Montagsdemo Zeitz - Offener Runder Tisch Zeitz

Die erste Freiheit der Presse besteht darin, kein Gewerbe zu sein. (Karl Marx)

Jahrgang 4 + Nr. 09 + 3. September 2012

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Herausgegeben von "Offener Runder Tisch Zeitz"

Inhalt:

  1. 8 Jahre Montagsdemo Zeitz - Auszüge aus den Redebeiträgen
  2. Offener Runder Tisch Zeitz unterzeichnet Göttinger Appell zu den Kommunalfinanzen
  3. Verrechnung von Mietschulden und Nachzahlung
  4. Niedriger Lohn kein Ablehnungsgrund

8 Jahre Montagsdemo Zeitz
Auszüge aus den Redebeiträgen

Zunächst einmal Glückwünsche an euch Zeitzer, für 8 Jahre Durchhalten an der Hartz-IV-Front. Wir haben Euch ein paar Blumen mitgebracht und ein kleines Büchlein "Empört Euch", für die nächsten 8 Jahre. [...] Jetzt komme ich zu meiner Lieblingszeitung, der Wirtschaftswoche. Ein Artikel handelt vom Euro und der Krise; eine kleine Zwischenüberschrift dort lese ich euch vor: "Zinssozialismus ist mit der Bundesregierung nicht zu machen." Ich habe dahinter geschrieben: Nein, das ist die Realität in Deutschland! Weiter habe ich hingeschrieben: Sie schaffen kein Europa der Völker, sondern ein Europa der Reichen und für sich selbst. "Zinssozialismus" eingeschlossen. Erinnern wir uns: In den Krisenjahren 2008 und 2009 gewann das eine Prozent der Reichsten der Menschheit selbst zu dieser Zeit - in der viel Geld verloren ging - immer noch 10 % Vermögen hinzu. Wie das geht? Ganz bestimmt nicht mit Kapitallebensversicherungen. Damit ist das nicht zu schaffen. - Mein Resümee:
  1. Wir müssen weitermachen!
  2. Wir müssen lauter werden!
  3. Wir müssen wieder mehr werden!
  4. Wir müssen es dem Volk ins Gehirn bringen, wie es zugeht im Lande!

(Thomas Elstner aus Gera)


Interessant ist, daß inzwischen jede 3. Sozialwohnung verschwand. Doch die Bundesregierung ist immerzu "auf das Wohl der Menschen" bedacht. Da die Immobilienpreise stark anstiegen - ein wahrer BOOM - gibt es inzwischen über 800.000 Sozialwohnungen weniger als vor 10 Jahren. Von 2002 bis 2010 wurden diese Sozialwohnungen von knapp 2,5 Mio. auf 1.662.147 reduziert. Der meiste Wohnraum ging in Sachsen (-62,7 %) und in Sachsen-Anhalt (-58,6 %) verloren. Der soziale Wohnungsbau kam in den letzten Jahren völlig unter die Räder. [...]

Immer mehr Bürgern droht Energiearmut. Schuld daran sind vor allem die steigenden Strompreise, die zwischen 2000 und 2010 um teilweise 60 % zulegten. Die nun eingeleitete sogenannte Energiewende wird Strom nochmals verteuern. Vor allem für Hartz-IV-Betroffene hat das fatale Konsequenzen. 2011 sperrten die Versorger 200.000 von ihnen zumindest zeitweise den Strom. Inzwischen hat die BRD die zweithöchsten Strompreise in Europa. Immer mehr Bundesbürger können die Energiepreise nicht mehr zahlen. So wird z. B. 600.000 Haushalten jährlich der Strom gesperrt, weil sie die Rechnungen nicht mehr bezahlen können, vorwiegend Geringverdienern und Erwerbslosen. Aber der Aufschwung greift ja bekanntlich, leider stets in die falsche Richtung, nämlich bei den Reichen.

(Dieter Rolle aus Zeitz)


