Montagsdemo Zeitz - Offener Runder Tisch Zeitz

Die erste Freiheit der Presse besteht darin, kein Gewerbe zu sein. (Karl Marx)

Jahrgang 5 + Nr. 05 + 1. Mai 2013

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Herausgegeben von "Offener Runder Tisch Zeitz"

Inhalt:

  1. Aktionsmonat Mai 2013 - Vergleich: Hartz-IV-Niveau eines alleinstehenden Erwerbstätigen / Mindestlohn-Niveau
  2. Nach Hartz IV-Kritik: Inge Hannemann beurlaubt
  3. Zu Besuch bei einem CDU-Landtagsabgeordneten

Aktionsmonat Mai 2013
Vergleich: Hartz-IV-Niveau eines alleinstehenden Erwerbstätigen / Mindestlohn-Niveau

* Freibetrag: Ab einem Bruttoeinkommen von 1.200 Euro steht allen Erwerbstätigen ab 1.1.2011 ein Freibetrag von 300 Euro zu. Ein Betrag in dieser Höhe wird nicht als Einkommen angerechnet, bleibt also frei und steht zusätzlich zu Eckregelsatz und Warmmiete zur Verfügung.

** Warmmiete: Ein-Personen-Haushalte der EVS 2008 hatten bei einem Nettoeinkommen unter 900 Euro eine Wohnungsmiete (kalt) von 309 Euro (Stat. Bundesamt EVS 2008, Fachserie 15, Heft 5, Seite 38). Hochgerechnet mit 4,7 % auf 2012 ergeben sich 324 Euro (Stat. Bundesamt, Preise, Verbraucherpreisindizes für Deutschland, Fachserie 17, Reihe 7, November 2012, 12;  http://www.destatis.de). Die Bundesregierung legt der Berechnung des steuerlichen Existenzminimums für 2012 eine Kaltmiete von 7,55 Euro/qm bei 30 qm Wohnfläche zugrunde. Angemessen sind jedoch 45-50 qm. So gerechnet würde sich die Kaltmiete bei der Bestimmung des Existenzminimums von Alleinstehenden sogar auf mindestens 340 Euro belaufen.

Die durchschnittlichen Heizkosten auf der Basis der EVS 2008, hochgerechnet auf 2012, beliefen sich auf 57 Euro (Achter Existenzminimumbericht der Bundesregierung, Dt. Bundestag Drs. 17/5550 vom 23.5.2011, Rd. Nr. 4.1.2 und 4.1.3 -

 http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/17/055/1705550.pdf

Fazit:
Ein Bruttolohn von 7,50 € ergibt ein Nettoeinkommen, das beim aktuellen Eckregelsatz (382 €) und bei allen geforderten Eckregelsätzen deutlich unter dem Hartz-IV-Niveau liegt. (IIa - I)

Ein Bruttolohn von 8,50 € liegt schon beim aktuellen Eckregelsatz von 382 Euro unter dem Hartz-IV-Niveau eines Vollzeitbeschäftigten, erst recht dann bei einem geforderten Eckregelsatz von 420 Euro bzw. 440 Euro. (IIb - I)

Ein Bruttolohn von 10 € liegt deutlich über dem Niveau auf der Grundlage von Eckregelsätzen von 382 bis 440 €, nicht aber bei 500 €. (IIc - I)

Nur ein Bruttolohn von 10 €, lohnsteuerfrei, liegt deutlich über dem Hartz-IV-Niveau auf der Basis eines Eckregelsatzes von 500 €. (IId - I)

Schlußfolgerung:
Kein Lohn unter zehn Euro, lohnsteuerfrei. Vollzeitarbeit mit 8,50 Euro/h führt zu Hartz IV!


Quelle: http://www.mindestlohn-10-euro.de/

Nach Hartz IV-Kritik: Inge Hannemann beurlaubt

Engagierte Jobcenter-Mitarbeiterin wird von der Jobcenter-Geschäftsführung ausgesperrt

Heute Morgen war die Hartz-IV-kritische Jobcenter-Mitarbeiterin Inge Hannemann nach ihrem Urlaub zu einem "Gespräch" mit der Geschäftsführung geladen. Nach diesem Gespräch sollte ganz normal der Dienst bei ihrem Arbeitgeber "teamarbeit Hamburg" beginnen. Doch stattdessen wurde sie mit sofortiger Wirkung seitens der Geschäftsführung vom Dienst "freigestellt". Ihren Schlüssel musste sie sofort abgegeben und ein Jobcenter darf sie nicht betreten.

