Montagsdemo Zeitz - Offener Runder Tisch Zeitz

Die erste Freiheit der Presse besteht darin, kein Gewerbe zu sein. (Karl Marx)

Jahrgang 3 + Nr. 06 + 1. Juni 2011

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Herausgegeben von "Offener Runder Tisch Zeitz"

Inhalt:

  1. Bildungspaket der Bundesregierung droht Ladenhüter zu werden
  2. Leiharbeit selbst schon bei "Bürgerarbeit"
  3. Ostermarsch durch den Zeitzer Forst am 25.04.2011 in Breitenbach

Bildungspaket der Bundesregierung droht Ladenhüter zu werden

Das "Glanzstück" der Hartz-Reformen der Bundesarbeitsministerin von der Leyen droht in den hintersten Schubladen ihres "Sozialladens" zu versauern. Nicht einmal 8 % der möglichen leistungsberechtigten Familien habe einen Antrag gestellt. Dabei sei doch die Beantragung so einfach und unbürokratisch.

Wer zum Besuch der Schule auf Schülerbeförderung angewiesen sei, bekomme die Fahrtkosten erstattet. Richtig, aber nur wenn niemand anders (Land, Kommune, Schule, Wohlfahrtsverbände, Verwandte, Freunde die Kosten übernehmen und dem Kind nicht zugemutet werden kann, die Kosten selbst zu finanzieren. Also sind vorm Antrag erst Nachweise erforderlich, dass kein anderer die Kosten übernimmt. Und selbstverständlich wird der im Regelbedarf enthaltene Betrag (bei Kindern von 6 bis 13 Jahren 14 €, bei Kindern von 14 bis 17 Jahren 12,62 €) abgezogen. Und alle Fahrkarten sammeln, die deutsche Bürokratie braucht sie als Nachweis. Aber sonst geht alles einfach und unbürokratisch!

Kosten für Nachhilfe werden berücksichtigt, aber nur dann, wenn die Nachhilfe geeignet und zusätzlich erforderlich ist, um die festgelegten wesentlichen Lernziele zu erreichen. Zunächst einmal sollen schulische Angebote der Lernförderung wahrgenommen werden müssen. Nur sofern diese nicht ausreichen, kann außerschulische Nachhilfe gefördert werden. Allerdings muss die Nachhilfe dazu dienen, ein wesentliches Lernziel im Sinne des jeweiligen Landesschulrechts zu erreichen. Das ist regelmäßig die Versetzung in eine nächste Klassenstufe bzw. die Erreichung eines "ausreichenden Leistungsniveaus". Sofern dies nicht gefährdet ist, kommt Lernförderung nicht in Betracht. Nachhilfe wird auch dann nicht bezahlt, wenn trotz Nachhilfe die Versetzung nicht mehr erreicht werden kann und wenn ein Wechsel der Schulform oder eine Wiederholung der Klasse angezeigt ist. Auch zum Erreichen einer besseren Schulartempfehlung wird Nachhilfe nicht gefördert. Die Kosten der Nachhilfe müssen angemessen sein. Bürokratischer geht's nicht mehr - viele Nachweise und wieder der unbestimmte Rechtsbegriff der "Angemessenheit"!

Kindern in Schulen, und Kitas erhalten einen Zuschuss zu den Kosten der gemeinschaftlichen Mittagsverpflegung entsprechend der tatsächlichen Höhe der Kosten des Mittagessens abzgl. eines Eigenanteils von 1 € je Mittagessen. Der Zuschuss in Schulen wird monatlich für alle Tage gezahlt, die im jeweiligen Bundesland Schultage sind, bei Kitas für Tage, in denen nach örtlichen Gegebenheiten Mittagessen ausgegeben wird. Wieder Nachweise beibringen!

Für die Ausstattung mit Schulbedarf werden pauschal (super: ohne Antrag) 100 € jährlich gezahlt, allerdings in zwei halbjährlichen Raten in Höhe von 70 € und 30 €. Ohne Antrag? Aber nur für Kinder im Leistungsbezug nach SGB II. Kinder, die Kinderzuschlag oder Wohngeld beziehen, müssen diese Leistungen allerdings extra beantragen. Frau von der Leyen: Sagten Sie nicht einfach und unbürokratisch?

Kindern und Jugendlichen wird bis zur Vollendung ihres 18. Lebensjahres ein Bedarf in Höhe von bis zu 10 € monatlich für Mitgliedsbeiträge für Vereine in den Bereichen Sport, Spiel, Kultur und Geselligkeit, Unterricht in künstlerischen Fächern und vergleichbaren angeleiteten Aktivitäten der kulturellen Bildung sowie Teilnahme an Freizeiten anerkannt. Also Rechnungen und Quittungen sammeln und wer kontrolliert eigentlich, dass die Anbieter ihre bisherigen Preise nicht einfach um die 10 Euro erhöhen (Mitnahmeeffekt). Und natürlich wieder viel Bürokratie bei der Abrechnung zwischen Leistungserbringer und der Bewilligungsbehörde!