Deutschland reißt als weltweit einziges Land Wohnungen und Gebäude ab, die aufgrund ihrer Bausubstanz und Stabilität Jahrhunderte halten könnten, die aber gerade 'mal 20 bis 40 Jahre alt sind. ... Die Wohnungsmieten in den Städten und auf den Dörfern der 5 neuen Bundesländer, durchliefen eine ganz bemerkenswerte Entwicklung. Die vor 30 bis 40 Jahren gebauten Gebäude - sei es nun in Jena, in Kahla, in Zeitz, in Berlin, in Rostock oder einem kleinen Dorf - haben einen gleichen Grundriß, hatten die gleichen Herstellungskosten und haben gleiche Betriebskosten. Und wenn man heute die gleichen Wohnungen ... betrachtet, dann haben die ganz unterschiedliche Mieten. In der Gegend um Ruhla beträgt die Kaltmiete maximal 3,45 €. Mehr kann man dort nicht verlangen, die Einkünfte der Leute sind zu gering. Aber der gleiche Wohnungstyp wurde auch in Jena errichtet, doch dort kostet die Miete mehr als das Doppelte. Wenn ich jetzt eine Wirtschaftlichkeitsberechnung mache, wer ist dann der Gewinner? Nicht der Mieter. Sondern der Vermieter, der in Jena ungestraft zuschlagen darf. Die Vertreibung der armen und alten Leute aus ihren Wohnungen in andere unwürdige Wohnungen findet statt. In Quartiere, welche nicht mehr abgerissen wurden - weil die Verursacher das Problem bereits vor Jahren erkannten.

(Siegfried Heuser aus Jena)


Wir haben heute viel Positives und auch viel Negatives gehört. Ich möchte aber trotzdem aus der geschichtlichen Erfahrung zum Optimismus ermuntern. Ich erinnere euch nur 'mal daran: Gegen Bismarcks Sozialistengesetz wurde auch 10 Jahre gekämpft. Am Ende fiel es dann aber doch. Wir sollten daher unseren Mut wirklich nicht sinken lassen, so weitermachen und uns zu verbessern suchen.

(Volker Bachmann aus Zeitz)


Offener Runder Tisch Zeitz unterzeichnet Göttinger Appell zu den Kommunalfinanzen

 www.goettinger-appell.de

Die Kommunen werden die Finanzkrise nicht "wegsparen" können! Notwendig ist eine Gerechtigkeits-Korrektur auf der Einnahmenseite!

Das sogenannte Haushaltssicherungskonzept der Stadt Göttingen scheint zwar auf den ersten Blick tiefgreifende Einschnitte bei Kultur und Sozialem zu vermeiden. Es ist aber nur der erste Schritt an Kürzungen, dem offenbar in den nächsten Jahren weitere folgen sollen. Außerdem hängen von Zahlungen der Stadt auch ergänzende Mittel des Landes, des Bundes und anderer Geldgeber ab, so dass die Folgen der Einschnitte doch schärfer sind, als sie auf den ersten Blick erscheinen. Wir lehnen diese Kürzungen grundsätzlich ab. Sie leisten einen weiteren Beitrag zur allgemeinen bundesweiten Tendenz: Die Masseneinkommen werden weiter fallen und die Infrastruktur unseres Staates wird massiv reduziert, öffentliche Daseinsvorsorge soll weiter privatisiert werden. Diese Entwicklung muss aber gebremst werden. Damit der Staat wieder als Sozialstaat handlungsfähig wird, muss er hohe Einkommen, Vermögen und Unternehmen wieder angemessen besteuern. Wir fordern, dass entsprechende Maßnahmen sehr bald eingeleitet werden, und lehnen daher jegliche Kürzungen bei Kultur, Sozialem, Umwelt und Bildung ab.

Die Probleme der Staatsverschuldung und der defizitären öffentlichen Kassen werden auf kommunaler Ebene durch wegbrechende Gewerbesteuern noch verstärkt. Sie sind durch die Wirtschafts- und Finanzkrise entstanden und können auf gar keinen Fall mit Einsparungen gelöst werden. Notwendig ist eine deutliche Korrektur auf der Einnahmenseite. Sie muss und wird früher oder später kommen. Die jetzt beabsichtigten Einsparungen im öffentlichen Sektor zögern sie unnötig heraus. Korrekturen auf der Einnahmenseite waren auch in vergangenen Zeiten die erfolgreiche Antwort auf tiefgreifende Krisen: Im Jahr 1949 führte die Regierung Adenauer einen Spitzensteuersatz von 95 Prozent ein. In den USA wurde als Antwort auf die Weltwirtschaftskrise, die 1929 begann, ab dem Jahr 1933 der Spitzensteuersatz von 24 auf zum Schluss 91 Prozent angehoben. Wir fordern zur Bekämpfung der katastrophalen Krisenfolgen für hohe Einkommen und Vermögen ein Steuerniveau wiedereinzuführen, wie es noch vor 20 Jahren in der Bundesrepublik Deutschland bestand:
  • Der Spitzensteuersatz der Einkommensteuer muss auf 56 Prozent angehoben werden. Gleichzeitig muss die Abgeltungssteuer, die den Einkommensteuersatz von Kapitalerträgen auf 25 Prozent beschränkt, abgeschafft werden.