Bereits am Morgen hatte Frau Hannemann nach eigenen Angaben versucht, sich mit dem Online-System per Passwort einzuloggen. Das funktionierte schon nicht mehr, weshalb Inge Hannemann und ihre Unterstützer bereits Schlimmes befürchteten. Nun besteht Gewissheit: die Hamburger Behörde entledigt sich offenbar ihrer größten Kritikerin.

Zum Hintergrund: Seit einiger Zeit betreibt Frau Hannemann einen privaten Blog. http://altonabloggt.wordpress.com/

Dort schreibt sie regelmäßig über Missstände in ihrem Jobcenter und berichtet von ihrem Kampf für die Rechte Hartz-IV-Betroffener. In ihren Beiträgen forderte sie wiederholt die Einhaltung des Grundgesetzes innerhalb der Hartz-IV-Gesetze und spricht sich für eine entsprechende Ausbildung der Mitarbeiter/innen in den Behörden aus, damit diese auch in den Ämtern den Menschen mit Empathie begegnen können. In diesem Zusammenhang macht sie sich auch für die Abschaffung aller Sanktionen bei Hartz IV stark und kämpft gegen die alltägliche Willkür in den Jobcentern. Auch bei "gegen-Hartz.de" gab Frau Hannemann bereits ein Interview.

Eben jenes kritische Denken veranlasste die Hansestadt Hamburg als Arbeitgeber, Frau Hannemann bereits vor einigen Wochen zu einer "Anhörung" zu laden. Dort war unter anderem zu lesen: "Über die Inhalte des Blogs und darüber, ob und wieweit Sie an diesen Inhalten in Zukunft festhalten oder davon abrücken möchten, würden wir gern ein persönliches Gespräch mit Ihnen führen." Damit zog die Behörde eine deutliche Linie. Entweder Frau Hannemann hört auf, kritisch zu denken und ihre Gedanken öffentlich zu machen oder sie hat mit scharfen beruflichen Konsequenzen zu rechnen. Damals wurde allerdings die Anhörung noch einmal kurz vor Beginn seitens der Geschäftsführung abgeblasen. Nun aber hat man anscheinend Ernst gemacht und Frau Hannemann ausgeschlossen.

Quelle: http://www.gegen-hartz.de/

Anmerkung des ORTZ: Für ihr mutiges Auftreten verdient Inge Hannemann unser aller Achtung und Unterstützung!



Zu Besuch bei einem CDU-Landtagsabgeordneten

Am 11. April 2013 besuchten einige Mitglieder des Offenen Runden Tisches Zeitz den CDU-Landtagsabgeordneten Arnd Czapek.

Angestoßen wurde dieses Treffen durch Czapek's Äußerung einem Montagsdemonstranten gegenüber, noch nie habe jemand sich mit dem Thema Hartz IV an ihn gewandt. Der ORTZ nahm das zum Anlaß, Czapek einen Brief mit unserer Meinung über Hartz IV zu übermitteln, mit der Bitte um Antwort. Die blieb jedoch zunächst aus. Auch eine spätere Einladung per Email zu einer unserer Montagsdemos blieb unbeantwortet.

Durch hartnäckiges Nachfragen eines Montagsdemonstranten kam nun doch ein Treffen zustande.

Es war unsere Absicht, den Politiker mit den Forderungen des Aktionsbündnisses Sozialproteste (ABSB) vertraut zu machen, seine Meinung darüber zu erfahren und günstigenfalls seine Unterstützung zu gewinnen. Auch die Montagsdemo Zeitz ist Mitglied dieses Bündnisses.

