Montagsdemo Zeitz - Offener Runder Tisch Zeitz

Die erste Freiheit der Presse besteht darin, kein Gewerbe zu sein. (Karl Marx)

Jahrgang 5 + Nr. 11 + 1. November 2013

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Herausgegeben von "Offener Runder Tisch Zeitz"

Inhalt:

  1. Verschärfung von Hartz-IV geplant!
  2. Mißbrauch von Praktika?

Verschärfung von Hartz-IV geplant!

Eine von der "Sozial"ministerkonferenz eingesetzte Bund-Länder-Arbeitsgruppe arbeitet derzeit an einer "Vereinfachung des passiven Leistungsrechts". Was zu gut Deutsch nichts anderes bedeutet als die Verschärfung des Kampfes gegen Hartz-IV-Bezieher.

Ein paar Beispiele:
  • Aufstockende sogenannte Minijobber will man finanziell beschneiden, indem man ihnen die Freibeträge kürzt. Aktuell dürfen sie bei 400 Euro Monatsverdienst 160 Euro über den Regelsatz hinaus behalten. Bleiben soll ihnen nun nur noch die 100-Euro-Pauschale, der Rest soll angerechnet werden.

  • Bei den sogenannten Haushaltsgemeinschaften soll es künftig eine "gesetzliche Vermutung der Bedarfsdeckung" geben, d. h. die ARGEn/Jobcenter dürften diese dann ungeprüft in Sippenhaftung nehmen - einschließlich Oma, Opa und Kinder. Handelt es sich um ein Paar, so soll die bisher geltende Jahresfrist wegfallen, d. h. die beiden müßten vom ersten Tag des Zusammenlebens an füreinander aufkommen.

  • Aufstockenden Selbständigen soll ihre Arbeit von den Jobcentern verboten werden können, um sie z. B. in sogenannte Maßnahmen zu zwingen. Andernfalls müssen sie nach 24 Monaten nachweisen, daß ihre Arbeit "rentabel" ist, womit ihr Anspruch auf Leistungen dann erlischt.

  • Alleinerziehenden soll der Mehrbedarf nur noch dann gewährt werden, wenn sie erwerbstätig sind - und dann auch nur noch als willkürlich festgesetzte Pauschale.

  • Hauseigentümer sollen keine Darlehen mehr für Instandhaltungen bekommen. Diese sollen sich doch bitteschön selbst helfen, indem sie ihr Grundeigentum beleihen.

  • Umziehen ohne gnädige Erlaubnis soll gar nicht mehr gehen. Machen es die ARGE-"Kunden" dennoch, so sollen anfallende Mehrkosten nicht mehr übernommen werden. Jugendlichen unter 25 soll der Auszug aus der "Bedarfsgemeinschaft" mit den Eltern weiter erschwert werden.

  • Einführung einer pauschalen Gebühr für Widerspruch und Klage gegen Entscheidungen der Jobcenter. Vorerst werden 20 € angepeilt; bisher ist das Widerspruchsverfahren sowie die Klage vor Sozialgerichten für Leistungsempfänger kostenlos.
    Damit werden Hartz-IV-Bezieher finanziell daran gehindert, ihre Rechte gegen Entscheidungen der Jobcenter wahrzunehmen: bei ALG-II-Bezug kann niemand 20 € entbehren!
Kritiker sprechen nun wieder von "sozialen Grausamkeiten", denen Einhalt geboten werden muß, da ansonsten der weitere Abbau von Grundrechten drohe. Gewerkschaften, Sozialverbände, auch die LINKE und die "Grünen" sollen sich doch bitte dagegen positionieren.

Nun, die Genannten haben in den vergangenen zehn Jahren bewiesen, daß sie diese arbeiter- und volksfeindliche Politik, diese seit zehn Jahren anhaltenden "sozialen Grausamkeiten" nicht verhindern können oder wollen, daß sie zu einem Kampf nicht in der Lage zu sein scheinen. Die vor zehn Jahren aufflammende Montagsdemo-Bewegung hätte für sie eine Basis sein können - sie haben sie nicht genutzt. Heute ist diese Bewegung eine relativ kleine. Doch wie es die 10. Herbstdemo am vorigen Wochenende in Berlin belegt, ist sie immer noch existent. Wollen Gewerkschaften, Sozialverbände, DIE LINKE und die "Grünen" kämpfen, so müssen sie diese überparteiliche Bewegung stärken. Andernfalls wird es wie gehabt bei schönen kritischen Worten bleiben.

