Montagsdemo Zeitz - Offener Runder Tisch Zeitz

Die erste Freiheit der Presse besteht darin, kein Gewerbe zu sein. (Karl Marx)

Jahrgang 4 + Nr. 01 + 2. Januar 2012

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Herausgegeben von "Offener Runder Tisch Zeitz"

Inhalt:

  1. Die größten Irrtümer im Zusammenhang mit Hartz IV, Teil 4
  2. Ein Urteil zu 1 €-Jobs
  3. Hartz IV-Erfahrene in den Beirat des Jobcenters!
  4. Fallstrick Bewerbung
  5. Nachbetrachtung: Ein altes neues Weihnachtslied

Die größten Irrtümer im Zusammenhang mit Hartz IV
4. Teil:

Von ALG II betroffene Eltern können ihrem Kind durch außerschulischen Nachhilfeunterricht ermöglichen, einen besseren Notendurchschnitt zu erreichen, um dem Kind den Wechsel von der Sekundarschule zum Gymnasium zu ermöglichen. Die dafür entstehenden Kosten werden vom Amt im Rahmen des viel gepriesenen Bildungs- und Teilhabepaketes der Frau von der Leyen erstattet.

F A L S C H !!!

Kosten von außerschulischem Nachhilfeunterricht werden nur in bestimmten Fällen berücksichtigt. Die Nachhilfe muss dazu dienen, ein wesentliches Lernziel im Sinne des jeweiligen Landesschulrechts zu erreichen. Das ist regelmäßig die Versetzung in eine nächste Klassenstufe bzw. die Erreichung eines "ausreichenden Leistungsniveaus". Sofern dies nicht gefährdet ist, kommt Lernförderung nicht in Betracht. Nachhilfe wird auch dann nicht bezahlt, wenn trotz Nachhilfe die Versetzung nicht mehr erreicht werden kann und wenn ein Wechsel der Schulform oder eine Wiederholung der Klasse angezeigt ist. Auch zum Erreichen einer besseren Schulartempfehlung wird Nachhilfe nicht gefördert.

Ein Urteil zu 1 €-Jobs

Voraussetzung bei 1-€-Jobs und Bürgerarbeit ist: es müssen erstens zusätzliche Arbeitsplätze sein und diese Arbeit würde zweitens andernfalls nicht geleistet werden können. Darüber hinaus müssen sie dem Gemeinwohl dienen. Dazu erging ein Urteil, wonach Hartz-IV-Betroffene auf Arbeitsplätzen tariflich entlohnt werden müssen - anstatt mit 1 € pro Stunde - wenn damit reguläre Arbeitsplätze ersetzt werden. Diese Leute müssen dann den Tariflohn bekommen. Solche 1-€-Jobs dürfen also nicht gewinnorientiert eingesetzt werden. In diesem Falle handelte es sich um die AWO als "Arbeitgeber", die den Nutzen hatte. Das waren keine gemeinwohlorientierten Arbeiten. Eine Betroffene klagte und obsiegte.

In diesem Urteil wird entschieden, die AWO - wofür die Frau arbeitete - war rechtlich ein Verwaltungshelfer der ARGE. Das bedeutet: nicht die AWO, sondern die ARGE muss bezahlen! Das ist das Bedeutende daran. Man muss sich also nicht mehr mit dem sogenannten 1-€-Arbeitgeber auseinandersetzen, sondern kann sich gleich an die ARGE halten und die nötigenfalls verklagen. Dann werden die sich zukünftig wohl auch besser überlegen, ob sie überhaupt 1-€-Jobs vergeben. Vielleicht hat sogar genau dieses Gerichtsurteil bei der Einschränkung der 1-€-Jobs eine Rolle gespielt?

Hartz IV-Erfahrene in den Beirat des Jobcenters!

Wie ihr wisst, gab es bisher immer einen ARGE-Beirat - mit beratender Stimme. Der wird nun für das Jobcenter neu berufen. Die Beiratsmitglieder waren bislang ausschließlich Leute, welche persönlich überhaupt nicht von Hartz IV betroffen waren - jedoch die ARGE jahrelang (bzw. im zurückliegenden Vierteljahr das Jobcenter) über die Belange Hartz-IV-Betroffener "berieten"

Wir vom Offenen Runden Tisch Zeitz meinen: Im neu zu konstituierenden Beirat des Jobcenters sollen von Arbeitslosigkeit und Hartz IV persönlich betroffene Bürger doch auch endlich einmal mit vertreten sein!

