Montagsdemo Zeitz - Offener Runder Tisch Zeitz

Die erste Freiheit der Presse besteht darin, kein Gewerbe zu sein. (Karl Marx)

Jahrgang 4 + Nr. 11 + 1. November 2012

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Herausgegeben von "Offener Runder Tisch Zeitz"

Inhalt:

  1. Zweifel an Rechtmäßigkeit der Verwaltungsrichtlinie zu den Kosten der Unterkunft
  2. Verbot von Leiharbeit und Werkvertragsbetrug!
  3. Ein Generationenproblem?

Zweifel an Rechtmäßigkeit der Verwaltungsrichtlinie zu den Kosten der Unterkunft

Das Sozialgericht Dessau-Roßlau hat in einer Entscheidung vom 17.08.2012 - AZ: S 11 AS 2430/11 - das "schlüssige Konzept" des Landkreises Wittenberg, erstellt durch die Hamburger Firma "Analyse & Konzepte", zerpflückt und festgestellt: "Eine Begrenzung der Bruttokaltmiete ... die sich aus den Mietwerterhebungen zur Ermittlung der KdU-Kosten im Landkreis Wittenberg ergibt, kommt vorliegend nicht in Betracht". Das Gericht hat stattdessen die Höchstwerte nach § 12 des Wohngeldgesetzes (WoGG) als maßgeblich angesehen.

Diese Entscheidung ist bedeutend, denn damit werden wohl alle "schlüssigen Konzepte" von "Analyse & Konzepte" in Frage gestellt, weil vermutlich überall die gleichen Kriterien zugrunde liegen. Laut Aussagen von "Analyse & Konzepte" haben sie seit 2008 in über 25 Kreisen und kreisfreien Städten entsprechende KdU - Erhebungen durchgeführt und Angemessenheitsgrenzen entwickelt. Diese stehen damit jetzt zur Disposition. Die Entscheidung des Sozialgerichts Dessau-Roßlau kann man hier herunterladen: Siehe Urteil Aktenzeichen S 11 AS 2430/11(Download als PDF)

Auch für die Mietwerterhebung der "Verwaltungsrichtlinie zur Feststellung der Bedarfe für Unterkunft und Heizung im Burgenlandkreis ab 01.06.2012" wurde laut Aussage der Kreisverwaltung ein Untersuchungskonzept zugrunde gelegt, das in seinen Grundzügen auf der allgemein anerkannten Vorgehensweise zur Erstellung qualifizierter Mietspiegel basieren soll, jedoch auch die speziellen Rahmenbedingungen für die Ermittlung von Mieten zur Festlegung lokaler Obergrenzen einbeziehen soll. Diese Erhebung - so ist in der Richtlinie nachzulesen - wurde durchgeführt von "Analyse & Konzepte Beratungsgesellschaft für Wohnen, Immobilien und Tourismus mbH"!

Die konzeptionellen Grundsätze dieser selbst ernannten Analytiker wurden nun aber für den Landkreis Wittenberg vom Sozialgericht Dessau-Roßlau als rechtswidrig verworfen. Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Verwaltungsrichtlinie im Burgenlandkreis sind mehr als angebracht: die im Landkreis Wittenberg angewandten "Grundsätze" der Beratungsfirma werden wohl auch im Burgenlandkreis wirken! Hier sind nun Landrat Reiche und Jobcenter-Chef Lampe am Zug, um eine rechtskonforme Verwaltungsrichtlinie herbeizuführen.

Verbot von Leiharbeit und Werkvertragsbetrug!

Die Leiharbeit boomt in zahlreichen Betrieben - mit oft schändlich niedrigen Löhnen! Die Agentur für Arbeit zwingt Arbeitslose zu Zehntausenden in diese Arbeitsverhältnisse, bietet oft gar keine anderen Jobs mehr an! In vielen Betrieben gibt es verkappte Leiharbeit und getarnte andere prekäre Arbeitsverhältnisse unter dem betrügerischen Titel "Werksverträge"!

Das alles vernichtet reguläre Arbeitsplätze, erzeugt Druck auf die Verlängerung der Arbeitszeit, drückt Löhne herab und nötigt alle Beschäftigten zu ungezügelter "Flexibilität". Belegschaften werden gespalten und all die Mitarbeiter/innen in prekären Arbeitsverhältnissen entrechtet.

