der Zeitzer Montagsdemo verabschiedet.


Mit freundlichem Gruß
Offener Runder Tisch Zeitz



Der Offene Runde Tisch Zeitz, ORTZ




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