Aufgefordert zum aktiven, öffentlichen Widerstand sind natürlich in erster Linie die Betroffenen selbst. "Es rettet uns kein höh'res Wesen, kein Gott, kein Kaiser noch Tribun. Uns aus dem Elend zu erlösen, können wir nur selber tun!" Daran hat sich seit den Tagen der Pariser Kommune nichts geändert.

Klaus Wallmann sen.

Quelle: http://www.randzone-online.de/

Mißbrauch von Praktika?

Seit geraumer Zeit hinterfragt der ORTZ in Bürgerfragestunden des Kreistages die Methoden der Maßnahmeträger für "Weiterbildung und Qualifikation", insbesondere in welchem Verhältnis Aufwand und Nutzen dabei stehen.

Dabei ergab sich, daß hinsichtlich Vermittlungserfolgen auf sozialversicherungspflichtige Vollzeitarbeitsplätze sowie Dauer und Bestand derartiger Arbeitsverhältnisse nachprüfbare Angaben fehlen; solche Zahlen zu den Praktika werden statistisch überhaupt nicht erfaßt. Ein bundesweiter Zufall? Eine Ergebnisanalyse der teuren Maßnahmen mit Blick auf den Nutzen für die Teilnehmer ist unmöglich, sicherlich auch gar nicht gewollt. Es war uns wichtig, nochmals eine Bürgerfrage zu den Praktika zu stellen, was in der letzten Kreistagssitzung am 23.09.2013 geschah. Hier nun unsere Frage und die darauf erteilte "Antwort":

... Ihrem jüngsten Antwortschreiben nebst anhängenden Unterlagen darf ich entnehmen, daß die Übernahme Arbeitsloser aus Praktika nicht statistisch erfaßt wird; damit ist auch eine bundesweite Erfassung ausgeschlossen. Die Betroffenen arbeiten also massenweise unentgeltlich in Praktika, ohne daß irgendwo amtlich die Übernahmequote erfaßt wird und ohne daß dies irgendein Amt interessiert. Es liegt auf der Hand, daß unbezahlt tätige Praktikanten reguläre Arbeitsplätze vernichten, sofern sie nicht übernommen und am Ende des sogenannten Praktikums lediglich in gegebenenfalls endloser Reihe durch immer neue andere Praktikanten ersetzt werden.

Frage:

Können Sie hierzu in Ihrem Verantwortungsbereich empirische oder zumindest überschlägliche Angaben von einiger Mindestzuverlässigkeit machen?

Wenn nein, was unternehmen Sie diesbezüglich, um potentiellen sozialen Praktikantenmißbrauch zu verhindern?


Es wird um eine schriftliche Antwort gebeten.


Antwort vom 21. Oktober 2013:
Eine zentrale und/oder dezentrale Erhebung von Praktikumsplätzen bzw. Teilnehmern in Praktika wird nicht vorgenommen weil es sich nicht um statistische Kennziffern handelt die abbildbar sind.

Im Rahmen von Maßnahmen gibt es mehrere Formen von Praktika:
  1. Praktikum im Rahmen von Weiterbildungs- u. Qualifizierungsmaßnahmen, deren Ziel und Zweck es ist, das theoretisch erworbene Wissen in die Praxis umzusetzen und die Anwendbarkeit zu testen.

  2. Praktikum in Aktivierungs- u. Integrationsmaßnahmen, die zielorientiert akquiriert und durchgeführt werden um festzustellen, ob der Bewerber am Arbeitsmarkt platziert werden kann und sich den Arbeitsanforderungen stellen kann.

  3. Praktikum in Maßnahmen zur Heranführung an den Ausbildungs- u. Arbeitsmarkt - hier geht es in der Hauptsache um eine berufliche Orientierung sowie das Kennenlernen von Arbeits- u. Tätigkeitsanforderungen - speziell für Jugendliche.

  4. "Praktikum - im Sinne von betrieblicher Erprobung" - Maßnahmen beim Arbeitgeber nach § 16 SGB II i.V.m. § 45 SG III, um zu testen, ob der potentielle Teilnehmer den spezifischen Anforderungen des Arbeitsplatzes direkt bei dem Arbeitgeber, der die Einstellung signalisiert hat, gerecht zu werden.
Bei den Praktikumsplätzen unter Nr. 1 - 3. handelt es sich um solche, die durch Bildungsträger und beauftragte Dritte akquiriert werden, Dabei orientiert man sich insbesondere an den zur Verfügung stehenden Teilnehmerpotential und den Fachkräftebedarfen, die zu decken sind. Weiterbildungs- u. Qualifizierungsmaßnahmen werden grundsätzlich in eigener Zuständigkeit von Bildungsträgern durchgeführt und basieren sowohl inhaltlich fachlich, als auch kalkulatorisch und organisatorisch auf einer externen Zertifizierung durch zugelassene Stellen.