Zur Erinnerung: Das ABSP fordert 10 €/h gesetzlichen Mindestlohn, lohnsteuerfrei aber sozialabgabenpflichtig und die Anhebung des Hartz-IV-Eckregelsatzes auf 500 € monatlich. Detaillierte Informationen dazu gibt es hier:

 http://www.mindestlohn-10-euro.de/und hier: http://www.500-euro-eckregelsatz.de/

Bei dem Treffen war auch der CDU-Bundestagsabgeordnete Dieter Stier anwesend, mit dem wir die meisten Worte wechselten, denn unangenehm berührt mußten wir hinnehmen, daß Czapek mehrfach für längere Zeit den Raum verließ - woraus wir mangelndes thematisches Interesse schlußfolgern.

Bedenklich finden wir seine Ansicht zu unseren Vorstellungen über einen gesetzlichen Mindestlohn und Hartz-IV-Eckregelsatz.

Einen gesetzlichen Mindestlohn (egal welcher Höhe) lehnt er strikt ab, diese Angelegenheit möchte er den "Tarifpartnern" überlassen.

Partner? Sind Unternehmer tatsächlich Partner der Beschäftigten? Man denke z. B. an den Präsidenten des Arbeitgeberverbandes Dieter Hundt. Dessen Dauerforderungen nach Kürzungen, Lohnverzicht und höherem Renteneintrittsalter muß man als feindselig anstatt partnerschaftlich bezeichnen. Aber er ist sogar Arbeitgeberpräsident!

Fragwürdig ist Czapek's Hinweis, er selbst erhalte als Landtagsabgeordneter nur 7 €/h; das sei ja weniger als unser geforderter Mindestlohn von 10 €/h. - Mancher wird sich nun fragend den Kopf kratzen. Wie kommt man bei einem Einkommen von 5.500 € monatlich auf einen derart geringen Stundenlohn? Vielleicht wollte er uns damit auf seine Arbeitszeit aufmerksam machen? Also rechnen wir einmal nach:

Bei 5000 € brutto monatlich und jährlich 365 Arbeitstagen bekommt er täglich gut 164 € brutto. Soll der Stundenlohn 7 € brutto betragen, müßte er täglich 23,48 Stunden arbeiten. Täglich! An Feiertagen, Wochenenden, ohne Urlaub, immer, ohne Pausen. Sein Arbeitstag zu 7 €/h brutto wäre noch länger bei den in Wahrheit bezogenen ca. 5.500 € monatlichen Diäten!

Wer soll ihm die 7 €/h glauben?

Und was ist mit dem höheren Eckregelsatz von 500 €? Auch dagegen ist Czapek. Begründung: Eine Friseuse hat oft auch nicht mehr in der Lohntüte - da wäre ein gleich hoher Hartz-IV-Satz ungerecht.

Hier zeigt sich der Widerspruch offen. Einerseits beklagt er geringe Löhne im Friseur-Handwerk, andererseits ist er aber gegen gesetzliche Mindestlöhne.

Seit kurzem gibt es einen gewerkschaftlich erstrittenen Mindestlohn von 8,50 €/h für Friseusen und Friseure. Aber der reicht nicht zur Unabhängigkeit von Hartz IV (siehe oben).

Die Hartz-IV-Verfechter und Sozialräuber mißbrauchen das "Lohnabstandsgebot" zur Minderung sowohl der Arbeitseinkommen wie der Sozialleistungen. Ständig beklagen sie, Hartz-IV-Betroffene erhielten mitunter gleichviel wie Arbeitende. Niedriglöhne sind aber kein Thema für diese Leute!

Dieter Stier hielt sich aus dieser Diskussion weitgehend heraus. Er bat uns aber, Betroffene mit Kindern auf die Leistungen für Bildung und Teilhabe hinzuweisen, sie würden noch immer zu wenig in Anspruch genommen. Das möchten wir hiermit tun. Die Ursachen für das geringe Interesse kennen wir auch nicht. Wir werden aber versuchen, der Sache auf den Grund zu gehen, wenn wir mit Betroffenen ins Gespräch kommen.



Der Offene Runde Tisch Zeitz, ORTZ


Termine:

Aktuelle Termine von Demonstrationen und Aktionen des ORTZ finden sie Hier

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