  • Der Satz der Körperschaftsteuer muss ebenfalls wieder 56 Prozent betragen. Die Körperschaftsteuer ist die Steuer der Kapitalgesellschaften, vor allem der großen Aktiengesellschaften. Der Steuersatz wurde seit 1990 schrittweise auf jetzt 15 Prozent gesenkt.

  • Wiedereinführung einer Vermögensteuer. Sie wurde 1997 abgeschafft. Laut einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) würde eine Besteuerung des Vermögens in Höhe des Durchschnitts der anderen EU-Staaten und westlicher Industrieländer in Deutschland jährlich 25 Mrd. € einbringen.

  • Wiederherstellung einer echten Besteuerung großer Erbschaften. Die Erbschaftssteuer wurde gerade erst zugunsten der großen Vermögen drastisch gesenkt.

  • Mehrwertsteuer auf den Handel mit allen Finanzprodukten. Der Handel mit Finanzprodukten, Aktien sowie allen anderen Wertpapieren, mit Devisen, Zertifikaten, Derivaten usw. muss besteuert werden. Es ist absolut untragbar, dass der Kauf von Produkten des täglichen Bedarfs, wie z.B. Brot, mit Mehrwertsteuer belegt ist, nicht aber der Kauf von Finanzprodukten. Für die Tobin-Steuer, die nur die Besteuerung des Devisenhandels vorsieht, hat man errechnet, dass allein ein Steuersatz von nur 0,1 Prozent weltweit 380 Mrd. US-Dollar einbringen würde. Hier liegt ein riesiges Einnahmefeld, das zusätzlich noch den Effekt hätte, die Umsätze der "Spielcasinos" der Finanzwelt erheblich einzuschränken.
Wir fordern, dass die Stadt Göttingen, wie auch andere Kommunen und deren Kommunale Spitzenverbände auf die Bundesländer und den Bund Einfluss nehmen, um die Politik der Kürzungen zulasten der Kommunen zu stoppen! Die Kommunen und die sie tragenden Bürgerinnen und Bürger dürfen nicht zum Spielball von global agierenden Finanzjongleuren und ihnen dienenden politischen Rahmenbedingungen werden! Die genannten Maßnahmen stellen Minimalforderungen dar. Nur so kann der öffentliche Sektor durch eine gerechtere Belastung der Steuerpflichtigen und eine gerechtere Verteilung der öffentlichen Mittel seine Fähigkeit zur Selbstverwaltung erhalten und seine Handlungsfähigkeit zurück gewinnen!

Verrechnung von Mietschulden und Nachzahlung
Hartz IV in voller Höhe - trotz Gutschrift

Das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel hat Hartz IV-Beziehern eine Möglichkeit eröffnet, ihre finanzielle Lage zu verbessern. Wenn nämlich Mieter und Vermieter aufgelaufene Mietschulden mit einer Betriebskostennachzahlung verrechnen, kann das Jobcenter das gutgeschriebene Geld nicht vom Hartz IV-Bezieher zurückfordern. Das entschied das BSG am 16. Mai 2012.

Im verhandelten Fall hatte ein Hartz IV-Bezieher aus dem Saale-Holzland-Kreis MietSchulden von runde 3.000 €. Als sich aus der Betriebskostenabrechnung für 2008 eine Nachzahlung von 1.006 € ergab, verrechnete der Vermieter diese mit den Mietschulden. Das Jobcenter kürzte wegen der Gutschrift der Betriebskosten die Hartz IV-Leistung für die Unterkunftskosten. Die Gutschrift stelle Einkommen dar und müsse auf das ALG II mindernd angerechnet werden. Hartz IV-Leistungen seinen nicht dafür da, Schulden zu tilgen, erklärte die Behörde ihre Entscheidung. Der Arbeitslose hielt die Kürzung für rechtswidrig und bekam Recht. Nach geltender Rechtsprechung dürfe nur Einkommen angerechnet werden, das auch tatsächlich zufließt.

Niedriger Lohn kein Ablehnungsgrund

Lehnen Arbeitslose wegen zu geringen Stundenlohns eine von der Arbeitsagentur vermittelte Stelle ab, kann ihnen das Arbeitslosengeld gesperrt werden. Das hat das Bundessozialgericht mit Aktenzeichen B 11 AL 18/11 ent-schieden. Die Klägerin hatte sich geweigert, eine Stellungnahme anzunehmen, weil ihr der Stundenlohn als "unzumutbar" niedrig erschien. Der Stundenlohn sei kein "wichtiger Grund", der eine Arbeitsablehnung gerechtfertigt hätte, befand das Gericht.



Der Offene Runde Tisch Zeitz, ORTZ


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