In der vorangegangenen Kreistagssitzung fragten wir daher den Landrat, ob er in seiner Eigenschaft als Vorsitzender des hierfür zuständigen Betriebsausschusses bereit ist, sich persönlich für die Berufung einiger Arbeitsloser und Hartz-IV-Betroffener in den Beirat des Jobcenters einzusetzen und die dafür erforderlichen Anträge selbst einzubringen. Er bejahte.

Am 19.12.20 wurde im Kreistag der Landrat nach seiner persönlichen und offensiven Unterstützung für Kandidaten gefragt, welche nach unserer Überzeugung hierfür sehr geeignet sind und die wir darum namentlich vorschlagen.

Hier nun der genaue Wortlaut unserer Bürgerfrage an den Landrat des Burgenlandkreises, Harri Reiche:
[...]
Sehr geehrter Herr Landrat,

in Ihrem Schreiben vom 25.11.2011 sagten Sie zu, sich für die Einbeziehung Hartz-IV- Betroffener in den noch zu konstituierenden Beirat des Jobcenters einsetzen zu wollen. Es liegt gewiss im allgemeinen öffentlichen wie im sozialen Interesse, diesen Beirat mit möglichst engagierten und sachkundigen Personen zu besetzen. Das gilt selbstverständlich ebenso für die gegebenenfalls einzubeziehenden persönlich von Hartz IV Betroffenen oder von arbeitslosen Frauen und Männern, welche in zurückliegender Zeit persönlich von Hartz IV betroffen waren.

Meine Fragen:

Werden Sie sich persönlich, sehr geehrter Herr Landrat, für die Berufung der ehemals Hartz-IV-Betroffenen und im Problembereich Hartz IV ausgewiesen hoch sachkundigen und dort ebenso engagierten arbeitslosen Frau Heidelinde Penndorf aus Borau in den Beirat einsetzen, als Vorsitzender des hierfür allein zuständigen Betriebsausschusses einen entsprechenden Beschlussvorschlag einbringen und offensiv vertreten - das mir vorab bereits zugesicherte Einverständnis der Frau Penndorf unterstellt?

Werden Sie sich persönlich, sehr geehrter Herr Landrat, für die Berufung des Hartz-IV-Betroffenen und sehr engagierten Gewerkschafters Wolfgang Vogl aus Zeitz [...] in den Beirat einsetzen sowie als Vorsitzender des hierfür allein zuständigen Betriebsausschusses einen entsprechenden Beschlussvorschlag einbringen und offensiv vertreten - das mir vorab bereits zugesicherte Einverständnis der Herrn Vogl unterstellt?

Zusatzfrage: Wären Sie bereit, mindestens 3 Tage vor der entsprechenden Sitzung des Betriebsausschusses Tagungsort und -zeitpunkt an die anliegende Emailadresse zu übermitteln oder - falls die entsprechende Abstimmung in nichtöffentlicher Sitzung erfolgt - sich persönlich für eine namentliche Abstimmung offensiv einzusetzen und gegebenenfalls die entsprechende Übersicht über das Abstimmungsverhalten aller Mandatsträger an die genannte Emailadresse zu übermitteln?

Es wird um schriftliche Antwort gebeten.

Mit freundlichem Gruß
[...]
Wir haben eine schriftliche Antwort erbeten, die uns auch zugesichert wurde. Sobald sie uns bekannt ist, werden wir sie an dieser Stelle veröffentlichen.

Fallstrick Bewerbung

Von Hartz IV-Opfern wird bekanntlich eine bestimmte Anzahl Bewerbungen verlangt. Im Glücksfall kommt es auch 'mal zu einem Vorstellungsgespräch. In einem solchen - im Internet publizierten - Fall wurde einem Hartz-IV-Betroffenen ein Job bei einem sogenannten Callcenter vermittelt. Er bewarb sich dort, teilte dem Callcenter seine Gehaltsvorstellung von 10 € pro Stunde mit und erwähnte, er sei aktives Gewerkschaftsmitglied und auch bereits einmal Betriebsratsmitglied gewesen. Er erteilte also wahrheitsgemäße Auskunft.

