Montagsdemo Zeitz - Offener Runder Tisch Zeitz

Die erste Freiheit der Presse besteht darin, kein Gewerbe zu sein. (Karl Marx)

Jahrgang 4 + Nr. 02 + 1. Februar 2012

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Herausgegeben von "Offener Runder Tisch Zeitz"

Inhalt:

  1. Die größten Irrtümer im Zusammenhang mit Hartz IV, Teil 5
  2. Jahresausblick 2012
  3. Aktuelle Fakten zur Arbeitslosigkeit

Die größten Irrtümer im Zusammenhang mit Hartz IV
5. Teil:

Eltern, die ALG II beziehen, gehen mit ihrem Kind gelegentlich ins Theater, um ihrem Kind ein Mindestmaß an kultureller Teilhabe zu ermöglichen. Die dafür entstehenden Kosten werden vom Amt im Rahmen des viel gepriesenen Bildungs- und Teilhabepaketes von Frau von der Leyen mit 10 € monatlich bezuschusst.

F A L S C H !!!

Kindern und Jugendlichen wird bis zur Vollendung ihres 18. Lebensjahres ein Bedarf in Höhe von bis zu 10 € monatlich für Kosten der Teilhabe anerkannt. Hierzu gehören neben Mitgliedsbeiträgen für Sportvereine und Mitgliedsbeiträgen zu Vereinen in den Bereichen Spiel, Kultur und Geselligkeit auch Aufwendungen für Unterricht in künstlerischen Fächern (Musik- und Volkshochschulen, Privatpersonen) und für vergleichbar angeleitete Aktivitäten der kulturellen Bildung (museumspädagogische Angebote, Theaterworkshops, Angebote zur Stärkung der Medienkompetenz). Kinoveranstaltungen sowie die Besuche von Freizeitparks, Freibädern u. ä. werden jedoch nicht anerkannt.

Auch der Theaterbesuch mit den Eltern ist kein förderungswürdiger Tatbestand, da es sich nicht um eine "angeleitete Tätigkeit" handelt. Es geht inhaltlich also gar nicht um Bildung und Teilhabe, sondern nur um das Mästen bestimmter Träger und Anbieter.

Jahresausblick 2012

Das Jahr 2012 wird schlechter werden als das Jahr 2011, aber immer noch besser als das Jahr 2013! An dieser Tendenz hat sich nichts geändert. Inzwischen ist auch schon einiges für das Jahr 2013 absehbar.

Wenn wir nicht auch weiterhin wie bislang gegen Hartz IV unseren Widerstandsgeist setzen und ihn noch verbreitern, wird das fortgesetzt, so lange es Kapitalismus gibt. Weil diese Erscheinungen systembedingt sind. Darum wollen wir in unseren Bemühungen nicht nachlassen und Schweinereien entlarven.

An dieser Stelle muss etwas über die FDP gesagt werden, die am 6.1.2012 ihr jährliches "Dreikönigstreffen" durchführte und - man muss nun wirklich davon sprechen - als Splitterpartei etwas für die Erhöhung ihres Ansehens, ihrer Regierungsverantwortung tun wollte. Nur 6 Tage hat es aber gedauert, bis sie die erste Klatsche im Jahr 2012 erhielt: Die "Jamaika-Koalition" platzte im Saarland. Die Begründung der CDU-Ministerpräsidentin ist interessant: "Die Liberalen sind nicht regierungsfähig!" Ich meine: die allesamt sind nicht regierungsfähig. Das wurde hier aber auch schon mehrfach festgestellt.

Brüderle tönte noch vorweg "die FDP kommt wieder hoch". Deshalb heißt die FDP seit dem 5.1. jetzt wohl auch FZP - Fast Zwei Prozent?

Auch auf Herrn Wulff muss etwas näher eingegangen werden, der ja nun bekanntlich seine Probleme mit dem Privatkredit und der Medienaffäre hat. Gestern (08.01.2012) bei der Fernsehsendung "Günter Jauch" wurde eigentlich klargestellt, dass Wulff die Situation selbst verschuldete. Weil er immer nur scheibchenweise und gezwungenermaßen einräumt, was die Spatzen ohnehin von den Dächern pfeifen. Er wird aus dieser Sache wohl auch nicht mehr herauskommen. Da half auch nicht der ehemalige Ministerpräsident Vogel bzw. eine seiner besten Freundinnen. Nun äußerte Wulff auf einem Neujahrsempfang für die Mitarbeiter "in einem Jahr ist das alles vergessen." Ich frage mich, ob dieser Mann noch normal ist. Was geht in solchem Kopf vor? Er will bis 2015 im Amt bleiben und ist zuversichtlich, dass dieses "Stahlgewitter" - das Wort entstammt übrigens reaktionärster Kriegspropaganda - bald vorüber ist.