Deshalb fordern wir - u. a. durch Unterschriftensammlungen - von Staat und Regierungen die Erfüllung der folgenden Forderungen und von unseren Gewerkschaften Hilfe und Unterstützung dafür:
  • Verbot der Leiharbeit (Zeitarbeit, Arbeitnehmerüberlassung)!

  • Übernahme aller Leiharbeitnehmer/innen in reguläre Arbeitsverhältnisse - beim letzten Entleiher - damit diese Kolleg/innen nicht auf die Straße fliegen!

  • Kündigung aller Tarifverträge des DGB für die Leiharbeit! Sie ermöglichen Niedriglöhne!

  • Volle Durchsetzung der 35-Stundenwoche und weitere Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohn- und Personalausgleich! Damit müssen unsere Gewerkschaften die Voraussetzungen schaffen - gegen die Massenarbeitslosigkeit und gegen Schikanen zum Schaden Erwerbsloser, für die Schaffung von Arbeitsplätzen auch für Leiharbeiter/innen und andere Prekäre!

  • Ausnutzung aller Möglichkeiten der gewerkschaftlichen Betriebsräte, gemeinsam Leiharbeit zu verhindern! Gemeinsame Mobilisierung der Stammbelegschaften und Leiharbeiter/innen für mehr Druck auf Regierungen und Unternehmen!

  • Betriebsräte und Belegschaften müssen das Recht haben, alle Werkverträge zu kontrollieren, um verkappte Leiharbeit aufzudecken!
Quelle:  Arbeit Zukunft

Ein Generationenproblem?

Vor kurzem wurde auf einer Veranstaltung hochrangiger Politgrößen das Thema Generationengerechtigkeit wieder besprochen; abermals wurde über den steigenden Altersdurchschnitt der Bundesbürger geredet. Der steigt zwar, hat aber nichts mit der jetzigen Rentenpolitik zu tun. Er wird nur benutzt, Tatsachen zu verschleiern.

Professor Dr. Christoph Butterwegge schrieb einen Artikel in einer Gewerkschaftszeitung. Inhaltlich bestätigt der Artikel unsere seit jeher vertretene Ansicht. Bei der ganzen Diskussion um das Thema Rentenpolitik wird durch gewisse Kräfte gern der Ausdruck "Krieg der Generationen" lanciert. Die Älteren leben nach dieser Lesart auf Kosten der Jüngeren. Ich halte diese Auslegung für pure Volksverhetzung; scheinheilig wird dabei immer der Begriff "Generationsgerechtigkeit" gebraucht. In Wahrheit geht 's denen aber nicht um Generationsgerechtigkeit, es geht einfach um die Verteilung des gesellschaftlichen Gesamtprodukts, also um Verteilungsgerechtigkeit oder Verteilungsungerechtigkeit. Das ist ein riesengroßer Unterschied. Zitat:
"Generationengerechtigkeit ist ein politischer Kampfbegriff, der von den Armutsursachen und den eigentlichen Problemen unserer Gesellschaft ablenkt. Mit dem Hinweis auf die demographische Entwicklung und die Tatsache, daß unsere Gesellschaft kollektiv altert und die Einwohnerzahl in der Zukunft der Tendenz nach sinkt, wird der Eindruck erweckt, die Höhe der Rente hänge vom Alter der Bevölkerung ab.

Die Altersstruktur einer Gesellschaft ist aber gar nicht entscheidend und die Höhe der Rente keine Frage der Biologie. Viel mehr ist die Höhe der Rente
  1. eine Frage der Ökonomie: Wieviel Reichtum produziert eine Gesellschaft und