Das Callcenter war darüber aber nicht entzückt und stellte den Mann nicht ein. Sodann meldete das Callcenter an das Jobcenter, die (wohlgemerkt wahrheitsgemäßen!) Auskünfte des Bewerbers hätten die Einstellung im Callcenter verhindert. Das Jobcenter sanktionierte den Mann daraufhin - mit einer erstaunlichen Begründung und einem Verweis auf ein Urteil des Bundessozialgerichtes:
"Begibt sich der Arbeitslose in die Kontaktaufnahmephase zum künftigen Arbeitgeber, so hat er bis zur Grenze einer überzogenen Selbstdarstellung Interesse an der Arbeit zu bekunden. Handelt es sich um ein zumutbares Beschäftigungsangebot, so darf er in seinem Bewerbungsschreiben auch dann nicht zum Ausdruck bringen, dass es sich nicht um seine Wunschtätigkeit handele, wenn noch Klärungsbedarf besteht, ob er die Anforderungen des angebotenen Arbeitsplatzes erfüllt. Im Bewerbungsschreiben ist vielmehr die Option offen zu halten, zu einem Bewerbungsgespräch eingeladen zu werden."
(Entscheidung des Bundessozialgerichtes vom 05.06.2006 AZ: B 7a AL 14/05 R)
Mit Blick auf dieses Urteil verlangt dieses Jobcenter von Arbeitslosen, bei Bewerbungen und Vorstellungen unaufrichtig zu sein, um eine eventuelle Anstellung nicht zu gefährden. Sollen Wahrheiten "nur" verschwiegen oder soll gar gelogen werden? Wie soll sich ein Arbeitsloser angesichts solchen Urteils und solcher Urteilswertung denn nun verhalten? Einerseits ist ein schwerer Rechtsverstoß und begründet ggfs. die Kündigung, den potentiellen Arbeitgeber zu täuschen, ihm Informationen zu verschweigen oder wahrheitswidrige Auskünfte zu geben, anderseits drohen Sanktionen des Jobcenters, wenn wahrheitsgemäße Angaben den "Arbeitgeber" zur Nichteinstellung des Bewerbers veranlassen.

Dieser Vorgang bedarf einer rechtlichen Klarstellung. Hier kollidiert - zum Schaden der Hartz-IV-Betroffenen - die Rechtspflicht zur wahrheitsgetreuen Information des Vertragspartners Arbeitgeber mit der aus Sicht des Jobcenters bestehenden Rechtspflicht zu dessen Irreführung!

Nachbetrachtung:
Ein altes neues Weihnachtslied

Morgen, Kinder, wird's nichts geben!
Nur wer hat, kriegt noch geschenkt.
Mutter schenkte euch das Leben.
Das genügt, wenn man's bedenkt.
Einmal kommt auch eure Zeit.

Morgen ist's noch nicht soweit.
Doch ihr dürft nicht traurig werden.
Reiche haben Armut gern.
Gänsebraten macht Beschwerden.
Puppen sind nicht mehr modern.
Morgen kommt der Weihnachtsmann.
Allerdings nur nebenan.

Lauft ein bisschen durch die Straßen!
Dort gibt's Weihnachtsfest genug.
Christentum, vom Turm geblasen,
macht die kleinsten Kinder klug.
Kopf gut schütteln vor Gebrauch!
Ohne Christbaum geht es auch.

Tannengrün mit Osrambirnen -
Lernt drauf pfeifen! Werdet stolz!
Reißt die Bretter von den Stirnen,
denn im Ofen fehlt's an Holz!
Stille Nacht und heil'ge Nacht -
Weint, wenn's geht, nicht! Sondern lacht!

Morgen, Kinder, wird's nichts geben!
Wer nichts kriegt, der kriegt Geduld!
Morgen, Kinder, lernt fürs Leben!
Gott ist nicht allein dran schuld.
Gottes Güte reicht so weit ...
Ach, du liebe Weihnachtszeit!

Erich Kästner



Der Offene Runde Tisch Zeitz, ORTZ


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