Unbeschreibliches spielt sich in dieser Bundesrepublik ab. Kohl wollte alles aussitzen, Wulff setzt aufs Vergessen. Aber so dämlich sind wir nicht. Wir wollen sein Verhalten und seine Kommentare hierzu nicht vergessen. Ich denke, auch durch unser ständiges Auftreten werden wir mit dazu beitragen, ihnen einen Strich durch die Rechnung zu machen. Die Schandtaten unserer Herren müssen stets an 's Licht gebracht werden. Wir wehren uns berechtigt gegen diese Ungeheuerlichkeiten.

Wie vorhin erwähnt, bewegt uns Hartz IV seit seiner Einführung 2005 und veranlasste uns zu vielen Protestaktionen. Immer deutlicher wird sichtbar: diese "Reform" führte, wie von anderen und auch von uns prophezeit, ganz wesentlich zu einer Senkung der Realeinkommen. So verloren z. B. Geringverdiener in den vergangenen Jahren 16 % bis 22 % an Einkommen. Das bei der Hartz-IV-Einführung behauptete "Fördern beruflicher Perspektiven" ist eben nicht das Anliegen, sondern das Schüren von Angst vor dem sozialen Abstieg mit dem Ziel ergebenster Fügsamkeit! Die Erhöhung des Regelsatzes um 5 €, bzw. für dieses Jahr um 10 €, hat wirklich absolut nichts mit dem "guten Willen der Regierung" zu tun, sondern wohl mehr mit der erhöhten Inflation, die ja das Arbeitslosenheer insgesamt auf 9 Mio bis 10 Mio getrieben hat - das sind nicht aus der Luft gegriffene Zahlen!

Inzwischen dürfte auch für jeden sichtbar sein, dass die Verbraucher u. a. einer Welle von Preiserhöhungen bei Grundnahrungsmitteln ausgesetzt sind. Immerhin um 7 % im vergangenen Jahr. Das ist der stärkste Anstieg seit 2008 - und die schwafeln immerzu "Aufschwung", "Deutschland geht es gut" usw. Betroffen sind davon z. B. Zucker, Mehl, Nudeln, Kaffee, Fleisch in Dosen und vieles andere mehr. Das ist die Politik dieser Regierung, die alles für den Maximalprofit ihrer Gönner tut!

Doch schon wird das nächste Bubenstück vorbereitet. Noch ist es nur ein Gerücht, dass für jeden Arztbesuch 5 € Gebühr geplant sind. Es ist aber immer das gleiche Spielchen: Erst mal raus an die Öffentlichkeit damit, Reaktion testen, danach macht sich zunächst ein Dementi gut. Und in naher Zeit wird dann das "Kind" zur Welt gebracht und werden vollendete Tatsachen geschaffen. Wie lange können wir uns das "beste Gesundheitssystem der Welt" noch leisten? Immer wieder wird durch die Praxis beweisen: Weil du arm bist, musst du früher sterben!

Und dann immer wieder das Thema Aufschwung, Deutschland ginge es gut usw. Aber da helfen keine Weihnachts- und Neujahrsansprachen - zutreffender wohl als Gesülze zu bezeichnen. Merkel selbst definierte den "Erfolg" so: "Unsere Erwartungen müssen wir etwas herunterschrauben." Das klingt doch deutlich anders als der dauernde Erfolgsjubel!

Nebenbei bemerkt und etwas ironisch, von der Leyen äußerte unlängst: "Die Union geht mit der Zeit." Es kommt dabei auf die Betonung an. Man kann sagen "Die Union geht mit der Zeit." Man kann aber auch sagen "Die Union geht mit der Zeit." Das letztere wäre wohl das bessere und dafür wirken wir auch. Damit sich endlich auch wirklich 'was bessert in diesem Lande!

Aktuelle Fakten zur Arbeitslosigkeit

Über das neue "Jobwunder" berichteten die bürgerlichen Zeitungen. Alexander Schumann, der Chefvolkswirt des Industrie- und Handelskammertages (DIHK), erklärt in der "Süddeutschen Zeitung": "der Jobaufbau wird auch 2012 weitergehen." Der Nachrichten-Ticker berichtete: "Die Beschäftigung in Deutschland erreicht 2011 Rekordhöhe." Das Statistische Bundesamt in Wiesbaden veröffentlichte: "Im vergangenen Jahr waren 41,04 Mio Menschen erwerbstätig."

