Montagsdemo Zeitz - Offener Runder Tisch Zeitz

Die erste Freiheit der Presse besteht darin, kein Gewerbe zu sein. (Karl Marx)

Jahrgang 5 + Nr. 01 + 2. Januar 2013

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Herausgegeben von "Offener Runder Tisch Zeitz"

Inhalt:

  1. Jobcenter muß neue Frist zur Kostensenkung nach zwischenzeitlicher Arbeitsaufnahme gewähren
  2. 400. Montagsdemo in Zeitz - Splitter aus den Redebeiträgen
  3. Das Brandmal (Horst Buder)

Jobcenter muß neue Frist zur Kostensenkung nach zwischenzeitlicher Arbeitsaufnahme gewähren

Kürzung von Hartz-IV-Leistungen infolge einer Kostensenkungsaufforderung für Mietwohnung muß anhand der Umstände des Einzelfalls überprüft werde.

Im Rahmen der Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II ("Hartz-IV") sind die Kosten der Unterkunft in tatsächlicher Höhe zu übernehmen, wenn sie angemessen sind. Hält das Jobcenter die Kosten für unangemessen, muß es nach der Rechtsprechung den Hilfebedürftigen darauf hinweisen, damit dieser sich in einem Zeitraum von maximal sechs Monaten ggf. eine angemessene Wohnung suchen kann. Ob eine solche Kostensenkungsaufforderung, die Voraussetzung für eine Leistungskürzung ist, wiederholt werden muß, wenn der Bezug von Leistungen wegen fehlender Hilfebedürftigkeit für mehr als sechs Monate unterbrochen war, ist nach erneuter Antragstellung anhand aller Umstände des Einzelfalles zu prüfen. Dies entschied das Landessozialgericht Rheinland-Pfalz.

In dem zugrunde liegenden Fall lebte der Kläger mit seiner Familie in einer Wohnung, die durch das zuständige Jobcenter für unangemessen groß gehalten wurde. Deshalb wurde ihm eine Kostensenkungsaufforderung geschickt. Etwa zwei Monate danach erhielt er keine Leistungen der Grundsicherung mehr, weil er den Bedarf seiner Familie vorübergehend aus eigenen Mitteln decken konnte. Etwa 11 Monate nach der Kostensenkungsaufforderung war er allerdings wieder auf Grundsicherungsleistungen angewiesen. Ihm wurden dann nur die aus Sicht des Jobcenters angemessenen Unterkunftskosten bewilligt.

Bemühungen um Wohnungswechsel war dem Kläger nicht zumutbar

Nachdem das Sozialgericht Trier seiner hiergegen eingelegten Klage stattgegeben und das Jobcenter verpflichtete hatte, die tatsächlichen Kosten der Unterkunft zu leisten, bestätigte das Landessozialgericht auf die Berufung des Jobcenters hin dieses Urteil. Zwar erfülle die ursprüngliche Kostensenkungsaufforderung die Anforderungen der Rechtsprechung und durch andere Gerichte sei teilweise erst ab einem Unterbrechungszeitraum von mehr als einem Jahr ohne Leistungsbezug davon ausgegangen worden, daß die Aufforderung nicht fortwirkt, zumindest, wenn der erneute Eintritt der Hilfebedürftigkeit vorhersehbar war. Es komme aber auf die Umstände des Einzelfalles an. Beim Kläger sei der Leistungsbezug weniger als zwei Monate nach der Kostensenkungsaufforderung beendet worden. Die Unterbrechung habe 10 Monate betragen und aufgrund der zwischenzeitlich aufgenommenen Tätigkeit sei zunächst nicht mit einer erneuten Hilfebedürftigkeit zu rechnen gewesen. Damit seien entsprechende Bemühungen um einen Wohnungswechsel während der Zeit ohne Leistungsbezug nicht zumutbar gewesen. Ihm müsse nun eine erneute Frist zur Kostensenkung gewährt werden.