  2. eine Frage der Politik: Wie wird dieser Reichtum auf die verschiedenen Schichten und Altersgruppen der Gesellschaft verteilt.
Es handelt sich also im wesentlichen um einen Mangel an sozialer Gerechtigkeit."
Die genannte Bevölkerungsentwicklung findet mindestens seit 150 Jahren statt, wenn nicht sogar länger. Seit etwa 1850, als die Massenindustriealisierung in Deutschland begann, bauten schon die Großfamilien ab, schafften sich immer weniger Kinder an. Das hat natürlich Auswirkungen auf die Bevölkerungspyramide, welche die Alterszusammensetzung der Bevölkerung abbildet. Unten sind die stärksten Jahrgänge (die jungen) und nach oben abnehmend waren früher die ältesten Jahrgänge. Heute stellt sich diese Bevölkerungspyramide anders dar, da sind die alten Jahrgänge sehr groß und nach unten kommt immer weniger Nachwuchs. Das ist aber kein volkswirtschaftlicher Sorgegrund, denn wir müssen bedenken, daß in der alten Bundesrepublik von 1960 bis 1990 das Bruttosozialprodukt verdreifacht wurde, bei einer zeitgleich um 20 % verminderten gesamtgesellschaftlichen Arbeitszeit. Also mit weniger Aufwand wurde innerhalb dieser 30 Jahre dreimal so viel geschafft - freilich, ohne daß sich der Lebensstandard verdreifacht hätte. Da stellt sich sofort klar heraus: dieses herbeigeredete Altersproblem ist kein wirkliches Problem, sondern es ist volkswirtschaftlich sehr gut leistbar. Was natürlich ein Problem ist: die Verteilung! Der Blick muß darauf gelenkt werden, wie sich die Einkommen und Vermögen in der Bevölkerung entwickelt haben.

Über 50 % der Bevölkerung besitzt nur 1 % aller Vermögen. Dazwischen kommt ein wohlsituierter Mittelbau und oben sind knapp 10 % der Einkommensbezieher, die über 50 % aller Vermögen besitzen. Genauso wird es sich auch mit den Einkommen darstellen. Es wird ja nicht so sein, daß einige Leute €-Milliarden besitzen und dann Hartz IV beantragen müssen. Das wiederum hängt damit zusammen, daß die Produktionsmittel (Werkhallen, Maschinen, Anlagen) in den Händen von Besitzern sind; und die zwingen ihre Beschäftigten - ob nun Diplomingenieur oder Schlosser oder Arzt - zu ihren Bedingungen zu arbeiten. Und die Politik verrichtet natürlich auch deren Sache. Schon seit Jahren wird erfolglos versucht, einen Mindestlohn einzuführen. Aber das verhindern die machthabenden Politiker, die wehren das ab und sträuben sich - CDU/CSU, FDP, SPD, Grüne - die wollen einfach keinen Mindestlohn. Wem nutzt das? Das dürfte bekannt sein!

Denn: Ein Produktionsmittel, eine Maschine etwa, hat seinen Preis, daran ist nichts zu ändern (Kreditbeschaffung, Anschaffung, Energie, Verschleiß, Materialkosten usw.); dies alles muß zwingend in die Herstellungskosten des Maschinenerzeugnisses einfließen. Das steht unveränderbar fest, das sogenannte fixe Kapital, also das feste Kapital. Bei all dem kann der Kapitalist kein Geld einsparen; die Maschine kostet einen Preis x und ist y Jahre nutzbar, dann muß die Maschine ersetzt werden. Die laufenden Maschinenkosten für Pflege, Instandhaltung, Ersatzteile, Energie, Betriebs- und Rohstoffe sind ebenfalls feste Größen. Das ist objektiv ein unveränderlicher Sachverhalt.

Aber die Maschinenbedienung, die Aufsichtführenden, die Arbeitsorganisatoren und -vorbereiter sind veränderliche Kostengrößen. Da allein und als Einziges kann "eingespart" werden - durch Lohndrückerei, Lohn- und Sozialabbau, durch Sozialraub, Leistungsverdichtung, verstärkte Arbeitshetze. Bediente bislang ein Werktätiger eine Maschine, dann eben ab irgendwann zwei Maschinen. Heutzutage werden schon hochkomplizierte Maschinen von Leuten bedient, die noch nicht mal eine ordentliche Ausbildung haben, die haben das während der Arbeit erlernen müssen und können es auch - werden aber nicht leistungsgerecht bezahlt.

Wir sehen: Ausschließlich bei den Löhnen kann man "einsparen", Profit machen. Und so wird das auch in Praxis durchgeführt und gesteuert. Da sind unsere Forderungen nach 10 € gesetzlichem Mindestlohn - was keineswegs zu viel ist - Störfaktoren. Immer mehr Leute verdienen real immer weniger Geld und nur einige wenige haben krasse Einkommenszuwächse. Das liegt an den Eigentumsverhältnissen! Da muß man ansetzen. Die einen besitzen die Produktionsmittel, die anderen können nur ihre Arbeitskraft verkaufen und den Besitz der Produktionsmittelbesitzer damit noch weiter vergrößern.

Das ist des Übels Ursache.



Der Offene Runde Tisch Zeitz, ORTZ


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