Ach ja, bevor Sie Ihre "Zettellage" sammeln, erkundigen Sie sich erst einmal, welche Behörde für Ihren Antrag zuständig ist! Für Leistungsberechtigte nach dem SGB II das Jobcenter; für Leistungsbezieher nach dem SGB XII die zuständige Kommune (Sozialamt) und für Kinder mit Kinderzuschlag oder Wohngeld die "zuständigen Stelle" (bei der Familienkasse zu erfragen). Dabei sollte doch, liebe Frau von der Leyen, alles so einfach sein!

Leiharbeit selbst schon bei "Bürgerarbeit"

Das neueste Projekt "Bürgerarbeit für Langzeitarbeitslose" aus dem Ministerium von der Leyen droht erwartungsgemäß zum Flop zu werden. Nun hat das Ministerium plötzlich die Förderkriterien geändert: Leiharbeit soll es richten.

Das bundesweite Modellprojekt "Bürgerarbeit" hat zum Ziel, Langzeitarbeitslosen eine reguläre Stelle zu verschaffen. Die Gewerkschaften verlangen dabei, dass in Kommunen eingesetzte Bürgerarbeiter nach Tarif bezahlt werden. Die Bundesregierung verneint das. Das Projekt, das wegen dieser Rechtsunsicherheit zu scheitern droht, trickst das Ministerium von Frau von der Leyen nun, in dem es anordnete, dass ab sofort für Bürgerarbeitsplätze auch Leiharbeit zulässig ist. Langzeitarbeitslose, die am Projekt teilnehmen, können nun von Beschäftigungsgesellschaften eingestellt und von diesen an Kommunen entliehen werden. Tariflohn muss so nicht gezahlt werden, und auch etwaige andere Kostenrisiken sind die Kommunen los.

Noch vor wenigen Wochen hatte die Ministerin Probleme bei der Bürgerarbeit bestritten und den Beginn als "durchweg positiv" bewertet. Jetzt gab sie zu, dass die Forderung nach Tariflohn "zu Zurückhaltung bei der Einrichtung entsprechender Arbeitsplätze" geführt habe. Die Zulassung von Leiharbeit begründete die (Un)sozialministerin perfiderweise auch noch mit einem "Interesse der betroffenen Langzeitarbeitslosen" an Bürgerjobs. Ursprünglich hatte das Ministerium Leiharbeit ausgeschlossen, um besser überprüfen zu können, ob die Förderbedingungen erfüllt sind. Nun räumt das Ministerium ein, dass die Änderung "im Einzelfall die Prüfung der Fördervoraussetzungen erschweren könne".

Nach dem SGB II sollen Leistungsberechtigte jede Möglichkeit nutzen, ihren Leistungsbezug zu verringern oder zu beenden. Frau von der Leyen: Wie wäre es, wenn Sie mit gutem Beispiel vorangehen und durch die Zahlung von Tariflohn Lohndumping verhindern und so dazu beitragen, den Leistungsbezug der Teilnehmer am Projekt "Bürgerarbeit" zu beenden oder zumindest wesentlich zu mindern?

Ostermarsch durch den Zeitzer Forst am 25.04.2011 in Breitenbach

Über 100 Personen - darunter viele Anwohner der angrenzenden Gemeinden - erschienen, um gegen die militärische Nutzung des Zeitzer Forstes und die Errichtung von 26 neuen Schießbahnen zu protestieren.

Eine Bürgerinitiative sammelte Unterschriften gegen die geplante Schießanlage und machte ihren Standpunkt auch mit großen Transparenten deutlich. Der Offene Runde Tisch Zeitz unterstützte die Aktion mit der Bereitstellung von Tontechnik. Als Organisator des alljährlichen Ostermarschs sprach Alt-Oberbürgermeister Dieter Kmietczyk zu den erschienenen Demonstranten:
Ich wünsche Ihnen zunächst noch ein schönes Osterfest. Das Wetter meint es in diesem Jahr besonders gut mit uns, was besonders heute für unser Vorhaben - durch den Forst zu marschieren - ganz wunderbar ist. Weiterhin möchte ich Ihnen von Herrn Uwe Kraneis (Bürgermeister der Gemeinde Gutenborn) herzliche Grüße bestellen. Er ist heute leider aus persönlichen Gründen verhindert.

Vor Jahren war es möglich, jeden einzelnen mit Handschlag zu begrüßen. Heute habe ich das auch versucht, aber es hat nicht ganz geklappt, denn es sind viel mehr Leute hier und das ist ein gutes Zeichen. Ein weniger gutes Zeichen ist allerdings, dass die Bundeswehr nun allmählich Ernst macht mit dem, was sie mit dem Zeitzer Forst vorhat. Es ist nicht nur die militärische Nutzung, gegen die wir seit vielen Jahren gemeinsam demonstriert haben, sondern in diesem Jahr ist neu hinzu gekommen, dass man seitens der Bundeswehr plant, dort auch noch einen Standort-Schießplatz zu bauen.