Landessozialgericht Rheinland-Pfalz: Urteil vom 27.06.2012 - L 6 AS 582/10 -

Quelle: http://www.kostenlose-urteile.de/

400. Montagsdemo in Zeitz

Splitter aus den Redebeiträgen

[...] Peter Moser, Zeitz: Ich muß meinen Zorn über das zähmen, was wir bei der Unterschriftenaktion am Vormittag vor dem Jobcenter erfuhren. Da war eine junge Mutti. Sie lebt mit zwei Kleinkindern, eines davon noch Säugling. Durch Schuld ihres Noch-Ehemannes (von dem sie nun getrennt lebt und gegen den das Scheidungsverfahren läuft) wurde bei ihr die Stromversorgung eingestellt. Er hatte die Rechnungen nicht bezahlt. Beim Jobcenter erwirkte sie die Gewährung eines Darlehens, um den Strom wieder anschließen zu lassen. Bedingung war, daß sie 114 € selbst trägt. Viel Geld für einen Hartz-IV-Bezieher. Diese 114 € hatte sie bereits vor 14 Tagen gezahlt. Das Ergebnis: Seit zwei Wochen läuft sie täglich zum Jobcenter wegen des zugesagten Darlehens, um den Strom endlich wieder anstellen zu lassen - bislang ergebnislos. Und die Sachbearbeiterin entgegnete ihr an diesem Tag auf ihr dringliches Bitten: "Warten Sie doch ab. Wegen Ihnen bringe ich doch nicht meinen ganzen Arbeitsablauf durcheinander." Diese rotzige Frechheit kann man nicht nachvollziehen. Die Hartz-IV-Betroffene kommt den Forderungen des Jobcenters nach und das sagt anschließend "April April, erstmal warten".

Und solche Sachbearbeiter wundern sich vielleicht auch noch, wenn es Krach auf dem Jobcenter gibt. Es ist unglaublich, was hier an Menschenverachtung und Zynismus geschieht! Die Mutter hat ein kleines Kind von ca. 8 Wochen, glaube ich - und ein weiteres Kleinkind. Und das Jobcenter behandelt sie auf diese Weise.

Ich muß natürlich auch feststellen: Es wird sich nichts bessern, wenn sich die Betroffenen nicht wehren und alles hinnehmen. Dann wird es nicht besser werden! [...]

Thomas Elstner, Gera: Wer sich noch an die Einführung von Hartz-IV erinnern kann, da saß Isolde Kunkel-Weber mit in der Hartz-IV-Kommission. Was sie - und auch wir - damals alle noch nicht wußten: Im Vorfeld dieser Kommission waren die Pflöcke schon lange eingeschlagen; das Ergebnis dieser Agenda 2010 stand vorweg fest. Das wurde bereits vorher von Bertelsmann mit den Vertretern der Schröderregierung abgestimmt.

Und um es gut unter das Volk zu bringen, wurde die Hartz-IV-Kommission ins Leben gerufen, sozusagen als Feigenblatt genutzt. Was die Höhe des Regelsatzes angeht, muß ich anmerken, daß der vorbestrafte Peter Hartz damals meinte, der Regelsatz müsse um die 500 € betragen. Aber das durfte nicht sein, dann hätte nämlich auch das steuerfreie Einkommen höher liegen müssen. Ebenso hätte die Pfändungsfreigrenze höher liegen müssen usw.

Wie wir alle wissen, dient Hartz IV mit seiner Sanktions-Drohkulisse nicht nur dazu, die Arbeitslosen zu schikanieren; sondern, wie meine Vorredner schon sagten, es werden ALG-I-Empfänger damit in Jobs mit wenig Lohn verbracht. Und diese Drohkulisse wirkt auch bei den Beschäftigten, die zu allem bereit sind, nur um nicht bei Hartz IV zu landen. So funktioniert das Spiel von "teile und herrsche"! Und jetzt ist die Kanzlerin gerade dabei, den deutschen Ruf völlig zu ruinieren, denn sie will das Modell der Agenda 2020 auf andere europäische Staaten ummünzen und ausweiten. Nach Frankreich hinüber wurden auch schon mal solche deutschen Rufe laut. [...]

Merkel hatte gerade im Bundestag wieder mal so ein "Rettungspaket" in Richtung Griechenland durchwinken lassen. Und ihr Finanzminister lieferte eine abstruse Begründung, warum wir gerade mal wieder Geld nach Griechenland schicken müssen: um die Griechen zu retten. Das machen wir aber nicht wirklich. Denn das wenigste von dem Geld hilft irgend einem Griechen, das meiste Geld erhalten die Banken - wie immer.

Und so geht die Litanei immer weiter. Und wenn man dann in der Wirtschaftswoche nachliest, warum sie das tun, da kommt man schon mal zu der Überschrift "Zeit schinden" müssen sie. Ja aber wohin denn Zeit schinden? Auf welchen Tag lauern sie denn? Und da hat doch Merkel tatsächlich die Dreistigkeit, zu behaupten, die "Reform in Griechenland" beginne zu wirken. Da bin ich aber näher bei Sarah Wagenknecht. Die meint, das alles ist versenktes Geld, welches wir nie wiedersehen. Die Griechen werden es in der derzeitigen Lage und unter diesen Bedingungen nie und nimmer schaffen, irgendwann aus dem Schuldensumpf heraus zu kommen und ihre Wirtschaft wieder in Gang zu bekommen. Das Ding ist rum. Und die Fortsetzung folgt dann in Italien. Portugal, Spanien usw. Es wird bitter, wenn es in den anderen Ländern auch noch geschieht. Dann helfen uns all die vielen Rettungsschirme gar nichts mehr. Man hat ja schon etliches Geld da hinein gesteckt und so manche Zinsdifferenzgeschäfte gemacht. [...]