Betriebliche Erprobungen nach Nr. 4. werden vom JC initiiert bzw. unterstützt, sobald der Arbeitgeber und Arbeitnehmer Interesse daran zeigen und eine nachhaltige Integration angestrebt wird. Hauptziel der Erprobung ist das "Austesten" der Fertigkeiten und Fähigkeiten des Bewerbers sowie der Möglichkeit der Integration in betriebliche Abläufe und Gegebenheiten. Diese werden grundsätzlich zielorientiert geplant, durchgeführt und nachgehalten und die Ergebnisse sowohl mit dem Teilnehmer als auch mit dem Arbeitgeber ausgewertet.

Die intern, im Rahmen des Absolventenmanagements festgestellten Integrationsquoten nach Beendigung der Maßnahmen liegen z.B. bei Weiterbildungs- u. Qualifizierungsmaßnahmen über 40% und bei Maßnahmen, die direkt beim Arbeitgeber durchgeführt werden, bei über 50%. Die Möglichkeit der Durchführung von Praktika spielt hierbei eine wesentliche Rolle und bedingt dies positiv.

Praktika sind Bestandteil einer Vielzahl von geförderten Eingliederungsmaßnahmen und -leistungen nach § 16 ff SGB II und dienen der praktischen Erprobung des Leistungsempfängers. Anders als bei Berufspraktika während und nach der Ausbildung sind diese Bestandteil einer Fördermaßnahme neben dem Leistungsbezug.

Von einem sozialen Praktikumsmissbrauch ist somit in der Regel und insbesondere bei Praktika die vom JC BLK direkt initiiert oder zumindest mit diesem abgestimmt sind, insofern nicht auszugehen.

Mit freundlichen Grüßen
Im Auftrag, Michel
Anmerkung des ORTZ:
Eindeutige und nachprüfbare Angaben zur Übernahme von Teilnehmern an den sogenannten Maßnahmen, Weiterbildungen, Qualifizierungen und ähnlichen Veranstaltungen in ein Arbeitsverhältnis können nicht gemacht werden. Selbst dann nicht, wenn das Jobcenter diese Veranstaltungen selbst "initiiert" hat oder sie "zumindest mit diesem abgestimmt sind". Eine solche Erfassung ist augenscheinlich auch überhaupt nicht beabsichtigt. Die oft privatwirtschaftlichen Betreiber der sogenannten Bildungseinrichtungen, Maßnahmeträger usw. erhalten jedoch erhebliche steuerfinanzierte Geldzuweisungen des Jobcenters (JC) für ihre Tätigkeit. Diese Geldbeträge sind je Teilnehmer um ein Vielfaches höher als die an die Teilnehmer direkt gezahlten Geldbeträge. Der Gedanke ist mehr als naheliegend, daß hier einige Leute an der Arbeitslosigkeit anderer Leute gut verdienen. Gut verdienen und wohl auch gut verdienen sollen - ohne daß die Betroffenen ihre Arbeitslosigkeit auf Dauer und wirksam beenden können. Das JC hat die gesetzliche Aufgabe, den Arbeitslosen zu helfen und zu nutzen. Aber es prüft nicht, wem seine erheblichen Geldausgaben wirklich nutzen! Warum wohl nicht? Oder ist in Wahrheit diese Verwendung von Steuergeldern gewollt? Das ist stark anzunehmen, denn das JC BLK befindet sich ja in der kapitalistischen BRD und nicht etwa auf einem anderen Planeten. Wer aber einen derartigen Erklärungs-Eiertanz aufführt wie das Landratsamt des BLK, um die einfache Frage nicht beantworten zu müssen, wie der potentielle soziale Mißbrauch von Praktikanten im eigenen Verantwortungsbereich verhindert wird - nämlich als billige Arbeitskräfte und Lohndrücker ausgenutzt zu werden - der weiß auch genau, was er tut.



Der Offene Runde Tisch Zeitz, ORTZ


Termine:

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