Worüber ich mich persönlich sehr gefreut habe - ich darf Familie Köhler begrüßen - es ist ein Gemeinschaftswerk der Familie Köhler mit dem Spruchband: "Nein Danke zur Standortschießanlage". Und es gibt eine breite Bürgerinitiative, die schon sehr viele Unterschriften gesammelt hat. Auch heute werden noch Unterschriften gesammelt. Es wurde bereits von ihm ein Protestschreiben abgesandt an den Bundesminister für Verteidigung, Herrn De Maiziere, um ganz klar die Position aus der Region und - durch die Unterschriften bekräftigt - ein ganz klares Nein zu dieser geplanten Standort-Schießanlage zu bekunden. Etwas, worüber wir uns schon im Vorfeld unterhalten haben, war eine Frage, die wir einfach in die Runde stellen wollen:

Ist es aus dem gegebenem Anlass ausreichend, nur einmal im Jahr hier zu protestieren? Oder wollen wir uns gemeinsam noch etwas ausdenken, um auch zu einer anderen Zeit, an einem anderen Platz, unser Nein gegen die Standort-Schießanlage ganz deutlich zu machen? Natürlich verbunden mit der Forderung gegen eine militärische Nutzung des Zeitzer Forstes überhaupt. Eine Möglichkeit wäre es, die Bundesstraße B2, welche der Bundeswehr als Zubringer für den Übungsplatz dient, mal für einen Zeitraum zu blockieren. Das wäre auch ein über die Presse nach außen transportiertes Signal! Denn über eine zu sperrende Bundesstraße müssen zuvor auch die Verkehrsteilnehmer informiert werden. Ich rechne dabei auch mit mehr Zustimmung zu dieser geplanten Aktion als mit Protest dagegen. Ich würde dazu mit Herrn Köhler ein weiteres vertiefendes Gespräch führen und auch mit weiteren Interessierten, die sich dazu entweder an Herrn Köhler oder an mich wenden können, um das vorbereiten zu können. Wir werden uns diese Aktion natürlich genehmigen lassen, so wie auch die heutige Demonstration genehmigt wurde.

Ich möchte an dieser Stelle auch recht herzlich die Polizei begrüßen, die unsere heutige Veranstaltung absichern wird und mit der die Abstimmung darüber sehr unkompliziert geschah. Ich wurde dabei gebeten, auf die bestehende Waldbrandgefahr hinzuweisen. Es besteht also Rauchverbot. Bitte auch keine Abfälle im Wald entsorgen. Es wurde aber auch gesagt, dass bei den Teilnehmern an dieser Aktion solche Unarten noch nie festgestellt wurden.

Zum Anliegen selbst: Ich wurde gefragt, seit wann es diese Demonstration gibt. Antwort: Seit der Wende. Ich begrüße auch einen Vertreter aus Ostthüringen der sich dafür interessiert. Er war auch bei der ersten Demonstration 1991 dabei. Und es gibt einen harten Kern, der seitdem Jahr um Jahr an dieser Demonstration teilgenommen hat. Wir stehen zu dieser Tradition, gegen eine militärische Nutzung des Zeitzer Forstes zu demonstrieren. Der geplante Standortschießplatz ist vor allem für die Kasernen in Weißenfels und in Gera gedacht. Ich wurde auch mit der Frage konfrontiert, ob ich denn dann auch gegen diese beiden Standorte wäre. Meine Antwort: Das ist nicht unser Thema! Wir sind gegen die militärische Nutzung des Zeitzer Forstes und gegen die Schießanlage! Und alle sich daraus möglicherweise ergebenden Konsequenzen haben andere zu tragen und nicht wir. Denn eine militärische Nutzung des Zeitzer Forstes hat mit den GUS-Truppen begonnen und wir hatten alle gehofft, dass mit dem Abzug der GUS-Truppen diese militärische Nutzung beendet ist und wir den Zeitzer Forst wieder für uns haben. Wir verurteilen schärfstens, dass dies jetzt mit einer solch intensiven militärischen Nutzung und einer solchen Erweiterung fortgesetzt wird.

Nun noch zum Verlauf der Demonstration: es ist der linke Teil des Zeitzer Forstes den wir betreten dürfen. Dort gibt es verschiedene Waldwege, auf denen wir gehen können. Anschließend treffen wir uns wieder hier an diesem Platz. Während der Demonstration werden wir genügend Zeit haben, das eine oder andere Gespräch miteinander zu führen. Ich freue mich jedenfalls, dass Sie so zahlreich erschienen sind.

Zum Abschluss vielleicht noch ein Spruch: Ein steter Tropfen höhlt den Stein. Nun lasst uns Taten sehen.
Anschließend zog die Demonstration durch den von militärischer Nutzung freien Teil des Zeitzer Forstes, bei durchweg frühlingshaftem Wetter.



Der Offene Runde Tisch Zeitz, ORTZ




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