Aber ich mache mir immer Gedanken, warum die das überhaupt machen. Wem nützt es und vor wem haben sie Schiß, daß sie sowas machen? Vielleicht deshalb: Es gibt ein Interbanksystem im Euroraum, das nennt sich Target2 - davon hat man in den Nachrichten noch nie etwas gehört. In der Wirtschaftswoche kann man nachlesen, daß Deutschland im Target2-System mittlerweile offene Forderungen in Höhe von 717 Milliarden € hat. Das hat sich in den letzten anderthalb Jahren von knapp 600 Milliarden € auf diese Summe erhöht. Wenn ein Land wie Griechenland pleite geht, dann können wir als erstes diese Forderung abschreiben. Der deutsche Bundeshaushalt beträgt etwa 300 Milliarden €. Also wäre Deutschland sofort pleite, wenn ein Land wie Spanien oder Italien pleite geht. Griechenland allein könnte man vielleicht europaweit noch eben so verkraften.

[...] Noch ein Beispiel, wie sich alles verschlechtert. In der Vorwoche fand in Gera eine Veranstaltung statt mit Wolfgang Lemp, SPD-Mitglied des Landtages. Es ging um Altersarmut und Rente. Auch Stefan Körzell, DGB-Chef von Hessen-Thüringen, war eingeladen. Dort war auch ein Dr. Kohl von der Rentenversicherung aus Leipzig zugegen. Auf der Veranstaltung wurde das SPD-Rentenkonzept vorgestellt, welches man ganz einfach umschreiben kann: Wir doktern mal ein bißchen am System. Da ändert sich zwar nicht viel, aber ihr könnt dann beruhigt weiterschlafen. Ich sagte dort, die Rentenversicherung wurde zu Kaisers und Bismarcks Zeiten eingeführt und sie wird zu Zeiten einer Kanzlerin zerschrotet, die mal FDJ-Sekretärin war. Da haben sie aber reagiert, sage ich euch. Sie haben dagegen gewettert und ich habe nachgebessert und ein paar der magischen Zahlen genannt: Wenn ein Mensch derzeit 2500 € brutto verdient, 35 Versicherungsjahre zusammenbringt und im Jahr 2030 in Rente gehen will, dann bekommt er eine Rente nicht mal mehr in der Höhe der Grundsicherung. Und so habe ich es auch gemeint, weil die Frau Doktor Merkel, ihres Zeichens Kanzlerin, eine Rente auf allerniedrigstem Niveau einführt. Da können uns vergeblich noch so viele dumme Heinis einzureden versuchen "Leistung muß sich wieder lohnen"; denn die spielen dieses Scheißspiel mit. [...]

Weiterhin kann ich euch auch noch von dem Streit berichten, den wir bei Verdi mit dem Amt fechten müssen. Wir hatten in Erfurt eine Veranstaltung mit besagter Isolde Kunkel-Weber. Da waren auch Mitarbeiter des Arbeitsamtes anwesend. Als dort die Zahlen über die eigentlich bei Hartz IV zu leistenden Zahlungen genannt wurden, kam aus dieser Ecke der Zwischenruf: "Was, so viel sollen die kriegen?" Als es um die Zahl der angeblich Faulen ging, hat das Amt selbst eine Statistik erhoben und mußte selbst feststellen, daß es alles nicht so ist, wie wie man es gern verlautbart. Es sind keine 20-40 % sondern wie immer höchstens 2-5 %. Aber diese Einzelfälle, diese Florida-Rolfs, werden immer wieder benutzt, um eine Menschengruppe zu diskriminieren, die zum größten Teil unverschuldet in diese Lage gekommen ist. Schuld ist nicht das süße Leben in Saus und Braus, schuld an allem ist dieses Scheiß-System!

Das Brandmal

Eines Tages als die Regierung den Widerspruch des Volkes nicht länger mehr dulden wollte, bestellte sie im Parlament ein Gesetz, demzufolge die undankbaren Aufrührer weithin sichtbar gekennzeichnet werden sollten, mit einem roten Punkt auf der Stirn.

Noch bevor die Auftragnehmer, willig wie stets, die gewünschte Verfügung abnickten, gebot einer Einhalt. "Bedenkt doch" rief er lautstark, "wenn ihr das tut, werden sie erkennen, wie viele sie sind. Ein Aufstand wär' unser Ende."

(Horst Buder)



Der Offene Runde Tisch Zeitz, ORTZ


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