Offensichtlich soll mit solchen Meldungen die Bevölkerung beruhigt werden. Kein Wort darüber, dass z. B. davon nur 29,2 Mio Menschen in sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnissen tätig sind. Schlagzeilen wie "Arbeitslosigkeit so niedrig wie seit 20 Jahren nicht mehr" machen sich immer gut. Die offiziellen Verlautbarungen sind jedoch von der Realität weit entfernt. Denn Arbeitslosigkeit ist absolut notwendig, um ein Ansteigen von Löhnen zu unterbinden. Und das wiederum dient dem internationalen Kapitalmarkt! Auf diesen wesentlichen Sachverhalt wird in den geschönten Berichten grundsätzlich nicht verwiesen.

Laut ISW-Konjunkturbericht des Institut für sozial-ökologische Wirtschaftsforschung e.V. München vom Dezember 2011 ist mit einer Phase der Rezession oder zumindest Stagnation zu rechnen. Nach dem gleichen Bericht arbeiten 7,473 Mio Menschen in Minijobs. Hinzu kommen weit über 1 Mio Leiharbeiter, die bei einem Konjunktureinbruch als nächste auf die Straße fliegen. Nach Prognosen der OECDwerden die Arbeitslosenzahlen in Folge der Finanz- und Wirtschaftskrise mindestens wieder auf 5 Mio steigen. Deutschland sei das reichste Land Europas, tönt es aus den Medien. Dieser Reichtum ist aber ungewöhnlich gut versteckt! Wir wissen ja, er befindet sich nur bei den reichsten 10 Prozent der Bevölkerung. Und der europäischen Statistikbehörde zufolge ist hierzulande der Anteil der von Armut bedrohten Erwerbslosen mit über 70 % deutlich höher als in anderen Euro-Staaten.

"Deregulierung, Flexibilisierung, Liberalisierung" heißt aus dem wirtschaftsdeutschen Sprachgebrauch in Klartext übersetzt: "Mehr arbeiten für geringere Löhne in unsicheren Beschäftigungsverhältnissen." Und nun planen - um ein weiteres Beispiel zu nennen - allein 10 Konzerne und Banken einen Abbau der Belegschaften um mehr als 41.000 Stellen.

Dazu kommt, dass sich verschiedene Statistiken überschneiden. Nach internationalen Zahlen gibt es in Deutschland 43,5 Mio Arbeitskräfte. Die Differenz zu den sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätzen beträgt nach diesen Angaben 14,5 Mio. Der Anteil "armutsgefährdeter" Deutscher liegt bei 15,5 %, das sind ≈12,7 Mio, also etwa jeder sechste - alle diejenigen, denen monatlich weniger als 940,- € zur Verfügung stehen.

Ungeachtet manipulierter Arbeitslosenzahlen liegen die Prozentsätze in den westlichen Industriestaaten etwa gleich hoch:
  • Deutschland: 7,1% Arbeitslose
  • Österreich: 6,9% Arbeitslose
  • England: 7,8% Arbeitslose
  • Frankreich: 9,3% Arbeitslose
  • Kanada: 8% Arbeitslose
  • USA: 9,6% Arbeitslose
Das eherne Gesetz freier Märkte lautet: Je höher das Angebot, desto niedriger der Preis. Somit lassen sich Löhne nur niedrig halten, wenn es ein Überangebot an Arbeitskraft gibt.

Die vom Kapitalmarkt profitieren, sind natürlich nicht bereit, in Krisenzeiten Einbußen hinzunehmen. Die Milliardäre werden von Jahr zu Jahr reicher, während sich die Bürger mit immer mehr Sparmaßnahmen konfrontiert sehen. Den arbeitenden Bürgern mehr Geld in die Hand zu geben - wie früher z. B. bei Henry Ford - ist heute unnötig, denn Absatz findet sich (noch) auf den Weltmärkten.

Die Kosten für Unterstützungsleistungen entstehen der Allgemeinheit - z. B. durch Steuern und Arbeitslosenversicherungen - und nicht dem Kapital. Zwar werden Menschen ohne eigenes Einkommen geringe Unterstützungsbeträge zugebilligt, die das Überleben sichern. Denn sie bleiben als Konsumenten - wenn auch in bescheidenem Maße - trotzdem noch erhalten. Das internationale Kapital leidet jedenfalls nicht darunter, im Gegenteil. Praktisch sinken die Reallöhne immer tiefer ab, was aufgrund verfälschter Teuerungsraten aber wiederum verschleiert wird.



Der Offene Runde Tisch Zeitz, ORTZ


Termine:

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